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Aus Anlass des 60-jährigen Bestehens des Österreichischen Gewerkschaftsbundes präsentiert die BAWAG FOUNDATION zwei der bekanntesten Arbeiten von JEREMY DELLER. Unter dem Titel AN INJURY TO ONE IS AN INJURY TO ALL zeigt der britische Künstler in der BAWAG FOUNDATION vom 21. Mai bis 25. Juni 2005 den einstündigen Film "The Battle of Orgreave" (2001) und das dazugehörige Archiv. Sein Musikprojekt "Acid Brass" (1997) - gespielt vom englischen Brassorchester THE WILLIAMS FAIREY BRASS BAND - wird im Rahmen der Ausstellungseröffnung in der Tuchlauben am Freitag, dem 20. Mai 2005, um 16.00 Uhr zu hören sein.

JEREMY DELLERs Ausstellung in der BAWAG FOUNDATION bietet damit Gelegenheit, politische Ereignisse und ihre Folgen sowie die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung nochmals kritisch zu reflektieren. Beide Arbeiten, "The Battle of Orgreave" und "Acid Brass", erforschen historische Vorgänge, unterscheiden sich aber durch die Miteinbeziehung performativer Elemente vom klassischen Dokumentargenre.

JEREMY DELLER arbeitet als Künstler, Kurator und Produzent an einem breiten Spektrum von Projekten, die auch Performances, Filme und Publikationen einschließen. In seinen Arbeiten, die sich als Ereignisse, Prozesse und "soziale Interventionen" manifestieren, befasst sich Deller mit gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen. Sein Leitgedanke dabei ist Lenins Anspruch, dass alles mit allem verbunden gedacht werden muss. 2004 wurde JEREMY DELLER für seine Multimediainstallation "Memory Bucket" (2003) mit dem bedeutendsten britischen Preis für zeitgenössische Kunst, dem Turner Prize, ausgezeichnet.

ACID BRASS (1997) 1997 engagierte JEREMY DELLER das führende Brassorchester Englands, THE WILLIAMS FAIREY BRASS BAND, und überredete die Musiker, eigens arrangierte Acid House Music zu spielen. "Acid Brass" ist die von Deller initiierte Fusion zweier kultureller Traditionen: der Brass Band und der Acid House Music. Brass Bands entstanden vor 150 Jahren im stark industrialisierten Norden Englands und wurden zum traditionellen Symbol der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Acid House Music entstand Ende der 80er Jahre im gleichen geografischen Raum, der inzwischen aber entindustrialisiert war und von einer Nicht-Arbeiter-Arbeiterklasse bewohnt wurde. Acid House ist die Musik einer desillusionierten, von der Thatcher-Regierung im Stich gelassenen Jugend. In dem Musikprojekt bringt Deller beide Traditionen zusammen, um eine Reihe von Beziehungen und Fragen aufzuwerfen: War nicht House Music die erste Musik der Arbeiterklasse seit dem Entstehen der englischen Brass Bands vor 150 Jahren? Verbindet nicht beide ihre gegenkulturelle Haltung und ihre Klassensolidarität?

In einer weiteren Arbeit, dem Diagramm "The History of the World" (1997), zeichnet Deller ein konzeptuelles Flussdiagramm, in dem er verschiedene politische, soziale und historische Ereignisse miteinander verbindet. Dabei kommt Deller zu folgendem Schluss: Brass Bands spielten eine wichtige Rolle im Streik der Bergarbeiter, während die Rave-Partys in den leeren Lagerhäusern erst durch die Deindustrialisierung möglich wurden. Die britischen Medien verurteilten die streikenden Bergarbeiter ebenso wie die jungen Raver. Brass Bands sind eindeutig mit der Arbeiterklasse verbunden. Sie stellten zu einer Zeit als es wenige andere Freizeitmöglichkeiten gab, eine kulturelle Aktivität für die Arbeiter dar. Heute gibt es zwar keine Kohlegruben mehr, aber die Brass Bands sind in England immer noch sehr aktiv und angesehen. Jährlich finden nationale Wettbewerbe statt. Eines der berühmtesten Orchester und Preisgewinner von 1997 ist THE WILLIAMS FAIREY BRASS BAND. Für "Acid Brass" wählte Deller klassische Housetracks aus und ließ sie von Rodney Newton für Brass Bands transkribieren und arrangieren und von THE WILLIAMS FAIREY BRASS BAND spielen.

THE BATTLE OF ORGREAVE(2001) Im Film "The Battle of Orgreave" stellt JEREMY DELLER die finale Auseinandersetzung zwischen englischen Bergarbeitern und Polizisten nach, die 1984 die endgültige Niederlage der Gewerkschaften gegen Thatcher symbolisierte. Anlass war die Schließung von 20 Kohlegruben in England. Ein Jahr lang tobte der Arbeitskampf mit teilweise militanter Härte. Bei der "Schlacht von Orgreave" starben zwei Streikposten, 80 wurden verletzt, als die Polizei angriff. Der Streik wurde zu einem ideologischen Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus und war im Grunde ein Kampf um das Überleben einer ganzen Industrie und der Gewerkschaftsbewegung allgemein.

Drei Jahre lang arbeitete Deller an dem 60-minütigen Filmprojekt, in das über 800 Personen involviert waren. Dabei ist es ihm gelungen, viele ehemalige Bergarbeiter zur Mitwirkung zu überreden. Der Künstler vermischt nachgestellte und gespielte Aufnahmen mit Interviews der ehemaligen Bergarbeiter und ergänzt diese um seine persönlichen Einschätzungen.

Ergänzend zum Film hat JEREMY DELLER in einem von ihm angelegten Archiv die Chronologie des ein Jahr lang dauernden Streiks dokumentiert. Dieses steht den Besuchern als weitere Dokumentationsquelle in der BAWAG FOUNDATION zur Verfügung.

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