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Die Baukunst Galerie eröffnet am Mittwoch, den 3. März 2010 eine große Einzelschau mit schwarz-weißen Fotografien der lettischen Fotografin Inta Ruka. Es handelt sich bereits um die vierte Ausstellung ihrer Werke in der Galerie. Während 2003 die Serie „My Country People“ präsentiert wurde, mit der die Künstlerin ihr Land auf der 48. Biennale in Venedig repräsentierte, wurden 2005 Porträts aus den Serien „People I happened to meet“ (seit 2000) und „Amalias Street 5“ (seit 2004) gezeigt. Die Weiterentwicklung und Ausgestaltung dieser zuletzt entstandenen Serie stand im Mittelpunkt der 2007 präsentierten Einzelschau. In der aktuellen Ausstellung werden die Familien und Lebensumstände der beiden Mädchen Iveta Tavare und Natasha Kurova einander gegenüber gestellt, die in den Serien „My Country People“ und „Amalias Street 5“ eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus werden ausgewählte Schlüsselwerke aus beiden Serien erstmals in einer exklusiven Auflage im Format 100 x 97 cm (statt 35 x 33,5 cm) präsentiert.

Inta Ruka, 1958 in Riga geboren, fotografiert seit über zwei Jahrzehnten die Menschen ihres Landes. Aus der Halbdistanz aufgenommen, ist auf ihren Porträts stets die jeweilige Umgebung zu erkennen, so dass dem Betrachter ein Eindruck des alltäglichen Lebensumfelds der Porträtierten vermittelt wird. Dieser wird durch tagebuchartige Anmerkungen ergänzt, die die Künstlerin in der Ausstellung auf die Wand unter die Fotos schreibt. Fragmentarisch und konzentriert erzählen diese Texte von der Lebensgeschichte, den Ängsten und Hoffnungen der Porträtierten.

In der 1984 bis 2000 entstandenen Serie „My Country People“ beschäftigt sich die Künstlerin mit der ländlichen Region Balvi, in der sie ihre Kindheit verbrachte. Bei ihren regelmäßigen Exkursionen in das Hinterland Lettlands steht die Familie Tavare im Mittelpunkt, deren Gesichter und Geschichten sie über zwei Jahrzehnte in dieser Fotoreihe festgehalten hat. In der Ausstellung wird diese biographische und soziologische Dokumentation der armen, ländlichen Bevölkerung Lettlands an den Porträts von Iveta Tavare verdeutlicht, deren früheste Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter Inta Ruka in ihren Silbergelatineabzügen widerspiegelt. Während die Zeit in dieser ländlichen Region stehen geblieben zu sein scheint und die Fotografien aus der Serie „My Country People“ manchmal geradezu historisch anmuten, bietet die Künstlerin dem Betrachter im Kontrast dazu in der Serie „Amalias Street 5“ einen unverstellten Blick auf die Um- und Aufbruchssituation in Lettland seit der Eingliederung in die EU. Konzentriert auf ein bestimmtes Gebäudeensemble in der Hauptstadt Riga zeigt sich hier das breite Spektrum der lettischen Bevölkerung, das Inta Ruka in diesen beiden einander gegenübergestellten Serien eindrücklich visualisiert. Über die Jahre hat die Künstlerin auch hier eine ganz persönliche Beziehung zu den Bewohnern aufgebaut. Exemplarisch für die beengten Lebensverhältnisse vieler Stadtbewohner Rigas, die oftmals in verfallenen Gebäuden leben, die aufgrund der beschränkten finanziellen Mittel nur langsam renoviert werden können, porträtiert Inta Ruka das Lebensumfeld des Mädchens Natasha Kurova. Als jüngstes Familienmitglied lebte sie in ihrer Kindheit und Jugend zusammen mit ihrem Onkel und ihrer Großmutter in einem einzigen Zimmer, so dass der Familie der Innenhof als Refugium zum Arbeiten, Spielen und Kommunizieren diente.

Inta Ruka nimmt sich Zeit. Sie fotografiert ohne künstliche Lichtquellen mit einer Rolleiflex im Format 6 x 6 cm. Sie nutzt diese Zeit, um ihren Modellen zuzuhören, mit ihnen gemeinsam eine stimmige Inszenierung zu finden und auf jene Momente stiller Offenheit zu warten, in denen sie die Kamera vergessen. Auf diese Weise entstehen Porträts, die in ihrer zentrierten Kompositionsweise, brillanten Tiefenschärfe und Detailfülle an die späten Arbeiten von Diane Arbus erinnern. Durchschnittsmenschen und Außenseiter blicken mit dem gleichen gelassenen, selbstbewussten Gesichtsausdruck frontal in die Kamera. Dieser direkte Blick ins Auge des Betrachters verleiht den Porträts eine Unmittelbarkeit und Intensität, die nicht nur die äußere, sondern auch die innere Welt der Porträtierten spürbar werden lässt. Durch Inta Rukas Fähigkeit, den konkreten Situationen oder Stimmungen etwas zutiefst Menschliches und Allgemeingültiges zu verleihen, entwächst ihrem geduldigen und einfühlsamen Arbeitsprozess ein unvergleichlicher Moment konzentrierten Lebens.

Inta Ruka zählt zu den bekanntesten, zeitgenössischen Fotografen des Baltikums. Ihre Fotografien sind im Besitz internationaler Sammlungen und Museen, z.B. der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang in Essen und der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. 1999 vertrat sie Lettland auf der 48. Biennale von Venedig. Ihre Werke wurden 1991 bis 1994 auf Ausstellungstourneen in verschiedenen Städten der USA, Kanadas und Europas präsentiert. 2006 und 2007 waren sie im Photography Center Istanbul und in der Barbican Art Gallery in London in der Ausstellung “In the Face of History: European Photographers in the 20th Century” zu sehen. Ein Jahr später wurden ihre Porträts neben Werken von Diane Arbus, August Sander, Cindy Sherman u.a. in der Ausstellung „On the Human Being“ im Centro Andaluz de Arte Contemporáneo in Sevilla ausgestellt. 2008 und 2009 richteten ihr das Moderna Museet in Stockholm und das Latvian National Museum of Art in Riga jeweils eine große Einzelausstellung aus. Darüber hinaus hat die schwedische Regisseurin Maud Nycander Inta Ruka 2009 ein 58-minütiges Filmporträt gewidmet.

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Inta Ruka
IVETA UND NATASHA