press release only in german

Nach der erfolgreichen Ausstellung Karlheinz Weinberger / Intimate Stranger im Swiss Institute New York, präsentiert die Galerie cubus-m Fotografien von Karlheinz Weinberger (1921–2006) erstmals in Deutschland. Zürich, späte 1950er Jahre, die Schweiz ist geprägt durch eine eigentümliche Verbindung von Dynamik und Stabilität. Es ist eine Zeit des technischen, ökonomischen und sozialen Umbruchs, auf den die Gesellschaftskultur mit einer Haltung des Bewahren und Verteidigen von Traditionen reagiert. Inmitten dieser perfekt geordneten Verhältnisse der Schweiz, dieser Camouflage der Bürgerlichkeit, trifft man einen freundlichen Herrn in Flanellhose und beigem Strickjäckchen, der mit seiner Mutter seit Ewigkeiten in einem Haus lebt, als Lagerist arbeitet und bei den Nachbarn in hohem Ansehen steht. Er ist gesprächig, seriös und hilfsbereit. Doch hinter der Maske des Biedermanns, hinter der seine Persönlichkeit so weit verschwindet, dass es nicht einmal ein Dutzend Fotografien gibt auf denen er zu sehen ist, lebt Karlheinz Weinberger noch ein zweites, sein wirkliches Leben, ein Leben mit der Kamera. In dieser Zeit tauchen die ersten Artikel über die Halbstarken in den USA in der Schweizer Tagespresse auf, deren zunehmende Präsenz sich bald in Hollywood-Produktionen mit James Dean und Marlon Brando wiederfand. Alsbald waren auch die ersten Meldungen über die „Halbstarken“ der Schweiz in den Zeitungen zu lesen. Weinberger ist fasziniert von dieser Bewegung, die sich den Normen widersetzt und eine eigene Kultur kreiert. „Ich musste einen Halbstarken fotografieren.“ Zitat Karlheinz Weinberger Das Werk von Karlheinz Weinberger entzieht sich den Rastern des Massenmediums Fotografie, seine Arbeiten sind durch die leidenschaftliche Besessenheit eines Autodidakten von thematischer und ästhetisch-technischer Konsequenz. Seine Bilder scheinen eng verknüpft mit der Eigenheit der Fotografie, sich als Objekt und Träger obsessiver Energien anzubieten. Weinbergers Werk entspringt nicht dem radikalen Kunstwillen, es ist vielmehr unverhohlene Schaulust, wie wir sie auch in Werken einer jüngeren Fotografengeneration, repräsentiert durch Künstler wie Nan Goldin, Richard Billingham, Roger Melis oder Mark Morrisroe, finden. Es ist nichts von Voyeurismus zu spüren, nichts von einem affektierten Posing, wie man es etwa von den Bildern Larry Clarks kennt, vielmehr wirken die Aufnahmen wie Monologe des Modells mit sich selbst. Der Fotograf verschwindet einmal mehr, er wird zur personifizierten Diskretion. Zu Beginn des neuen Jahrtausends, Weinberger war 80 Jahre alt, entdeckte nach drei Ausstellungen in Zürich und London der amerikanische Markt sein Werk. Ein Raunen war durch die Kunstkreise gegangen. Von dem eigenwilligen alten Herrn in Zürich war die Rede, dem fotografierenden Ethnographen, der eine Generation dokumentiert hatte, die so ungehobelt, authentisch und vital daherkam, dass daneben die Young Rebels amerikanischen Zuschnitts wie geschniegelte Models wirkten. Wenn überhaupt, dann hätte man diese Jugend mit den Worten des Trash-Kult-Regisseurs und Weinberger-Fans John Waters wohl noch eher in einer verwahrlosten Hafenstadt wie Baltimore verortet, aber in der Schweiz? „Karlheinz Weinberger was from Switzerland??! You gotta be kidding me“, dachte Waters, als er das erste Mal diese Bilder zu sehen bekam. Es ist wirklich an der Zeit, dass dieses Kapitel alpenrepublikanischer Subversion nach mehr als einem halben Jahrhundert auch in Deutschland zu sehen ist. Das aktuelle Buch zu Weinbergers Oeuvre ist gerade bei Rizzoli New York erschienen. Die Berliner Galerie cubus-m hat sich vorgenommen, den Fokus noch etwas zu erweitern und ein umfassendes Panorama des Werkes von Karlheinz Weinberger zu präsentieren.

only in german

Karlheinz Weinberger - Rebellen
Die erste Retrospektive in Deutschland