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Ungewöhnlich früh entdeckte Ivars Gravlejs seine künstlerischen Techniken und Strategien. Alles begann damit, dass er im Alter von 11 Jahren eine Sammlung leerer Dosen westlicher Getränkehersteller für seine erste Kamera eintauschte. Mit diesem Fotoapparat und der Super-8-Kamera eines Mitschülers hielt Gravlejs fortan sein persönliches Umfeld in Bildern fest. So zeigen seine frühesten filmischen Skizzen und Fotografien der 90er/Early Works oft Szenen des Nachwende-Alltags in Lettland in ihrer skurrilen, gleichwohl so bezeichnenden tragikkomischen Mischung als real existierende, täglich frustrierende running gags. Diese bemerkenswerten, weil zufälligen social studies entlarven stets wie beiläufig alte und neue Systeme, ob nun im großen (des Staates) oder im kleinen (der Schule).

Gravlejs betreibt seine subversiven Praktiken der Bildmanipulation und des Fakes, der Aneignung, Re-Performance und Überaffirmation seit den frühen S/W-Fotografien über die folgenden, komplexeren Foto- und Video-Serien bis heute. Selbst als nunmehr ausgebildeter und mehrfach ausgezeichneter Fotograf pflegt er noch immer eine amateurhafte Attitüde verbunden mit der Vorliebe für einfachste (foto-) künstlerische Mittel und der Neigung zu Trash und Subkultur. Anliegen der Erfurter Schau ist es, die frühen Arbeiten der 90er mit den darauf folgenden, künstlerischen Aktivitäten Gravlejs in einer besonderen Präsentationsform visuell zu verknüpfen und so das Jugendwerk auf seine Gültigkeit und Aktualität hin zu überprüfen. Auf diese Weise wird auch eine „gewisse Notwendigkeit“ der Fortsetzung und Wiederholung jener Kinderstreiche nachvollziehbar. Denn nach dem Studium der Fotografie und Performance an der Prager Kunstakademie finden Gravlejs künstlerische Aktionen zwar nach wie vor in seinem persönlichen Umfeld statt, doch umfasst dieses nun neben diversen Brotjobs den gegenwärtigen, internationalen Kunstbetrieb. Und auch hier sind seine „Eingriffe“ mindestens aufschlussreich und relativierend.

Im Video Mobile (2007) etwa sind Besucher einer Ausstellungseröffnung zu sehen, die von Gravlejs mit der Frage konfrontiert werden, ob nicht die auf seinem Handy „präsentierten“ Porno-Filme die besseren Kunstwerke im Vergleich zu den an den Wänden hängenden Arbeiten sind. Gravlejs Guerilla-Aktion Prague Biennale 2009 funktioniert wiederum wie ein Lackmustest für den Bekanntheitsgrad von Biennale-Künstlern. Der Künstler tauschte von ihm angefertigte Versionen der in Prag gezeigten Videos der mexikanischen Künstler Ruben Gutierrez sowie von Daniel Guzman und Luis Filip Ortega aus. Nun liefen seine, Gravlejs, Videos in Folge unerkannt und ununterbrochen während der Prager Großausstellung. Bezeichnenderweise lautet der Titel des von Gravlejs gefakten Videos von Gutierrez The best artwork in the world. In Erfurt jedoch werden die besten Arbeiten des viel versprechenden lettischen Künstlers Ivars Gravlejs ganz offiziell zu sehen sein.