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medien.kunst.tirol präsentiert in Form einer Ausstellungsreihe, für die Klassen und Institute nationaler und internationaler Kunsthochschulen/Kunstuniversitäten Projekte erarbeiten, exemplarische Methoden und Modelle aktueller Kunstproduktion im Kontext von Lehre und Forschung.

Der Titel Just what is it bezieht sich auf das Bild von Richard Hamilton “Just what is it that makes today´s home so different, so appealing?”, 1956, das als erstes Werk der Pop Art gilt. Hamilton wurde bekannt dafür, dass er Alltagsgegenstände und Technologien des 20. Jahrhunderts in die bildende Kunst einführte. Details dieser „Popart-Ikone“ verweisen bereits auf Praktiken der zeitgenössische Kunstproduktion – Film, Video, Photo, Musik, …

Vorwort zum cartesischen Korridor

Indessen, ich habe mich überredet, dass es schlechterdings nichts in der Welt gibt: keinen Himmel, keine Erde, keine Geister, keine Körper, also doch auch wohl mich selbst nicht? Keineswegs; ich war sicherlich, wenn ich mich dazu überredet habe.

René Descartes, Meditationen über die Grundlagen der Philosophie

Renatus Cartesius hat in seiner legendären und unerhört folgenreichen Wegdenkübung mit einer phänomenologischen Spekulation sich vorgestellt, was wäre, wenn denn nichts wirklich wäre. Bereits seinen optischen Experi-menten hat er entnehmen können, dass der Wahrnehmungsvorgang einer immanenten Differenz von subjektiver und objektiver Wirklichkeit unterliegt: die Dinge sind nicht wie und was sie zu sein scheinen. Er begegnete diesem Illusionsverdacht, der seinem Dasein jeden verlässlichen Grund zu rauben schien, mit einem dezidierten Verweis auf eine ego-logozentrische transzenden-te Einheit: es ist das, was sich dem Wegdenken prinzipiell widersetzt, weil es dieses Denken selbst ist. Es ist die cogito, das göttliche Element das ein Lebe-wesen erst zu einem ‚animal rationale’ macht. Descartes stellt es sich wie einen Homunculus vor, er transdeszendiert aus der Theosphäre und inkarniert in diese Welt, genauer: in den Kopf. Dort angetroffen, bedient er sich des Körpers wie einer Maschine – die Sinne übermitteln ihm die notwendigen Sinnesdaten.

Diese Überlegung ist eine historische Zäsur mit einem langen Vor- und Nachspiel. Hier radikalisiert sich eine Denkart, die mit der kreativen Genesis der Bibel begann und bis heute in äußerst virulenter Weise auch in techno-gnostischer Form ihr Unwesen treibt. Die Rede ist von der abendländischen Metaphysik, die in säkularisierter Gestalt jenseits ihres späteuropäischen Heimatbodens längst den Globus beherrscht.

Die Metaphysik des Hier und Dort verdoppelt und halbiert die Welt, indem sie ihr Ganzes von einer ideellen kognitiven Instanz abzieht: das Ich setzt sich so in der Differenz zur Welt. Die metaphysizierende Instanz existiert erst in dieser vertikalen Projektion, wobei sie aber selbst dann noch vorstellend immer eine horizontale Topologie entwirft. Danach ist die Welt ein riesiges Koordinatensystem. Egal ob euklidischer oder hyperbolischer Art, eben oder sphärisch, der Kosmos ist selbst der Fall der Gesamtheit aller Fälle und darin irgendwie logisch, egal ob binär oder mehrwertig. Hier ist die doppelte Natur der Ratio offensichtlich: einerseits unterliegt das Ganze, das sie nicht ist, einer absoluten Logik ihrer, andererseits ist sie als geheimer Autor dieser Logik selbst akosmisch und weltfremd. Ihr heimatlicher Topos ist der utopische Nicht-Ort. Wenn es auf das Weltganze zeigt, meint es dieses Ganze, und impliziert darin noch ein weiteres. In dieser Subtraktion und Duplikation von Welten lässt sich das platonische Phantasma nur dann vermeiden, wenn man eine unaussprechliche und undenkbare Andersheit der transzendenten Parallel-welt behauptet.

Diese Kosmologie kann sich aber nur als ein Glaubenssystem halten, das hinter allen Bekenntnissen, Hoffnungen und Drohungen ihr grundsätzliches Fundament so gut versteckt, dass es nicht einmal gewagt wird, sich der Existenz eines Geheimnisses zu erinnern. Die Ausgangsprämisse kollektiver Glaubens-vorstellungen bedenkt das, was nach dem Weltende fortdauert, es begegnet dem Weltloch in der galaktischen Mitte, vor und nach dem eigenen Leben oder alltäglicher: im traumlosen Tiefschlaf. Der Intellektuelle entgegnet diesem existentiellen Problem zuletzt mit einem mutigen Realismus indem er sich eingesteht, dass die Welt auch ohne seine entbehrliche Endlichkeit fortbestehen wird. Es geht hier aber natürlich um eine ideelle Persistenz, so dass der realistische Imperativ auch auf umgekehrte Weise bestens funktioniert: die gnostische Hoffnung erklingt im gleichen Atemzug wie die der Hinfälligkeit des Geistes. Deshalb wusste Sokrates auf dem Höhepunkt seiner Weisheit, dass er nichts weiß. Doch Sokrates überlistet sich darin selbst: sein letztes Wort entpuppt sich als ein Epitaph, mit dem er noch nach dem eigenen Tod sprechend bleiben will. Gerade in diesem sokratischen Paradox ist auch unser grundsätzliches Fundament und Dilemma impliziert, hier ist auch der Abdruck eines naiv-frommen Ikonoklasmus. Das Wissen stellt sich so neben sein Gegen-teil, als ob es derartiges überhaupt meinen könnte. In einem kuriosen Solipsis-mus behauptet man dann ernsthaft ein Wissen um etwas, das unabhängig von irgendeinem Wissen existiert. So behauptet man aber auch nichts anderes als die Immortalität eigenen Denkens. Dass dieses, darauf angesprochen, auch nichts anderes zu glauben fähig ist, entschuldigt aber nie den Umstand, dass es, die denkbaren Zweifel verwerfend, in einem kollektiven Phantasma zum para-normalen Elativ angestrengt wird.

Das Problem solcher negativer Epistemologie kehrt in der Freiheits-debatte des frühen 21. Jahrhunderts wieder: ob und inwiefern der natürliche Determinismus (die objektive Welt) die Freiheit und das subjektive Bewusst-sein vortäuscht. Die Frage des freien Willens ist kongruent zu jener der kognitiven Unsterblichkeit, weil sie die Subjektivität zu einem resistenten Transzendental radikalisiert, dem alles Objektive entgegensteht. Dass auch diese Frage, wie alle übrigen das Selbst betreffenden, chronisch unbeantwortbar bleibt, ist kein Problem mangelnder Intelligenz – ganz im Gegenteil. Wenn wir glauben Denkende zu sein, so sind wir dies eben denkend. Und weil es uns so versagt ist nicht-denkend sein zu wollen, können wir nicht umhin dem Undenk-baren zu trotzen, bevor es uns einholt. Denn wir sind weder ewig noch endlich, sondern nie eigentlich existent und nur weil das nicht zu verstehen ist, bleibt uns Fremdlingen nichts anderes übrig, als weiterhin fragend und forschend in der subjektiven Egosphäre zu verweilen.

Alexander Gering

Veranstalter: medien.kunst.tirol www.mkt.at

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Just what is it...#5. Der kartesische Korridor
Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Martin Gostner

mit Johannes Döring, Kerstin Fischer, Alexander Gering, Mi-Ryeon Kim, Agnes Lux, Christine Moldrickx / Sven Weigel, Sarah Müller, Jeannette Schnüttgen, Beate Seibel, Dennis Strootmann, Katrin Wegemann ...