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KÜNSTLERISCHE DIALOGE III Johannes Paul Raether: "Eine ihrer Schwestern"

Auftritt: Freitag, 11. Mai 2012, 18 Uhr Setting #1: Dienstag, 12. Juni 2012, 18 Uhr Setting #2: Samstag, 30. Juni 2012, 18 Uhr

Der in Berlin lebende Künstler Johannes Paul Raether (geboren 1977) erschafft fremdartige Charaktere, die ein ganz eigenes Leben entwickeln und aus vielfältigen Identitäten zusammengesetzt sind. Diese Figuren bewegen sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen durch die Zeit und treten in unterschiedlichen Szenarien auf. Raether sammelt, bearbeitet und ordnet Textmaterial so, wie es den Figuren in der Erfüllung ihrer jeweiligen Mission entspricht. Jede Figur hat ihre eigene Konfiguration aus Hautfarbe, Material, Stoff und Handlungsobjekten. Raether setzt sich mit dem Format Einzelausstellung auseinander, indem er kritisch hinterfragt, in welchem Verhältnis bestimmte Elemente der Inszenierung wie Requisiten, Licht oder Verfahren der Theatralität zu einer Ausstellungsinstallation und einem Programm stehen. Er versteht das Ausstellungsmachen „eher als die Produktion einer Sequenz von Situationen als die Anordnung von Objekten.“

Für seine Einzelausstellung im Künstlerhaus Stuttgart wird sich Raether mit zwei seiner jüngst geschaffenen Charaktere beschäftigen: Transformella, die 2010 erstmals in Erscheinung trat, und Protektorama von 2011. Im Kontext der Ausstellungen werden die beiden Figuren „eine ihrer Schwestern“.

Protektorama ist eine „Weltheilungshexe“, eine schlumpfartige Figur mit Spickzettel, Ritualkästchen und Zauberstab. Sie wohnt in einem heilbringenden Wald, einem düsteren antikapitalistischen Kultort, der an eine Wettkampfstätte – vielleicht auch an ein Fitnessgerät – erinnert und zugleich als Smartphone-Filmstudio dient. Die Hexe erklärt Marx zum Zauberer, ein Überraschungsei verwandelt sich in eine Voodoo-Puppe, während die Filmemacherin Maya Deren Schirmherrin einer Reise wird, die durch die Geschichte der Märkte, des Geldes und der Wertform führt. Die abstrakten Prinzipien der kapitalistischen Produktionsbedingungen sind, wie japanische Geister, unversehens in die toten Produkte geschlüpft – in alle Dinge sowie die Lebewesen. Sie umkreisen den Globus in gigantischen Warenströmen, doch die Weltheilungshexe greift dieses gespenstische und irrationale Imperium mit ihrem wenig subtilen und letztlich zerbrechlichen Gegenzauber an. Ihre ältere Schwester Transformella, die sich selbst „Trümmerkönigin“ nennt, wird zurückgeschleudert in die Zukunft der Reproduktion. Sie betritt die Bühne in einem Mantel aus Kinderwagensitzen, einem Latex-Anzug und einem sich selbst ausdruckenden 3-D-Printer. In einem Marathonvortrag, bei dem sie mit Gummi, Milch und Flüssiglatex hantiert, beleuchtet sie die komplexe Thematik der industrialisierten menschlichen Reproduktion, der Selbstreplikation von Maschinen, der liberalen Eugenik und der kollektiven Vorstellungen, die einem transhumanen Kapitalismus zugrunde liegen. Am Ende präsentiert sie einen Vorschlag, wie die Enge des traditionellen Familienmodells durch Ersatzschwangerschaften und Gentechnik gesprengt werden könnte, um so dem technologischen Fortschritt im Kapitalismus emanzipatorische Effekte abzugewinnen.

Die Ausstellung im Künstlerhaus Stuttgart kreist um das Thema Verwandlung: Der Status der Objekte in den Ausstellungsräumen ändert sich je nach deren Verwendung als Teil einer Performance, als Requisiten oder als Skulpturen. Die Installation verändert sich in Abhängigkeit des Szenarios, das die Figuren brauchen, und davon, ob eine Live-Performance stattfindet oder ob die Performance dokumentiert wird und in welcher Weise der Künstler sich selbst in Wirklichkeitssplitter der beiden Charaktere verwandelt.

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Johannes Paul Raether: "Eine ihrer Schwestern"