Galerie Kamm

Rosa Luxemburg-Str. 43/45
10178 Berlin

plan route show map

artists & participants

press release only in german

In der Ausstellung „blind date“ von Kostis Velonis (1968 in Athen) und Katharina Jahnke (1968 in Berlin) treffen zwei Künstler aufeinander, die sich vorher nie gesehen haben und die in entfernten Ländern leben. Ihre Verbindung sind die Arbeiten, die von grenzüberschreitenden und elementaren menschlichen Gefühlen und Bedürfnissen erzählen. Jahnke und Velonis interessieren sich für die Prägungen, die aus persönlichen Erfahrungen, Medien oder gesellschaftspolitischen Veränderungen stammen und die nicht selten einen Kanon von Ängsten, Paranoias und Sehnsüchten hervorrufen. Die Künstler arbeiten mit einfachsten, oft gefundenen Materialien, die bewusst unperfekt erscheinen und den Prozess der Produktion offen legen.

Orte als Ausgangspunkt für Sehnsüchte, für bestimmte Verhaltensregeln und als Maßstab für Gut und Böse stehen im Zentrum des Projektes „hazards“ von Katharina Jahnke. Mit ihren drei Medien, Skulptur, Zeichnung und Stoffbanner, knüpft sie ein assoziatives Netz aus Zitaten und Bildwelten, das die Mechanismen von Angst und ihre Auswirkungen anhand von Grenzziehungen – im tatsächlichen wie auch im übertragenen Sinne – umkreist. In einer Serie von Zeichnungen fügt Katharina lexikalisch alte Cover von Merianheften zu einem Bild der Welt zusammen, das schmerzhaft an die Zeit erinnert, als man die Welt noch unbeschwert und idealistisch entdecken konnte. Die Länder, die auf den Covern illustriert sind, stehen inzwischen alle auf einer Liste von reisegefährdeten Orten. In dem Prozess des akribischen Zeichnens der Cover steckt jedoch nicht nur ein erzählerisches Moment, sondern für die Künstlerin auch eine Handlungsmöglichkeit, ihre eigenen Ängste und Paranoias zu verarbeiten. Die Skulpturen mit dem Titel „Barricades“ rücken die Zwischenräume in den Vordergrund; der Raum, der trennt zwischen Sicherheit und Gefahr, zwischen Gut und Böse. Durch die Materialwahl wie Spiegelscherben bergen die meisten Skulpturen eine direkte Gefahr in sich, zeigen nur Ausschnitte, manipulieren und fragmentieren den Blick und lösen die Grenzlinie in einer verwirrungsstiftenden Rezeption wieder auf. Der Betrachter wird auf unsicherem Boden belassen und steht einem Banner gegenüber, welches Anweisungen gibt, die z. B. lauten: „don’t show gory pictures“, „cigarette lights can become targets“ und „stay alert“.

Auch das Projekt von Kostis Velonis, „October or La Bohème est un pays triste“, funktioniert sowohl als kulturelle als auch persönliche Metapher für einen von der Geschichte geprägten Blick auf die Welt und ein aus Ängsten und Sehnsüchten gezeichnetes Leben. Sein Ausgangspunkt ist die Moderne und wie sie durch die unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Begebenheiten in der Kunst ebenso wie im häuslichen Leben gefiltert wurde. Dabei verwendet er eine suggestive Sprache. Mit der Kombination aus fertigen Gegenständen und von ihm gebauten Objekten, spielt er mit Vertrautem, das eine Bandbreite von Assoziationen auslöst.

In den ausgestellten Arbeiten verknüpft Kostis Velonis unter anderem Ideen der Bohème mit dem russischen Konstruktivismus. Dabei interessiert den Künstler vor allem die Koexistenz von Mythos und Realität, von Visionen der russischen Avantgarde und dem kommunistischen System. In der Arbeit „Un monsieur qui a mange du taureau (For the red Army There are No Obstacles)“ fokussiert er auf das Phänomen, dass die Sowjetunion Geschichte absorbieren und eine neue konstruieren konnte. Die komplexe und vielschichtige Skulptur reflektiert das Bedürfnis des Be-trachters, Geschichte mit all ihren Aspekten verstehen zu wollen, diese aber fragmentarisch und unlesbar bleibt. „Space loneliness“ wiederum thematisiert humorvoll das tragische Erlebnis des Alleinseins. In einem verlassenen und halb abgebrannten Raumschiff gefangen, wird technologischer Fortschritt zu einem absurden Zustand.

Der Blick auf die Welt von zwei sehr individuellen Standorten, geografisch, geschichtlich und persönlich, und die Zusammenführung dieser zwei Positionen ist das Experiment, das am 17. November in der Galerie The Breeder in Athen fortgesetzt wird.

Pressetext