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Dies ist die siebte Einzelausstellung von Johannes Spehr in der Thomas Rehbein Galerie. Anfangs in farbigen Aquarellzeichnungen und nun seit geraumer Zeit auch monochrom gehaltenen, zumeist schwarzen Tuschezeichnungen konstruiert Spehr beklemmende wie provokant skurrile Bilderwelten. Formal scheinen die Bilder einem durchweg ähnlichen nahezu einheitlichen Aufbau zu folgen. Außerordentlich sorgfältig gezeichnet bestechen die kleinteiligen Zeichnungen gerade durch ihre eindrucksvoll detaillierte Ausführung. Dieses Vorgehen erinnert an jenen Typ von Bildvorlagen, die beim Ausmalen höchste Genauigkeit abverlangen und keinen fehlerhaften Schnitzer über die Begrenzungslinien hinaus erlauben. Der Bildinhalt scheint undurchschaubar, obwohl jedes Detail seinen Platz in einem ausgewogen arrangiertem Gesamtgefüge hat und nichts dem Zufall überlassen wird. Die genau kalkulierte kompositorische Ordnung kontrastiert mit einer unterschwelligen Unruhe im Bildkontext. Denn die Spehr’schen Bildkompositionen erzählen von einer offenbar außer Kontrolle geratenen, anarchischen, chaotischen Wirklichkeit. Sie werden von einer kollektiven Desorientierung fern von normativen gesellschaftlichen Richtlinien beherrscht. Erscheint vor unseren Augen auch eine bekannte Alltagswelt, mit vertrauten Gegenständen die unsere moderne Lebenswirklichkeit gestalten, und Menschen im zeitgemäßen Erscheinungsbild, werden Letztere in abstruse Lebenssituationen gesetzt. Ihre Handlungen wirken desorientiert und befremdlich. So werden Büromobiliar, Computer und damit der gesamte Arbeitsplatz in die Natur verlegt und bewaffnete Männer in Büroanzügen laufen scheinbar ziellos umher. Die Figuren, die seine Bilder bevölkern, unterscheiden sich deutlich durch ihre Kleidung in Herkunft oder auch Alter. Es scheint als sei die Zivilisation, die uns bekannte Wirklichkeit, bzw. das so problemlos funktionierende gesellschaftliche System an den Folgen von Urbanität, technischem Fortschritt und Globalisierung eingebrochen. Wertvorstellungen und Mechanismen, welche eine funktionierende zivilisatorische Daseinsform beschreiben, haben in den Spehr’schen Welten offensichtlich an Bedeutsamkeit verloren. Setzten sich seine früheren Arbeiten zumeist aus der Verknüpfung mehrerer Momente und Szenerien zu einem Gesamtmotiv zusammen, konzentriert sich Spehr in seinen neueren Bildern auf eine punktuelle Erzähltechnik und verdichtet die Geschichten auf einzelne Motive. Stets verleiht er den Handlungsräumen etwas kulissenhaftes und arrangiert die Gegenstände wie Requisiten. Seine Zeichnungen bewegen sich zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Die fiktionalen Szenarien verweigern sich jedweder Eindeutigkeit. Es sind Momentaufnahmen, die keine in sich geschlossene Handlung erkennen lassen. Als handele es sich um Filmstills, bleiben Ursache und Verlauf des dargestellten Geschehens unklar. Spehr konzentriert sich auf den erzählerischen Moment. Antworten sucht man in seinen phantastischen Bilderwelten vergeblich.

(Miriam Walgate, 2011)

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Johannes Spehr