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Eröffnung: 19.10.2007, 19 Uhr

Joachim Brohm zeigt im Rahmen seiner Einzelausstellung eine Auswahl aus verschiedenen Serien: das „Ruhrgebiet“, das „Areal“ in München, das Projekt „fahren“ (Ravensburg) und „Ohio“. Ferner werden in der Ausstellung die „Ruhrgebietszeichnungen“ von Peter Piller vorgestellt.

Joachim Brohm fotografierte in den 1980er Jahren in Ohio (USA) und im Ruhrgebiet. 1990 hielt er sich anlässlich eines Arbeitsstipendiums in Berlin auf und ging den Spuren der Wende nach. Zwischen 1992 und 2002 unternahm Brohm ein foto-urbanistisches Projekt mit Langzeitbeobachtung in München: Er fotografierte das „Areal“, ein am Rande der Stadt gelegenes Industriegelände der Firma Raab Karcher. Auch hier gilt das Interesse den gesellschaftlichen Transformationen vom Gewerbe-Industriepark der 1950er Jahre zu einem postindustriellen Dienstleistungs- und Wohngebiet der Gegenwart. In Ravensburg beobachtete er über ein Jahr lang die Peripherie der Kleinstadt aus dem Auto.

Brohm nähert sich diesen Veränderungen fotografisch, verzichtet jedoch auf jede bildliche Drastik und jeden moralischen Unterton. In allen Projekten scheint es so, als hätte der Fotograf Umbruchssituationen beobachtet, ohne sie zu bewerten, nicht mehr und nicht weniger. Die „Ruhrgebietsbilder“ sind unspektakulär und zeigen eine verhaltene Aufbruchsstimmung. Dieser Eindruck ist präzisen fotografischen Entscheidungen geschuldet: Der erhöhte Kamerastandpunkt erlaubt, einen meist größeren Landschaftsausschnitt zu überblicken; die menschlichen Figuren wirken wie Statisten eines Stückes, das noch geschrieben werden muss. Das Areal-Gelände in München fotografierte Brohm, als die gravierenden Transformationen bereits stattgefunden hatten, und er beendete die Aufnahmen zu einem Zeitpunkt, an dem die Umstrukturierung noch nicht völlig abgeschlossen war. Die Entscheidung, innerhalb dieses Zeitraums zwischen spektakulärem Anfangs- und feierlich zelebriertem (vorläufigem) Endpunkt zu fotografieren, passt zum Unspektakulären der fotografischen Aufnahme, sowohl im Motiv als auch im Modus des Fotografierens selbst. Draufsichten von höher gelegenen Gebäuden auf tiefere, von oben nach unten, zum Boden hin, wechseln sich mit Ansichten von der Begehung des Areals ab. Brohm folgt dabei dem Prozess der Umgestaltung: Zu Beginn blickt er auf das Gelände, dann - während des Abrisses - bleibt er ebenerdig, später - mit den neuen Gebäuden - wandert der Blick wieder von oben nach unten. Nur einmal wird der Blick nach oben, gegen den Himmel gerichtet. In Ravensburg umkreist Brohm quasi die Stadt, bewegt sich auf der Straße und fotografiert aus dem Auto heraus. Die Aufnahmen selbst scheinen austauschbar und allein der Perspektive des Autofahrers geschuldet.

All diese ökologischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Umbrüche in Deutschland - sei es im Ruhrgebiet, in Berlin oder in München - haben zu sichtbaren Veränderungen im Erscheinungsbild der Städte und Landschaften, zu neuen Identitätsentwürfen, Blickweisen und Einstellungen geführt. Brohm hält die Umbrüche fest und sensibilisiert unsere Wahrnehmung für gesellschaftliche Transformationen, er hinterfragt dabei jedoch gleichzeitig seine Rolle als Fotograf und sein Verhältnis zur Realität. Fotografie wird dabei in ihrem Selbstverständnis in Frage gestellt und als ein den Blick steuerndes und interpretierendes Medium in den Blick genommen.

Joachim Brohm (1955) lebt und arbeitet in Leipzig. Er studierte Fotografie an der Folkwangschule/Universität Essen und an der Ohio State University in Columbus/USA. Brohm ist seit 1993 Professor für Fotografie und seit 2003 Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog beim Steidl Verlag in Kooperation mit dem Josef Albers Museum, Bottrop. Gleichzeitig ist in der Galerie Kicken Berlin eine Joachim-Brohm-Schau zu sehen.

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Joachim Brohm OHIO
Kuratiert von Barbara Steiner
Mit einem Insert von Peter Piller