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14-1 Galerie zeigt Arbeiten von Katrin Ströbel, die in den letzten Monaten während eines Aufenthalts in Marseille entstanden sind.

Marseille ist eine Stadt mit vielfältigen parallelen und sich kreuzenden, sich durchdringenden Strukturen: Handelsdrehscheibe, permanent in Bewegung und ständigen Veränderungen unterworfen; ein Moloch mit großen sozialen Problemen. Marseille verbindet Orient und Okzident, ist Migrantenstadt mit vielfältigen arabischen und afrikanische Einflüssen. Jedes dieser Teilsysteme bringt seine Codes, Strukturen und Zeichen mit sich und prägt das Gesicht der Stadt, jenseits der Koordinaten, die wir alle zu kennen meinen.

Marseille ist nicht ein Ort. Die Stadt, von der die Bewohner selbst sagen, dass sie eigentlich keine Stadt, sondern eine Anhäufung von Dörfern sei, hat nicht ein Zentrum, sondern hunderte, jedes mit seinen eigenen Regeln und Koordinaten. Ständig muss man sich, im wahrsten Sinne des Wortes neu verorten, sich neu in Bezug setzen zu einer Stadt, die alle paar Kilometer wieder in neue Facetten zerfällt.

Für dieses Verorten hat man mit der Zeit Werkzeuge geschaffen: Wir finden die Kreuzung, auf der wir stehen, in unserem Stadtplan und meinen zu wissen, wo wir sind. Wir kennen die Außentemperatur und fühlen uns gewappnet. Wir finden unser Land zwischen den Längen- und Breitengraden unseres Globus und vergessen erleichtert, dass unser Planet in einem Raum herumschwirrt, dessen Grenzen wir nicht kennen.

Raum und Zeit, die zwei großen Unbekannten, lassen sich auf angenehme Weise in den Griff kriegen. Wir orientieren uns an Fixpunkten, die wir lieber nicht in Frage stellen.

Neben den scheinbar objektiven Kategorien schaffen wir uns ein Netz von Beziehungen und Erfahrungen, an denen wir uns orientieren. Doch was definiert letzten Endes den Ort, an man sich befindet? Der wandernde Schatten des Baumes vor dem Fenster, die vertrauten Geräusche? Begegnungen mit Menschen, Emotionen und Erinnerungen? Oder scheinbar objektive Daten wie Temperatur, Uhrzeit, Niederschlagsmenge, oder die Koordinaten des Stadtplans?

Zeichnungen und Videoarbeiten

Unabhängig davon, ob die Zeichnungen auf einem einzelnen Papier oder in raumgreifenden Arbeiten direkt auf der Wand oder als Diainstallationen entstehen: Sie zeugen immer wieder von dem Versuch, die Gleichzeitigkeit verschiedener Systeme zu erfassen. Angesichts der Fülle des bereits Existenten, verzichtet die Künstlerin darauf, neues hinzuzufügen. Sie sammelt, sortiert und kombiniert die Strukturen, die sie vorgefunden hat. Gleichzeitig wird die Systematik der einzelnen Strukturen, deren Logik, den inneren Aufbau, Regel aber auch die Störungen, Fehler und Gegenläufigkeiten untersucht.

In den gezeigten Videoarbeiten spielen neben diesen Strukturen, der Ortswechsel, Reisen und Migration eine wesentliche Rolle. Die Ambivalenz des Ortswechsels wird immer wieder thematisiert: Die Neugier auf Fremdes, neu anzufangen, um genau die Strukturen zu verlassen, die den objektiven Blick nicht mehr möglich machen. Auf der anderen Seite die Ambivalenz dieser Koordinatenlosigkeit; der kritische, häufig ernüchternde Blick auf das Fremde wie auf das Vertraute, sowie das Erleben von Orientierungslosigkeit und das Fehlen des Koordinatensystems, das einem, allen Befreiungsbemühungen zum Trotz ein Gefühl von Sicherheit und Orientierung gab.

Pressetext

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Katrin Ströbel "vous êtes dans un espace non"