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Die Wohnung Jutta Strohmaier lebt, wie viele Menschen, in einer Wohnung. Wie bei vielen Menschen, erfüllt diese Wohnung mehrere Aufgaben: Sie bietet Schlaf-, Koch- und Arbeitsmöglichkeiten und vermittelt zugleich – wie jede andere Wohnung auch – ein Bild der Person, die sie beherbergt und die sich in dieser auch eingerichtet hat. Vor diesem Hintergrund repräsentiert jede Wohnung eine funktionelle und eine symbolische Ebene. In der Relation zwischen der funktionellen und symbolischen Ebene manifestieren sich die Handlungsspielräume, die für eine Person von Bedeutung sind und je nach Gewichtung betont und gepflegt werden, oder auch nicht. Nicht zuletzt wird in der Relation zwischen diesen beiden Ebenen verhandelt, welchen Stellenwert das Private und das Öffentliche für diese Selbstkontextualisierung in der Wohnung und durch die Wohnung einnehmen. Das Spektrum, das von einer professionell unaufgeräumten und romantischen Höhle bis zum kühlen und aseptisch gepflegten Ausstellungsraum seiner selbst reicht, ist bekannt. Wird man im ersten Falle unausweichlich totalprivatisiert behandelt wie ein Mitglied der Familie, so findet man sich im zweiten Falle als Gast zu Besuch bei sich selbst. Egal nun, wie diese Selbstkontextualisierung verläuft, d.h. mit anderen Worten: gleich wie die Wohnung eingerichtet wird, es äußert sich im Rahmen dieser Selbstkontextualisierung implizit eine Fremdkontextualisierung, für die man sich öffnet oder gegen die man sich abzuschotten sucht. Keine Vorhänge, undurchsichtige oder nur von einer Seite her durchsichtige Vorhänge, totale mediale Vernetzung bei geschlossenen oder offenen Fensterläden, nur das öffentlich rechtliche Fernsehen oder die umfassende Verkabelung und Anbindung, Empfangs- und Gesellschaftszimmer oder multifunktionale Privatwirtschaftsküche, etc.? Interessant sind Wohnungen deshalb, weil sie der Markierung dieser Relation zwischen Selbst- und Fremdkontextualisierung nie entkommen. Und Wohnungen als Markierungen dieser Relation zwischen Selbst- und Fremdkontextualisierung bilden den Rahmen, in dem und aus dem heraus Jutta Strohmaier ihre Arbeiten entwickelt.

Die Adresse Jutta Strohmaier lebt in einer Wohnung, die sich – wie jede andere Wohnung – mit einer Adresse im räumlichen Gefüge definieren ließe: mit Türnummer, Stock, Stiege, Hausnummer, Bezirk, Stadt, Land, Staat, Kontinent, Planet, Sonnensystem etc. Die Frage, wie weit man gehen möchte, um seine eigenen vier Wände in einem räumlichen Referenzsystem zu lokalisieren, orientiert sich an der Relation zwischen Selbst- und Fremdkontextualisierung und am Bewusstsein, welche räumlichen Koordinaten für die Selbstlokalisierung von Bedeutung sind. Vor dem Hintergrund eines medialen Raumes, der sich von geographischen Distanzen emanzipiert hat, verliert die topographische Nähe ihre klassische Vormachtstellung gegenüber der Ferne, die sich medial bis in die eigene Wohnung hinein erstrecken kann, auch wenn der Blick aus dem Fenster auf die Straße verschlossen bleibt: Nichts geht mir so nah wie die Ferne, und nichts liegt mir so fern wie die Nähe. Diese Emanzipation der Selbstlokalisierung von einem topographischen Raum hat auch Effekte für die Verortung der eigenen vier Wände, die von ihrer Bedeutung her und dem Lebensgefühl, das sie repräsentieren, eher eine Nähe zu einer anderen Stadt oder Kultur haben können, als zur Wohnung nebenan. Die Nachbarswohnung wäre dann – mit den für einen anderen Zusammenhang geprägten Worten von Walter Benjamin – "die Erscheinung einer Ferne so nah sie sein mag". Die eigene Wohnung wäre dann ein raumschiffhaftes Gebilde, das seine topographische Umgebung gerade mal als Notlandeplatz akzeptieren würde. Jutta Strohmaier nützt die Projektion von Bildern auf ihre eigenen vier Wände, um der Präsenz und Bedeutung von anderen räumlichen Referenzen für ihre Selbstlokalisierung Ausdruck zu verleihen. Und dabei kann es schon mal vorkommen, dass etwa ihr Schlafgemach unter einer Raumstation im Weltall zu liegen kommt. Ein Alien auf Erden, möchte man sagen. Die auffällig häufige Verwendung von Motiven, die verschiedene Formen der Reise und Raumdurchquerung in Erinnerung rufen – Flugzeughangar, Raumstationen etc. – hat hier ihren Grund. Aber „Grund“ ist hier vielleicht das falsche Wort für eine Intention, die von der Emanzipation von einer topographischen Gravitation ausgeht; also nennen wir den Grund einfach ein Argument. Funktionieren kann diese Einblendung der bedeutungsmäßig nahestehenden Räume aber nicht nur medial, sondern auch nur unter der Bedingung der symbolischen Ausblendung des topographischen Ambientes, das partiell und temporär verschwindet. Entscheidend für diese Visualisierung der realräumlich indifferenten und medial geleisteten Selbstlokalisierung ist aber nicht nur die Einbildung, sondern die Bildhaftigkeit selbst, d.h. das Faktum der Verwandlung eines Raumes in ein Bild des Raumes.

Das Bild Jutta Strohmaier zeigt – wie viele andere Menschen auch – Bilder in ihrer Wohnung. Die Tatsache aber, dass sie ihre Bilder etwa mit einem Diaprojektor auf die eigenen vier Wände projiziert, lässt das gesamte Ambiente als riesenhaftes Bild erscheinen, in das sich die real anwesenden Gegenstände und Möbel einfügen, um selbst als Bildträger zu fungieren. Mit anderen Worten: Jutta Strohmaier verwandelt ihr Interieur in das Bild eines Raumes, in dem sich Außenraum und Innenraum durchdringen. Da diese Durchdringung von symbolischer und allein bildhafter Natur ist, erscheint ihre Entscheidung, diese Verwandlung auch nur in der Form von Bildern zur Diskussion und auszustellen konsequent. Und diese Bilder sind flach. Diese Flachheit ist von Belang, um die Verwandlung des Raumes in ein Bild nicht zu unterschlagen bzw. vergessen zu machen. Denn die Gleichsetzung des Raumes mit dem Bild des Raumes wäre bloßer Illusionismus. Aber hier steht eine andere Erfahrung zur Diskussion: Die Erfahrung, dass wir unentwegt mit Bildern verschiedener Räume – unabhängig von ihrer topographischen oder geographischen Lokalisierung – konfrontiert werden und dass diese Bilder von Räumen unseren Raumbegriff und unsere Vorstellung von Raum „grundsätzlich“ prägen. Mit anderen Worten: Wir kennen unterschiedlichste Räume, ohne diese jemals leibhaftig gesehen und durchquert zu haben. Allein das vermittelte Wissen um diese Räume verändert aber die Wahrnehmung und das Wissen um den Raum, der uns auch erfahrbar umgibt. Die Assoziierung dieses erfahrbaren Raumes selbst mit einem Bild, oder dessen Wahrnehmung nach den Bedingungen seiner Bildhaftigkeit, liegt nahe. Betretbar werden diese flachen Räume aber nur dann, wenn wir uns selbst mit einem Bild identifizieren, uns quasi in diese Bilder von Räumen hinein projizieren. Und hier ist von Interesse, dass Jutta Strohmaier als Künstlerin mit den Selbst- und Fremdkontextualisierungen als Frau bestens vertraut ist. Es war das Verdienst feministischer Forschungen auf die patriarchale Fassung der Frau als Bild aufmerksam gemacht zu haben. Wenn Jutta Strohmaier nun den Raum in ein Bild des Raumes verwandelt, dann vielleicht auch, um einem Subjekt, das sich mit einem Bild identifiziert, den entsprechenden Raum zur Verfügung zu stellen. Damit aber hören die Bilder von Jutta Strohmaier auf, Bilder zu sein, sondern es liegt nahe, sie als Räume zu betrachten, auch wenn sie wie Bilder aussehen.

Andreas Spiegl

Zur Ausstellung:

Die Kurzgeschichte „Das Aleph“ des argentinischen Schriftstellers Luis Borges, die ich als gedanklichen Anstoß für meine neuesten Arbeiten genommen habe, ist eine Allegorie für die allumfassende Komplexität von Raum und Zeit. Im weitesten Sinne drückt sich darin die Unfähigkeit aus, mittels Sprache, Texten Diskursen, Geografien, Histografien, die Bedeutung menschlicher Räumlichkeit festzulegen.

Ich versuche in meiner Arbeit durch die Auseinandersetzung mit „Raum“ die Komplexität der modernen Welt zu durchdringen. Das ist natürlich nur durch Annäherungen zu erreichen – eine konstante Suche über das bekannte hinaus. Mein Interesse gilt der Dialektik zwischen gelebten und erdachten Räumen; realen und imaginierten; und der materiellen Welt mit unseren Gedanken darüber.

Ich habe mich dazu entschieden die drei Galerieräume thematisch zu gliedern. Im ersten Raum zeige ich Fotoarbeiten aus der Serie „homesick blues“ (2000), - eine Beschäftigung mit räumlicher Historizität. Es geht dabei um eine persönliche Auseinandersetzung mit Geschichtlichkeit. Der Blick ist mit einer gewissen Wehmut in die Zeit des Schwarzweißfernsehers der 70er Jahre gerichtet.

Der zweite Raum ist eine installative Arbeit mit 7 Diaprojektoren. Einzelne Gebäudegruppen einer Luftaufnahme von Manhattan werden an die Decke projiziert. Die Wolkenkratzer New Yorks werden zum Muster – Symbol, als Metapher für einen Ort der uns allen bekannt ist, der aber nie ganz wahrgenommen und verstanden werden kann, der voll von Illusionen und Anspielungen ist.

Die Fotografien im dritten Raum sind Projektionen von abfotografierten Internetimages auf einer „Bettlandschaft“, und als Annäherung an eine moderne, utopische unvorstellbare Welt zu sehen. Diese Arbeiten sind als Folge einer intensiven Beobachtung der NASA Website, im speziellen der Internationalen Raumstation ISS, entstanden. Mich hat diese Idee einer Art internationalen Stadt (Module von USA, Europa, Japan, Kanada und Sowjetunion) im Weltraum fasziniert. Für mich spielen dabei weitläufige Gedanken über Globalisierung, die bedrohliche Schönheit von Großstädten, und als Folge davon eine Flucht in „Cyberwelten“, mit hinein. Jutta Strohmaier

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Jutta Strohmaier