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Welche Farbe hat der Schatten?

Der pseudowissenschaftlich klingende Titel „Geisterhafte Fernwirkung und ihre Schattenseiten unter Nachbarn“, verschränkt mehrere Aspekte. Da ist zum einen das Phänomen der „geisterhaften Fernwirkung“, das Albert Einstein in die Debatte über Quantentheorie einbrachte. Bei diesem Gedankenexperiment, „das die quantenmechanische Beziehung zwischen zwei Teilchen“ verdeutlicht, spielte der Zufall eine völlig neue Rolle. Vereinfacht formuliert, besagt es, dass sich „die Beobachtung des einen Teilchens auf das Verhalten eines anderen Teilchens auswirkt, unabhängig von deren Entfernung zueinander.“

In Anspielung auf diese Idee der „spukhaften“ Erscheinung, platzierte der in Köln lebende Künstler Joseph Zehrer im Kreuzgratgewölbe 12 Häuser aus Plexiglas, in die er Bewegungsmelder installierte. Durch Bewegungen der Besucher leuchten die Häuser in dem sonst abgedunkelten Kreuzgratgewölbe im Rhythmus des kalkulierten Zufalls vereinzelt auf.

Als gelte es Einsteins Satz zu folgen „es gibt keine Fixpunkte im Raum“, stehen die Häuser isoliert für sich: Monochrome Lichträume in Gelb, Rot, Blau und Grün; das Licht inszeniert einen eigenen erlebbaren Farbraum. Wie ein exemplarisches Modell wirkt die als Faltkonstruktion konzipierte und auf das menschliche Maß zugeschnittene Hausskulptur. Aufgrund der Einfachheit ihrer komprimiert architektonischen Form, verweist sie auf die Symbolhaftigkeit des Hauses als Zeichen. Deutlich auch die Andeutung einer disponiblen Fläche, werden doch die farbigen Schatten und Silhouetten der Besucher an die Außenwände, die wie eine feine lichtdurchlässige Membran wirken, projiziert. Der Besucher wird zum Akteur eines Schattenspiels, das sich im Grenzbereich zwischen Materialität und Immaterialität ereignet.

Im Vorraum des Kreisgutes werden Bilder auf transparenten Folien gezeigt, die dieses Spiel von Raum und Farbe widerspiegeln. Die Darstellung von Licht und Schatten taucht als Zitat des Malerischen auf, Fragmente von Wirklichkeit aufgreifend. Traditionell ein Sujet der klassischen Philosophie oder Literatur, wird der Schatten besonders im Film als dramaturgisches Mittel eingesetzt. Zehrer wählte den Schatten als zentrales Motiv, um Strukturen von Öffentlichkeit und Privatheit zu thematisieren. Ein losgelöster Schatten steht symbolisch für einen seelenlosen, indifferenten Körper. Dies gilt jedoch nicht nur für den Verlust der persönlichen Identität, in diesem Kontext kann es auch den Verlust von Macht – oder Besitzverhältnissen bedeuten. So verschwimmt eine Gruppe zur anonymen Masse in „Gesellschaft ohne Gesellschaft“ oder „Kollektion ohne Kollektion“. „Maske ohne Maske“ nimmt Bezug auf den politischen Nachbarn, um bei „Haus ohne Haus“ den Kreis wieder zu schließen.

Im Hof zum Eingang des Kunstvereins ist eine Lichtkugel installiert, die wie ein naher, schwingender Mond erscheint. Majda Kostic

Pressetext

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Joseph Zehrer - Geisterhafte Fernwirkung und ihre Schattenseiten unter Nachbarn
Kreuzgratgewölbe des Kreisgutes Aichach