press release only in german

Susanne Vielmetter Berlin Projects freut sich vom 19. Juli – 23. August eine von Katharina Fichtner konzipierte Gruppenausstellung präsentieren zu können: In unserem Herzen brennt eine Sehnsucht führt uns in die Berge, zu jenen Sehnsuchtsorten, die seit über hundert Jahren auf ganze Künstlergenerationen eine starke Anziehungskraft ausgeübt haben – und das bis heute tun. Von jeher galten die Berge in ihrer Unberührtheit als Orte, an denen sowohl die Götter als auch das Dämonische zu Hause waren. Waren sie einst wegen ihrer Unüberwindbarkeit gefürchtet, so entwickelte sich parallel zum aufkommenden Alpinismus und zur allmählichen touristischen Erschließung im 19. Jahrhundert eine neue Begeisterung für die Berge, die auch von vielen Künstlern mitgetragen wurde. Insbesondere die Avantgardisten und Reformbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts fühlten sich von der Ursprünglichkeit der Bergwelt angezogen. Künstler- und Lebensgemeinschaften suchten in den Alpen – wie auf dem berühmten Monte Verità – eine Gegenwelt zu den zu eng gewordenen Städten. Hier, nahe den Gipfeln fühlte man sich mit den kosmischen Energien verbunden die utopischen Gedanken und ganzheitlichen Entwürfen eine anregende Kraft zu verleihen schienen. Angesichts ihrer vollständigen touristischen Erschließung können die Berge heute nicht mehr als Fluchtpunkte auf der Suche nach alternativen Kunst- und Lebensformen dienen. Der Mythos der unberührten Bergwelt ist zum Klischee geworden, die Fantasie von einer Einheit von Mensch und Natur – wenn es sie überhaupt je gegeben hat – ist nicht zu halten. Und dennoch scheint das Motiv nur wenig von seiner Strahlkraft eingebüsst zu haben. Die Bergwelt scheint in ihrer Erhabenheit, als imaginativer Fluchtort, als mythisch-religiös besetzter Raum oder als Identifikationspunkt noch immer eine besondere Kraft auszuüben, die sich Künstler auch heute noch für ihre Arbeit zu nutze machen. Sei es um eine unbestimmte Sehnsucht auszudrücken, um fehlgeschlagene Utopien oder eine längst verlorene Vergangenheit zu adressieren – das Wissen um den Verlust und das Unerreichbare ist dem Motiv immanent. Die Ausstellung In unseren Herzen brennt eine Sehnsucht zeigt Arbeiten von sieben Künstlern, die die Bergwelt und ihre vielfältigen Bedeutungsebenen ausloten. Till Gerhard schöpft für seine Malereien und Collagen aus einem Fundus an Urbildern. Er sucht nach den Spuren uralter Traditionen, die ihre Wurzeln in der heidnischen Vorstellungswelt und den Bräuchen der Alpenregionen haben und die immer wieder eine Faszination auf die Sinnsuchenden verschiedener Generationen ausgeübt haben. Die kultische Naturerfahrung steht auch im Zentrum von Nan Hoovers Video „Returning to Fuji“ in dem sie den Wandel von Morgen, Mittag und Abend am heiligen Berg der Japaner durch die subtile Veränderung von Licht und Schatten künstlich nachstellt. Beschwörende Toneffekte ergänzen die abstrahierte Darstellung eines, in mystische Wolken gehüllten Berges, der allmählich seine Gestalt verändert und schließlich nur noch als abstrakte Form wahrgenommen werden kann. In ihren Zeichnungen und skulpturalen Arbeiten greift Claudia Wieser auf das Formenvokabular der utopischen Moderne zurück, wie auf die expressionistischen Architekturentwürfe von Bruno Taut, für die die markanten Formen der alpinen Landschaft Vorbild waren. Indem Wieser die abstrakten Formen aufgreift, sich aneignet, und neu mit der Bilderwelt der Berge spiegelt, gelingt ihr eine Befragung und Neuformulierung des utopistischen und weltreformerischen Gedankenguts dieser Zeit. Nur eine dünne Bleistiftlinie verbindet in der Zeichnung von Michael Müller die beiden indischen Planstädte Chandigarh und Auroville. Hier am Fuße des Himalaja und im Süden des indischen Subkontinents haben die modernen gesellschaftlichen Utopien in der Konzeption von Städten Gestalt angenommen; hier im Nichts gebaut konnte Le Corbusier mit Chandigarh seine Vorstellung einer modernen Stadt umsetzen und wurde mit Auroville ein "urbanes Modell menschlicher Einheit und gelebter Völkerverständigung" entwickelt. Wie Inseln liegen die beiden Städte in der gesellschaftlichen Realität Indiens – nur durch die fiktive Stecke des Utopia-Express verbunden. In den Arbeiten von Björn Braun finden sich Spuren von der Sehnsucht nach einer längst verlorenen Vergangenheit oder weit entfernten Orten. Seine Installation „Schweizer Krankheit“ widmet sich einem Leiden, das im 17. Jahrhundert bei Schweizer Fremdenlegionären diagnostiziert wurde, die von einem melancholischen, von Heimweh begleiteten Seelenzustand geplagt wurden, der auf den Verlust der vertrauten Vorstellungswelt zurückführt wurde. Nur durch die Rückkehr in die Heimat der Schweizer Berge versprach man sich damals Heilung. Die Videoarbeit von Andreas Lorenschat „Das Lagerfeuer“ beschreibt die Sehnsucht nach dem Erleben elementarer Kräfte: Mit der Szene am Lagerfeuer wird dieses Sehnsuchtsgefühl beschworen, aber schließlich nicht eingelöst. Durch das Eindringen zivilisatorischer Geräusche und die Lichter einer Stadt, scheitert der Versuch einer Verzauberung, die das romantische Motiv hervorrufen will. Damien Roach macht in seinen Arbeiten einen Verlust sichtbar – den Verlust der Fantasie von einer ursprünglichen und unberührten Natur der Berge, die angesichts einer vollständigen touristischen und wirtschaftlichen Erschließung nur schwer aufrechterhalten werden kann. Mit kleinen, auf den ersten Blick gar nicht wahrnehmbaren Eingriffen in die Bilderwelt des Alltäglichen stellt er dem Banalen das Erhabene entgegen und auf einmal erkennt man in den Kratzern im Lack der Tischplatte ein Bergpanorama, einem Traumbild gleich.

19. Juli – 23. August 2008, Do – Sa. 11-18 Uhr Eröffnung: 18. Juli , 19-21 Uhr

only in german

"IN UNSREN HERZEN BRENNT EINE SEHNSUCHT"
Kurator: Katharina Fichtner

Künstler: Björn Braun, Till Gerhard, Nan Hoover, Andreas Lorenschat, Michael Müller [Ingelheim], Damien Roach, Claudia Wieser