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In Artikulation des kreativen Prozesses und der Frage danach, was kreative Strategien und den kreativen Moment des „Andersdenkens” ausmacht, betont das Herausgeberteam des e-flux Journals #26 Ñ ein fundamentales Paradox, indem es die altbekannte Frage „Was ist Kunst?” damit beantwortet, dass sie „offen gelassen werden müsse“. Diese Feststellung wird im Rahmen der bedeutsamen Schlussaussage getroffen: „Bestenfalls liefert Kunst keine Antworten und Lösungen, sie schafft Probleme.”

Jedenfalls will diese Sichtweise die Problematik der praktischem Fragen mit politischen Implikationen aufzeigen, welche mit dem Konzept des „Werdens zu Subjekten” verknüpft ist. In diesem Sinn, indem wir Rancières Begriff des „Erschaffens von Konzepten” verwenden, dabei aber auch die Verbindung zwischen Hegemonie und Mikropolitik berücksichtigen, die zum Teil für sein Beharren auf der Artikulation von ,Regimen’ der Kunst im Hinblick auf die Produktion von Subjekten verantwortlich zeichnet, können wir diese Lesart sicherlich in ihren facettenreichen Modalitäten als eine äußerst wichtige Transformation charakterisieren.

Im aktuellen Kontext ist es jedoch genauso wichtig zu verstehen, dass „Hegemonie und Mikropolitik keine wechselseitig exklusiven Praktiken darstellen, sondern sich vielmehr aufeinander beziehen.“ Dieser Aspekt berührt eine fast paradoxe Komplikation dieser Argumentation, welche Politik entstehen kann, sowohl theoretisch wie praktisch. Von diesem Punkt aus sollten wir außerdem zu den Möglichkeiten zurückkehren, „das Politische zu denken“, dahingehend, was das politische Feld überhaupt ausmacht, worauf sich das ‚politische Subjekt’ bezieht und wo es verortet ist.

Meiner Ansicht nach lassen uns diese relationalen Prozesse hier alle Modi der Repräsentation genauso wie alle Produktionswege erforschen, in denen das Mögliche erzeugt wird. Sie führen dazu, dass wir die unbequemen Beziehungen und Interdependenzen der Kräfte untersuchen, die sich scheinbar in den Eventualitäten immer weiter verbreiten, um uns auf die neue Identifikation einer spezifischen Konjunktion neuer Umrisse, auf welcher Mikroebene auch immer, einzulassen. Wo bleibt dann also die ,Politik der Kunst’ in diesem offensichtlichen Paradox?

Bei dieser Vorgangsweise werden die kritischen Momente einer Pluralität der Problemstellungen zu einer Haltung, bei der sich nun die Frage nach dem Politischen innerhalb der kreativen Praxis stellt. Es entstehen neue Arten kreativer Verbindungen, während eine experimentelle Dynamik eingeführt wird, in der die derzeitigen relationalen Mächte zu problematisieren sind. „Kunst [wird sich] über die Grenzen ihrer Macht bewusst und durch die Schwächung der Politik selbst hin zu einem neuen politischen Engagement gedrängt.” Dies signalisiert für mich die Möglichkeit einer neuen Art der Politik, die sich vorrangig mit den Umrissen und Grenzen „dieses Möglichen” befasst.

KünstlerInneninfo:

Heba Amin Stimmen der Revolution, 2011 2-Kanal-Video, unterschiedliche Länge

Am 27. Januar 2011 gelang es den ägyptischen Behörden, den internationalen Internetzugang des Landes als Reaktion auf wachsende Proteste abzuschotten. Ein Wochenende lang entwickelte eine Gruppe von ProgrammiererInnen die Plattform Speak2Tweet, auf welcher ÄgypterInnen ihre Neuigkeiten auf Twitter über Voicemail veröffentlichen konnten, trotz der Internet-Beschränkungen. Das Ergebnis waren Tausende von Herzen kommende Nachrichten von ÄgypterInnen, die ihre Gefühle über das Telefon aufnahmen. Dieser experimentelle Film präsentiert ausgewählte speak2Tweet Nachrichten vor dem Fall des Mubarak-Regimes am 11. Februar 2011 und kontrastiert diese mit den aufgelassenen Strukturen, welche die langfristigen Folgen einer korrupten Diktatur repräsentieren. Er versucht, die herbe Realität des physischen Zustandes der Stadt darzustellen und befasst sich mit der Rolle, die urbane Infrastruktur für das Auslösen von Unruhen unter ihren EinwohnerInnen spielt. Das Projekt offenbart die Hoffnungen und Ängste eines Volkes, das noch immer das Ergebnis ihrer Revolution innerhalb des Kontexts ihrer zerfallenden Umgebung entdecken muss.

Yane Calovski Hohles Land, 2009 Video-Essay, 8,13 Min. – Courtesy der Künstlerin und der Zak Branicka Galerie (Berlin)

Hohles Land ist ein Kunstprojekt des mazedonischen Künstlers Yane Calovski. Er entwickelte es während seines ersten Aufenthaltes auf IJburg. In einem Augenblick der Veränderung aufgenommen, noch mit unvollendeten und noch nicht fixierten Strukturen identifizierbar, könnte der Ort IJburg leicht als Film-Set dienen, in dem die gesamte Produktion abliefe, ohne die ,Normalität’ des schon existierenden Lebens zu stören. Das Projekt hat einen ausgeprägt perfomativen Charakter und ist als eine Erkundung strukturiert. Dabei beinhaltet es Schreiben, Performance und das Filmen eines Originaldrehbuchs, wobei gedruckte Materialien und Musikpartituren produziert werden. Schließlich wird der Film auseinandergenommen und in verschiedenen Formen und Kontexten verteilt. Calovskis Arbeit ist ein „von Verschwörung gezeichnetes – sich selbst definierendes Drama”, das Charaktere früherer Filmprojekte wieder aufgreift und sie in den sozialen Raum von Ijburg platziert, um eine interaktive Form des Austausches mit der sozio-politischen und wirtschaftlichen Täuschung auf der Insel zu provozieren. Indem es die Ideologie der Selbstrealisierung und der Identifikation mit urbanen Codes und die Postulate dieser Ideologie reflektiert, umreißt das Skript eine unorthodoxe Karte miteinander verschmolzener Elemente und Theorien und kommt zu dem Schluss, dass die Illusion des politisch projektierten Konzeptes einer neuen Urbanität die Realität sozialer Erwartungen überwindet.

Sanja Iveković Nova Zvijezda (New Star), 1983 Collage, verschiedene Medien – Courtesy von Kontakt, der Kunstsammlung der Erste Group

Ivekovićs Arbeit behandelt, wie folgende Aussage besonders darlegt, „den Zusammenbruch sozialistischer Regime und die Folgen des Triumphes des Kapitalismus und der Marktwirtschaft auf Lebensbedingungen, vor allem von Frauen“, besonders seit den 1990er Jahren. Dies könnte jedoch den Eindruck erwecken, als würden wir unsere Beschäftigung mit dem Thema vor allem darauf beschränken, was „der Triumph des Kapitalismus” bedeutet. Damit geht auch eine andere Frage einher: Was genau bildet die Gegenstrategien zu globalisierten Kräften, die einen exzessiven Rückgang der Abgrenzungen zwischen geopolitischen und wirtschaftlichen Bedingungen bewirken, in die wir die neuen künstlerischen Kapazitäten platzieren? Und dieser Rahmen, der Ort, an dem die Einzelne Stellung bezieht, ist eine Reflexion des kritischen Infragestellens, beispielsweise wenn wir die Praxis der Künstlerin als „zutiefst politisch engagiert und historisch relevant damals wie heute“ betrachten.

In Nova Zvijezda (New Star) holt Iveković die kollektiven sozialen Codes symbolischer und realer Repräsentationen an die Oberfläche, während sie sich mit Geschichte in der Gegenwart beschäftigt, in der das Mögliche jenseits nationalistischer, konsensualer Ideen, deren Form von Macht wie auch jenseits kulturell identifizierbarer Beurteilungen erzeugt wird. Trotzdem geht es dabei nicht nur darum, was seine Dynamik ausmacht; denn tatsächlich „beruht die Politik der Kunst in diesem Regime auf diesem sie begründenden Paradox.”

Christine Schörkhuber sprechende wände, 2010 Installation, verschiedene Medien

Die Installation speaking walls wirft einen genaueren Blick auf die Markierung von Straßen in Budapest und arbeitet vornehmlich mit der Technik des Schablonierens. Kleine Stücke einer künstlichen Wand mit Schablonen der Straßen Budapests werden in einem Ausstellungsraum gezeigt, Kopfhörer werden in das Mauerstück eingestöpselt. Mehrere Menschen sprechen über Hintergründe, Geschichten und persönliche Perspektiven der speziellen Motive, von Straßenkunst und der Gesellschaft im Allgemeinen: StraßenkünstlerInnen, AktivistInnen, der Inhaber eines Designshops, ein klassischer Maler und unterschiedliche Passanten wurden interviewt. Wie die Mauerstücke eines antiken Gebäudes, welche in ein anthropologisches Museum übertragen wurden, bezeugen die ortsversetzten Wände eine spezifische Situation und Umgebung. Da Straßen als wichtige öffentliche Zone urbaner Kommunikation und des politischen Diskurses dienen, ist die Markierung ihrer Wände eine Form der (semi)permanenten Partizipation.

Die Intentionen für die Markierungen sind unterschiedlich und reichen von Freude an der Ästhetik bis zu dem Bedürfnis, soziale Botschaften auf den Weg zu bringen und das System zu kritisieren. Die sprechende wände von Budapest reflektieren Politik, Sozialstruktur, Kultur und die Lebensweise im zeitgenössischen Ungarn.

Kamen Stoyanov Hey Leute, dies ist nicht LA, aber auch ein cooler Ort!, 2010 Lichtkasten, 120x80cm

In Hey Leute, dies ist nicht LA, aber auch ein cooler Ort! beschäftigt sich Kamen Stoyanov mit spezifischen kulturellen Bedingungen, die verschiedene sozio-politische Themen reflektieren. Indem er den Raum aktueller Beziehungen offenlegt, ermöglicht uns die fotografische Arbeit in Hey Leute, dies ist nicht LA, aber auch ein cooler Ort!, an einem Raum teilzuhaben, der die Übergangsbedingungen und -bewegungen der augenblicklichen Geopolitiken genauso wie kulturelle Veränderungen bezeichnet, die genauso grundlegend wie offensichtlich unseren realen Alltag bestimmen.

Bekannt für seine Aufzeichnung von ,Subjekt-Positionen’, deren kulturelle Synthesen in differenziellen Strukturen verwurzelt sind, umreißt Kamen ein neues Register, bei dem wir Zeuge sind, wie ‚eine andere Wahrheit’ ins Leben tritt. Dies erfordert die Erkundung eines alternativen diskursiven Raumes hin zu der Akzeptanz einer schwierigen Beziehung zwischen den gegenwärtigen komplexen relationalen Mächten und den Interpretationen derzeitiger kreativer Verbindungen.

Unterstützt von:

BM:UKK Stadt Wien - Kulturabteilung MA 7

Über uns: Geöffnet Freitag, Samstag 13.00 - 18.30 Uhr und an den übrigen Wochentagen nur nach Vereinbarung. Freier Eintritt

Open Systems Zentrum für Kunstprojekte Lassingleithnerplatz 2 A – 1020 Wien Österreich (+43) 699 115 286 32

Für mehr Information: office@openspace-zkp.org http://www.openspace-zkp.org

Open Systems - Zentrum für Kunstprojekte will einen Ort grundlegender, zeitgenössischer Kunstpraxis schaffen, der sich als Beitrag zu einer neuartigen und ständig weiterentwickelten Modellstrategie für grenzüberschreitende, interregionale Projekte begreift.