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Die Ausstellung des diesjährigen Kaiserringträgers Jörg Immendorff (*1945 in Bleckede, lebt in Düsseldorf ) konzentriert sich mit über 80 Gemälden sowie der Skulpturenreihe „Malerstamm“ (2002 - 2005) auf zwei bedeutende Werkphasen des Künstlers: den Zeitraum Anfang der 80er Jahre und die Gegenwart.

Jörg Immendorff hat sich, wie kein zweiter deutscher Maler der Nachkriegsgeneration, mit der Thematik der deutschen Teilung auseinandergesetzt. Sie steht daher in Goslar - im ehemaligen Zonenrandgebiet gelegen - im Mittelpunkt der Ausstellung. Als programmatisches Werk hängt im Eingangsbereich des Museums das monumentale Gemälde „Kleine Reise (Hasensülze)“ von 1990 (250 x 500 cm, Kunstmuseum Wolfsburg). Der Künstler nimmt dort eine Bestandsaufnahme der Kunstsituation ein Jahr nach der Grenzöffnung vor. Das Bild gehört zu den Schlüsselbildern des Gesamtwerks.

Einen großen Werkkomplex bilden die Werke zwischen 1979 und 1984, die leitmotivisch unter dem Themenschwerpunkt „Café Deutschland“ zusammengefasst werden können. 1978 hatte sich Immendorff von der agitatorischen Rhetorik und der plakativen, ideologischen Ausrichtung seines bisherigen Oeuvres abgewandt und zu einem freieren Malstil - jenseits von Agitprop - gefunden. Die expressiv gemalten Szenarien thematisieren die politische und künstlerische Teilung Deutschlands aus einer subjektiven Betroffenheitsperspektive. Charakteristisch für diese Werkphase sind parallel verlaufende Handlungsstränge mit komplexen Verweisen, Metaphern und Symbolen in einem häufig bühnenartig angeordneten Bildraum: Wiederholt finden sich emblematische Staatsmachtzeichen wie der heraldische Adler, das Hakenkreuz, Hammer und Sichel oder Hammer und Zirkel - das Brandenburger Tor als Symbol der Teilung. Bei den in diesen fiktiven Räumen agierenden Personen handelt es sich um Künstlerkollegen oder künstlerische Vorbilder und um politische Figuren des rechten oder linken Lagers. Wiederholt treffen wir auf A.R. Penck, mit dem Immendorff seit 1976 freundschaftlich verbunden ist. Zeichen, Symbole und Personen bilden eine Art „Vorratskammer“ (Immendorff), eine unendliche Bilderbank für seine Bildfindungen. Seit 1985 taucht der Affe als alter ego und Doppelgänger des Künstlers im Immendorffschen Bildkosmos auf. Der Affe ist Sinnbild für die Unerreichbarkeit der göttlichen Schöpfung. Der kann sich der Künstler nur als nachahmender Affe nähern. Unter dem Titel „Malerstamm“ hat Immendorff von 2002 bis 2005 17 Affenskulpturen in Bronze geschaffen, die auf das Werk anderer Künstler aus Gegenwart und Vergangenheit Bezug nehmen. Sie alle sind hier ausgestellt.

Die letzte Werkgruppe bilden Gemälde aus den Jahren 2004-2005. Aufgrund seiner Krankheit ist Immendorff nunmehr reiner Ideengeber der Bilder - eine Art der Kunstproduktion, die er selbst als Idealzustand bezeichnet hat. Der Bildfundus wird in den jüngsten Schöpfungen um Versatzstücke aus Gemälden Alter Meister erweitert, die collageartig mit amorphen Formationen kombiniert werden.

Immendorff kreiert imaginäre Räume, utopische Orte, und kommentiert politische Situationen. Er lotet Verbindungspunkte zwischen künstlerischem und politischem Raum aus, greift kunsthistorische Genres auf und arrangiert, durch literarische und künstlerische Vorlagen inspiriert, große bühnenartige Tableaus. Zu seiner bildnerischen Strategie gehören Bilder in Bildern, Embleme, Zeichen und Typen. Diese sind von hoher Wiedererkennbarkeit. Sie laden zur Dechiffrierung ein - und sind doch nie ganz auszudeuten, lassen verschiedene Lesarten zu. Dieser ständige Perspektivwechsel in seinem Werk, die Kombinatorik aus Verweisen, Chiffren und Symbolen aus einem riesigen bildsprachlichen Fundus erscheint intuitiv. Gleichzeitig besitzen Immendorffs Arbeiten einen stark konzeptionellen Charakter. In diesem Spannungsverhältnis aus Intuition und Konzeption liegt ihre eigenwillige Stärke.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit den Laudationes von Werner Spies und von Peter-Klaus Schuster sowie ein Text von Dieter Ronte.

Pressetext

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Jörg Immendorff
Kaiserringträger der Stadt Goslar 2006
7.10., 11 Uhr Kaiserringverleihung in der Kaiserpfalz