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Die neuen Arbeiten des kanadischen Künstlers Ken Lum, die die    L. A. Galerie ab Januar 2004 präsentiert, sind die Fortschreibung seines Projekts Mirror Maze, das bei der Documenta 11, 2002 in Kassel gezeigt wurde. Thema und Medium dieser Arbeiten ist der Spiegel; wie in fast allen Arbeiten Ken Lums spielt auch hier Sprache eine zentrale Rolle.

Die L. A. Galerie zeigt Spiegel-Diptyche, die jeweils durch In-schriften aufeinander bezogen sind. Und sie sind so hoch und breit (ca. 2 x 1 m), daß man sich, wenn man vor ihnen steht, ganz betrachten kann. Es entsteht auf diese Weise ein ganzfiguriges Porträt des Betrachters, als dessen Titel die Inschrift auf dem Spiegel fungiert.

Die beiden Sätze, die man liest, während man sich in dem einen und dann in dem anderen Spiegel betrachtet, haben immer starke Stimmungen und Gefühle zum Thema: Wut (what the hell did you do that for? / what the hell were you thinking?), Verzweiflung (I can’t go on like this. / I can’t keep this up anymore.), Begeisterung (ohhh baby. you are looking good. / you are looking so good). Das Merkwürdige an diesen Sätzen ist, daß sie sehr vertraut erscheinen. Es sind Phrasen, die man als Konsument ameri-kanischer Daily-Soaps und drittklassiger Hollywood-Filme so gut kennt, daß man den Tonfall, in dem sie gesprochen werden ebenso verinnerlicht hat, wie Körperhaltung und Gesten der Schauspieler, wenn sie sie aussprechen. Tatsächlich gehört auch die Doppelung der Aussage, mit einer leichten Variation der Wortwahl, zu dieser artifiziellen Hollywood-Sprache.

Das Spiegelkabinett mit den bekannten Effekten der Orien-tierungslosigkeit und der Unwirklichkeit wurde in der Documenta-Arbeit Mirror Maze with 12 Signs of Depression zu einem Abbild depressiver Zustände. Kurze, einfache Sätze auf den Spiegeln („I cry for no reason“, „I feel alone in the world“) lenkten die Emotionen. In der unendlichen Reflexion der Spiegel konnte man die Auflösung der eigenen Person beobachten. Die Manipulation, die in den neuen Arbeiten Untitled (Mirror), 2003 geschieht, zielt in eine andere Richtung. Indem man die Sätze auf den Spiegeln in inneren Monologen nachspricht, wird man für kurze Zeit zu der Person, die die genannten Affekte, Wut, Verzweiflung, Begeisterung, spürt. Man spielt eine Rolle. Lum legt mit relativ einfachen Mitteln offen, wie Gefühle durch die Medien transportiert und auf den einzelnen Konsumenten übertragen werden können.

Vor den Spiegeln von Ken Lum stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Authentizität in den Zeiten von Kulturindustrie und Globalisierung. Und doch benutzt Lum den Spiegel, der in der Kunstgeschichte als Attribut der Weisheit und als Mahner an die Vergänglichkeit eingesetzt wurde, nicht für das nostalgische Nachsinnen über den Verlust von Individualität in einer globalisierten Massenkultur. Eher laden sie ein zu einem Spiel, zu neuen Fragen: Sind Gefühle weniger authentisch, wenn man sie mit abgenutzten Phrasen ausdrückt? Vielleicht genügt es, sich die Schlüsselsätze nur oft genug vorzusagen und dabei in den Spiegel zu schauen, und man fühlt sich wie jemand der wirklich nicht mehr weiterweiß – oder wie jemand, der wirklich sehr gut aussieht?

Bereits in früheren Arbeiten Lums waren die Frage nach Identität und Individualität in einer Welt des Konsums und der einfachen Botschaften thematisch. In den Photo-Text Arbeiten der späten 80er und frühen 90er Jahre, kombinierte Lum plakative Sätze mit Porträts ‚typischer’ Nordamerikaner. In der Shopkeeper-Serie wurden Ladenschilder mit ihrer typischen Schrift und ihren einfachen Symbolen zu einem Bild des amerikanischen Traums, wie ihn die Einwanderer vor dem konfliktreichen und komplizierten Hintergrund ihrer Herkunft und ihrer Lebenswirklichkeit träumen. Die Gemeinsamkeit aller dieser Arbeiten liegt in ihrer dialektischen Struktur, in dem Konkurrieren von Fiktion und Wirklichkeit. Pressetext

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Ken Lum