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Josef Hofer: Ein Lebenswerk
10. Juli 2022 – 18. Dezember 2022
Vernissage: Sonntag, 10. Juli, 11.30 Uhr

Josef Hofer, geboren im März 1945 in Wegscheid in Bayern, wuchs im oberösterreichischen Mühlviertel auf einem kleinen Bauernhof auf. Aufgrund von unbehandelten Mittelohrentzündungen ist Josef Hofer nahezu gehörlos und kann nur mit Gebärden kommunizieren. Aus Furcht vor Spott wegen dieser Behinderungen lebte die Familie lange Zeit völlig isoliert. Eine Schule besuchte Hofer nie, begann aber schon als Kind zu zeichnen. 1982 zog die Mutter mit ihren zwei Söhnen nach Kirchschlag in Österreich. Ab 1985 besuchte Hofer Tageswerkstätten in Linz und Grein. 1992 übersiedelte er in einem Wohnheim in Ried im Innkreis, wo sich seine Zeichnungstätigkeit in einer von der Kunsthistorikerin Elisabeth Telsnig geleiteten Malgruppe intensivierte. Telsnig war es dann auch, die den Reichtum des zeichnerischen Ausdrucks erkannte und begann, Werke aufzubewahren. 2003 brachte sie eine Auswahl von Blättern nach Lausanne, wo die Collection de l 'Art Brut eine erste Ausstellung organisierte. Seither ist das Werk von Hofer in Dutzenden von Einzel- und Gruppenausstellungen rund um die Welt gezeigt worden. Der Künstler selbst lebt seit 2017 als Pensionist in seinem Wohnheim in Ried. Seine künstlerische Produktion hat er weitgehend aufgegeben.
Hofer schuf seine Zeichnungen in einem langsamen, konzentrierten Prozess, in dessen Verlauf er alles um sich herum vergass und in einen tranceähnlichen Zustand verfiel. Zuerst hielt er das gewählte Motiv fest und begann dann, den Bildraum akribisch mit feinen Rahmenstrukturen zu füllen. Oft nutzte er für seine Zeichnungen nur den Bleistift sowie wenige Gelb- und Orangetöne.

In älteren Werken zeigt Hofer oft Motive aus seiner Lebenswelt. Zu sehen sind Szenen auf dem Dorf, Landmaschinen auf dem Feld oder auch Baumaschinen bei der Arbeit, wobei nicht entschieden werden kann, ob Hofer reale Bauarbeiten festhält oder seine eigenen spielerischen Bauaktivitäten im Sandhaufen der Institution dokumentiert. In anderen Zeichnungen zeigt Hofer sich selbst und seine Besitztümer, etwa seine Kleider, die er in einer sorgfältigen Auslegeordnung um sich herum versammelt. Oder aber er präsentiert sich stolz auf seinem Pferd sitzend: eine Szene aus seiner Hippotherapie.

Oft arbeitete Hofer auch nach Vorlagen. Dabei nutzte er gerne Ausstellungsplakate oder Abbildungen in Foto- und Kunstbänden als Ausgangsmaterial für seine Zeichnungen. Sein charakteristischer Zeichenstil überführt die glatte Erotik der Vorlagen in eine bildnerische Rohform, in denen die Figuren auf eine primäre Expressivität gesteigert werden. Was auf den ersten Blick als eine unbeholfene Darstellung von menschlichen Körpern erscheint, erweist sich als eine radikal persönliche Aneignung des Gesehenen. Die höchst eigenwilligen Interpretationen der Bildwelten der Kulturindustrie durch diesen Aussenseiter erzeugen einen erstaunlichen Effekt. Das Wohlbekannte, Glatte und schon längst Anerkannte scheint in den Bildern von Hofer in einer pervertierten, fast gequälten Form auf, die den Bilderfindungen eines Egon Schiele oder eines Helmut Newton noch einmal ihre ursprüngliche Provokationsstärke verleihen.

Bis anhin sind die Werke von Hofer in der Deutschschweiz kaum je gezeigt worden. Das Kunstmuseum Thurgau hat nun das Glück, für die Gestaltung einer Ausstellung auf eine Privatsammlung zurückgreifen zu können, die über 250 Werke des Aussenseiters Josef Hofers umfasst. Dadurch ist es möglich, sein aussergewöhnliches Schaffen umfassend vorzustellen.