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Eröffnung: Freitag, 4. September um 19:30 Uhr

Die Alltagsobjekte, auf die sich Jorge Macchis kritischer und aufmerksamer Blick richtet, werden nicht nur ihrem Kontext, sondern auch dem natürlichen Kreislauf des Entstehens und Vergehens entrissen und existieren in künstlerisch aufbereiteter, entfremdeter Form weiter. Die Arbeiten des argentinischen Künstlers sind poetische Transformationen, die ein Medium in ein anderes überführen und ästhetische Systeme mit vom Zufall geschaffenen Formen und Strukturen herstellen. Jorge Macchi geht hierfür von Alltagsphänomenen und Gegenständen aus, die er künstlerisch umgestaltet. Er sammelt und bearbeitet Dinge unterschiedlichster Materialität, Form und Funktion. Neben gewöhnlichen, unscheinbaren Materialien wie Glas und Papier geraten dabei auch immer wieder schwer greifbare Phänomene, wie etwa die Zeit, ihr Verstreichen und deren Messung, ins Visier des Künstlers.

Das Material Papier steht im Mittelpunkt der Arbeit Shy. Verschiedenformatige Blätter hängen mit ihrer bedruckten Seite an der Wand und übertragen den Linienverlauf auf selbige. Wagt der Betrachter es, hinter die einzelnen Blätter zu schauen, so sieht er, dass sich die formale Gestaltung eines jeden Blattes auf die Wand übertragen hat. Die Linien und Striche, deren eigentlicher Träger das Blatt war, scheinen einen Akt des Loslösens vollzogen, sich emanzipiert zu haben. In Korrespondenz zu der Fensterfront des Ausstellungsraumes im Künstlerhaus Bremen sind bei Souvenir (2009) 48 sonnengelbe Pappschachteln auf dem Boden angeordnet. Diese beziehen sich in ihrer Größe auf die Fensterscheiben, sind jedoch rhombisch geformt und bilden so die verzerrte Fläche des einfallenden Sonnenlichtes ab. Die Sonnenstrahlen werden folglich geradezu in den Schachteln konserviert. Das flüchtige Element, wird eingefangen und erinnert nur noch in Form und Farbe des Behälters an seine ursprüngliche Gestalt. The Wave (2009) besteht aus einer Farbfläche, die der Künstler zunächst mittels Farbrolle und Verlängerungsstab erzeugt. Parallel zur Wand trägt er die Farbe gleichmäßig auf, so dass die Kante der Farbschicht analog zum Boden verläuft. Dies setzt sich solange fort, bis Jorge Macchi auf eine im Raum stehende Wand trifft, sie zwangsläufig betritt und die bis dahin regelmäßige Farbfläche zu einer Welle ausufern lässt. Wie Shy and Souvenir greift auch The Wave das Motiv der Abwesenheit auf und fixiert die Folgen einer ehemaligen Präsenz.

Bei der Ausstellung im Künstlerhaus Bremen handelt es sich um die erste institutionelle Solo-Schau des argentinischen Künstlers im deutschsprachigen Raum. Jorge Macchis Werk zeigt sich auch in dieser Ausstellung in seiner Vielgestaltigkeit. Unterschiedlichste Medien kommen zum Einsatz, verquicken die Gattungen Film, Zeichnung/Malerei und plastisch-installative Objekte miteinander und verbinden sich schließlich sämtlich auf konzeptioneller Ebene. Anlässlich der Ausstellung Jorge Macchi / 10:51 und Bezug nehmend auf die gleichnamige Arbeit entsteht ein Daumenkino, in dem sich das visuelle Erscheinungsbild der Dimension Zeit graduell auflöst.

Jorge Macchi (*1963) lebt in Buenos Aires. Er war in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland zu sehen, stellte 2005 den argentinischen Beitrag der Biennale di Venezia und wird im Jahr 2010 eine Einzelausstellung im SMAK in Gent ausrichten.

Die Ausstellung wird gefördert von der Karin und Uwe Hollweg Stiftung, dem ifa - Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart und der Waldemar Koch Stiftung.

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Jorge Macchi
10:51
Kurator: Stefanie Böttcher