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Dass der amerikanische Künstler Jared Buckhiester (*1977) in einer Baptisten-Gemeinde in Dahlonega, Georgia aufgewachsen ist, ist für das Verständnis seines Werkes von grundlegender Bedeutung. Obwohl Buckhiester am BFA Pratt Institute studierte und seit 1995 in New York lebt und arbeitet, nehmen seine Themen und Motive eindeutig Bezug auf seine südamerikanische Vergangenheit. Sofern menschenleer, funktionieren seine Zeichnungen und Bilder wie die leicht trostlosen, nostalgischen Veduten eines Andrew Wyeth oder Edward Hopper. Einsame Häuser in ländlicher oder suburbaner Umgebung, minutiös beschriebene Naturfragmente oder -szenerien, Stiere, Rinder, Kühe und Hühner suggerieren eine ländliche Idylle und Kleinstadtatmosphäre, die jedoch sobald Menschen in die Szenerie eintreten, von skurrilen Gestalten als Bühne genutzt und konterkariert werden.

Mit seinen sorgfältig ausgeführten Zeichnungen thematisiert Buckhiester die demonstrativ zur Schau getragene Revolte adoleszenter Figuren gegen die gesellschaftlichen Konventionen ihrer kleinstädtischen, eindeutig amerikanischen Umgebung. In scheinbar bessere und aufregendere Phantasiewelten abdriftend wie in Vogue to Death (2004) oder It’s about Queers in love with their bullies (2007) werden ihre Maskerade, das Diabolische und ihr Gothic-Style zum unmittelbaren Ausdruck ihres Individualitätsbestrebens. Dabei geht es weniger um die zu erwartende Auflehnung gegen die gängigen religiösen Prinzipien, sondern vielmehr um introspektive Prozesse, Selbstfindung und emotionale Zustände. Die lasziven Posen und Blicke sowie die zum Teil metrosexuelle oder auch homosexuelle Wirkung der Dargestellten, lässt dabei deutlich werden, dass sexuelle Identität und Körperlichkeit ein unterschwelliges und durchgängiges Thema sind. Buckhiester zeigt sich bereits in seinen frühen Zeichnungen wie Seniors Rule at Sucking Cock (2004), die wie gezeichnete Momentaufnahmen wirken, als sensibler und humorvoller Beobachter, wenngleich die Vermittlung von Humor nicht sein Anliegen ist. Vielmehr entlarvt er die Lethargie im Verhalten und den Handlungen der vermeintlich progressiv orientierten Protagonisten, die fast karikiert, zu „einer Parodie ihrer selbst“ werden. Diese unglücklichen Versuche des sozialen Ausbruchs etablieren eine Ästhetik des Leidens in den Arbeiten von Buckhiester, welche die Forderung nach Selbst- sowie gesellschaftlicher Akzeptanz in sich trägt.

Dieser Eindruck wird durch seine technische Herangehensweise bewusst gestärkt. Seine betont figürliche Bildsprache und die Detailakribie in seinen Bleistiftzeichnungen, Aquarellen sowie jüngst auch in seinen Öl-Arbeiten und das stets zurückhaltende Kolorit erzeugen dieselbe fragil-zarte Wirkung, wie sie auch seine Porzellanskulpturen charakterisiert. Mit letzteren wird der autobiographische Zug der Arbeiten Buckhiesters offensichtlich, denn namentlich betitelt, handelt es sich bei den meisten Skulpturen wie beispielsweise Tim Radcliff (2007) um Porträts. Dabei spielt Buckhiester vor allem bei seinen PortraÅNtbüsten mit illusionistischen Effekten, die den Betrachter zur Komplettierung der Figur auffordern. Mittels exzentrischer Posen, eigenwilligem Körperschmuck sowie der nur schwer zu erfassenden Mimik und Blickrichtungen, verleiht er seinen Figuren eine seltsam entrückte Wirkung, die durch die entsprechende Teil-Kolorierung und die wechselnden Matt- und Glanzeffekte unterstrichen wird. Buckhiesters skulpturale Arbeiten spiegeln in diesem Sinne seine gezeichneten Figuren und können explizit als plastische Erweiterung derselben aufgefasst werden.

Seine altermeisterlichen Techniken, welche die zerbrechliche Wirkung der Arbeiten hervorrufen, und die ländliche Südstaatenidylle formen einen für Jared Buckhiester charakteristischen, bizarren Kontrast zur Attitüde und zum Habitus seiner Protagonisten. In der Verbindung mit den rein fiktiven Bild- oder Figurelementen, die an Fantasy-Romane oder an die unheimlichen „Zwischenwelten“ eines Filmemachers wie David Lynch erinnern lassen, gleiten seine Arbeiten dabei in ein alptraumhaft-phantastisches Genre, angesiedelt zwischen Wirklichkeit und Illusion.

(Uta Ruhkamp)