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Die umrissene Zeitspanne wird im Werk von Joachim Bandau von zwei gegensätzlichen, auf den ersten Blick als unvereinbar erscheinenden künstlerischen Haltungen geprägt. Schnittstelle ist das Jahr 1976. Bis zu diesem Zeitpunkt bestimmen die "Transplantationsobjekte", die "Monstren" und die "Fahrfiguren" als eine dinglich manifestierte, kritische Auseinandersetzung im Spannungsfeld von "Mensch und Maschine" die künstlerische Position. Es entstehen u.a. eine Reihe lebensgrosser abstrakt-figurativer, mehrteiliger Objekte, teils aus gegossenem Aluminium, die meisten jedoch aus glas-faserverstärktem Polyester, farbig auf perfekt geschliffenen Gründen lackiert: die "Monstren". Ausgangspunkt dieser Arbeiten sind fast immer Kombinationen von anthropomorphen Relikten zersägter Schaufensterpuppen, die mit speziell eingepassten plastischen Bauteilen zu einer neuen Figuration ergänzt werden. Technische Versatzstücke wie Schlauchkupplungen und flexible Spiralschläuche aus transparentem Kunststoff, Duschköpfe und verchromte Griffstangen betonen die Zwitterhaftigkeit dieser androgynen Wesen. Räder unter einigen Objekten suggerieren Veränderung, Beweglichkeit, Unabhängigkeit. Das Ensemble "Grusinischer Glaskäfig" von 1971 besteht aus 10 selbstfahrenden, elektrisch betriebenen und elektronisch gesteuerten Fahrfiguren aus weissem Thermoplast. Die 1973 mit den Lehrlingen von Daimler-Benz in Stuttgart - Sindelfingen entwickelten "Kabinen-Mobile" stellen einen Höhepunkt dieser nur 8 Jahre umfassenden Arbeitsperiode dar. Die bisher verfolgte Konzeption wird um einen wesentlichen Aspekt erweitert: durch die direkte Mitwirkung des Menschen wird das Fahren der "Kabinen-Mobile" im Raum ermöglicht: erst wenn der Fahrer sich in die Kabine begibt, die Einstiegsluke verschliesst, beginnt das Gefährt sich automatisch zu bewegen. Eingeschlossen in das Blechgehäuse wird der Insasse gefahren, ohne aktiv in das Geschehen eingreifen zu können, es sei denn, er verlässt das Mobil. Alle die oben erwähnten Konzepte werden von begleitenden Skizzen, konstruktiven Überlegungen und autonomen Zeich-nungen auf ihre Tragfähigkeit hinterfragt, ergänzend erläutern eigene Texte die künstlerische Intention. Mit einer umfassenden Einzelausstellung in der "Kunsthalle Köln" 1975 ist diese Arbeitsphase endgültig abgeschlossen.

Ab 1976 bestimmt ein neuer Themenkomplex die künstlerische Arbeit. Angeregt durch die Publikation "Bunkerarcheologie" von Paul Virilio und ausgehend von einer fast vierjährigen intensiven Analyse der Bunker-architektur des Atlantikwalls anhand grossformatiger Zeichnungen (100x175 cm) entwickelt Bandau kleine, kompakte Bodenskulpturen aus Blei und massivem Stahl. Der formale Bruch mit der bis dahin verfolgten Konzeption der Neuen Figuration ist evident. Die anfänglich inhaltliche Befangenheit weicht einer immer stärker sich akzentuierenden skulpturalen Untersuchung architekturähnlicher Gebilde. Das Verhältnis von plastischem Körper zu Boden und Raum bestimmen fortan alle folgenden Überlegungen zur Boden-skulptur.

Die Vorgehensweisen sind: verschliessen, öffnen, zusammenfügen, zergliedern, verklammern, verbergen. Das Thema "Hülle und Kern" wird in verschiedenen Lösungen diskutiert. Dem dickwandigen Hohlkörper wird jeweils sein Innenraum als selbständiges plastisches Element entgegen-gesetzt. Bei einer anderen Werkgruppe werden je zwei Grundelemente ohne eine starre Verbindung so miteinander verklammert, dass sie einen nicht oder nur schwerlich einsehbaren Hohlraum verschliessen. Andere kleine Stahlarbeiten sind in den Boden eingelassen, sie verbergen ihr massiges Volumen, nur ein Teil ihrer Oberfläche bleibt sichtbar. Ab 1984 werden einzelne Elemente in komplexe Boden- und Wandinstallationen eingebunden, der "Neue Berliner Kunstverein" zeigt 1987 erstmals in einer Auswahl die als "Landschaften" bezeichneten Arbeiten. Dieser Werkgruppe sind letztlich auch die großflächigen Bodenskulpturen "Großes Bleimeer" 1989/90 und "Bleifeld" 1993/94 zuzuordnen. Die seit 1989 geschaffenen Wandstücke beziehen sich weitgehend auf die Architektur des "Neuen Bauens" in Tel Aviv. Die Räderstücke und Wagen, die seit 1982 bis heute in unregelmässigen Abständen entstanden sind, kann man durchaus als eine Brücke zu den frühen "Objekten auf Rädern" und den Fahrzeugen betrachten. Im Gegensatz zu den Arbeiten der "Neuen Figuration" gibt es zu all diesen Stücken nach 1979 nur wenige Zeichnungen. Meist werden die Überlegungen zu neuen Arbeiten in Skizzenbüchern flüchtig notiert.

Anstelle der Zeichnungen treten nun seit 1983 die "Schwarzaquarelle", die sich zunächst thematisch an die vorangegangenen Bunkerzeichnungen anschliessen. Jedoch schon sehr bald entwickeln sich diese Arbeiten zu einer autonomen Werkgruppe ohne einen konkreten Bezug zur Skulptur. Die beiden jüngsten Einzelausstellungen dieses Jahres in der Galerie Mark Müller in Zürich und bei Poebus Rotterdam sind mit den Themen "Von der Fläche zur Linie" und "Lineare Transparenz - räumliche Verdichtung" am treffendsten charakterisiert.

Bei der hier geplanten Ausstellung für das Jahr 2001 sollen ausgewählte Stücke aus den verschiedenen Schaffensepochen gegenübergestellt, beide scheinbar widersprüchlichen Positionen miteinander verglichen und auf Gemeinsamkeiten sowie Unvereinbarkeiten hin untersucht werden. Retro-spektive Vollständigkeit wird hierbei nicht angestrebt. Hinzu kommen als Ausblick Stahlarbeiten aus dem Jahr 2000 sowie neue, grossformatige Aquarelle. Die Auswahl der Objekte und Skulpturen richtet sich jeweils nach den räumlichen Gegebenheiten der an der Ausstellung beteiligten Institute, d.h. jede Ausstellung wird einen eigenen Charakter haben.

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Joachim Bandau
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