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Der libanesische Künstler Jalal Toufic untersucht in seinen Arbeiten die vielfältigen Beziehungen zwischen Sprache und Kultur sowie den kulturellen Umgang mit kollektiver Erinnerung. Als Autor, Filmtheoretiker und Videokünstler wechselt er fließend zwischen den Medien und ihren spezifi-schen Ausdrucksformen und gilt als Vertreter einer neuen, intellektuellen Kunstszene Beiruts.

Viele seiner Videoarbeiten beschäftigen sich auf differenzierte Weise mit psychologischen oder religiösen Phänomenen. So auch sein Film Âshûrâ: This Blood Spilled in My Veins aus dem Jahr 2002, der die Ereignisse des jährlich stattfindenden Ashura-Rituals im Libanon dokumentiert. Es erinnert an das Massaker von Husain Ibn Ali, einem Enkel des Propheten Mohammeds und Sohn des ersten schiitischen Imams Alî und seiner Familie. In der Schlacht von Kerbela im Jahr 680 nach Christus wurde er dort von einem Stamm der befeindeten Kalifen-Dynastie der Umayyaden brutal er-mordet. Diese Schlacht gilt als die endgültige Trennung der Schiiten und Sunniten. Für die Schiiten ist Husain ein Märtyrer, dem sie zum Ashura-Fest gedenken.

Ohne Kommentare begleitet Toufic die Gläubigen bei ihren Gebeten und Wehklagen, filmt sie trauernd dem Bericht der Schlacht folgend und zeigt sie bei ihrer Prozession und Kasteiungen. Als Vergegenwärtigung der erlittenen Qualen, geißeln sich die hauptsächlich männlichen Teilnehmer zum Ende des Rituals mit Schwertern und Messern selbst und führen sich dadurch starke Verletzungen zu. Nur durch die physi-schen Qualen gelingt ihnen scheinbar die authentische Erinnerung. Durch die Einspielung von Interviewausschnitten mit Derrida und Deleuze und Teilen seines eigenen Vortrags gelingt Toufic eine Gratwanderung zwischen theoretischer Erklärung und ethnografischer Dokumentation. Er untersucht die Tradition des Wehklagens und der Selbstgeißelung auf anschauliche, teilweise befremdliche Weise und stellt ihnen philosophische Konzepte gegenüber. Gleichzeitig befragt er unser Bild vom Islam und spiegelt die politische Situation in der arabischen Welt.

Âshûrâ: This Blood Spilled in My Veins ist eine faszinierende Untersuchung der Beziehung zwischen Ritualen, der Erinnerung und der Geschichte. Die Ausstellung Filming Death at Work in der Kunsthalle Fridericianum versammelt neben ausgewählten Videoarbeiten der letzten Jahre auch die Filmplakatserie Minor Art: Conceptual Film and Video Posters 2000-2005 bestehend aus 18 Postern, die sich auf bekannte Filmklassiker beziehen und von ihm auf vielschichtige und irritierende Art und Weise variiert wurden.

Jalal Toufic (*1962) lebt und arbeitet in Beirut

Publikationen (Auswahl) Distracted, Station Hill, 1991; (Vampires): An Uneasy Essay on the Undead in Film, Station Hill, 1993; Undying Love, or Love Dies, Post-Apollo Press, 2002; Two or Three Things I´m Dying to Tell You, Post-Apollo Press, 2005.

Ausstellungen und Filmpräsentationen (Auswahl) Normalization, Platform Garanti – Zentrum für zeitgenössische Kunst, Istanbul, 2005; PRESENT ABSENCE: Contemporary Art from Lebanon, Galerie Tanit, München, 2004; Love it or Leave it, 5. Cetinje Biennale (Montenegro), 2004; DisORIENTation: Zeitgenössische arabische Künstler aus dem Nahen Osten, Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 2003; Focus Jalal Toufic, 16. Internationales Dokumentarfilmfestival Amsterdam, 2003; Büro Friedrich, Berlin, 2003; Contemporary Arab Representations: Beirut/Lebanon, Witte de With, Rotterdam, 2002.

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