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Wir freuen uns sehr, die Eröffnung unserer Galerie SEPTEMBER anzukündigen. Als erste Künstlerin präsentieren wir:

Kerstin Drechsel MITTELERDE 02.10. – 24.11.2007 Eröffnung: 29.09.2007, 19.00 – 22.00 Uhr

Bräunliches Rot trübt das Bild wie geronnenes Blut. Der Teufel thront als Plastikmaske auf einem Kiefernholzregal, feine zellulare Gebilde schweben aus einem Ikea-Lampenschirm empor. Fluoreszierende Farbe rinnt wie verlaufenes Weingummi über Grünpflanzen, Filmposter, Stapel von Kleidern, Fantasy-Büchern, CDs und Videokassetten, während an anderen Stellen Details in kristalliner Schärfe hervortreten. Die konzeptionelle Malerei, mit der Kerstin Drechsel in ihrem jüngsten Zyklus MITTELERDE die Wohnung eines Heavy-Metal-Fans examiniert, gleicht einem alchemistischen, chemischen Prozess, bei dem alles in der Entwicklung begriffen ist. Wie schon in ihren früheren Gemäldeserien RESERVE (2001-2005) und UNSER HAUS (2005) dringt Drechsel in das Leben Anderer ein. Ohne die jeweiligen Personen selbst zu porträtieren, begutachtet sie das intimste Umfeld ihres Gegenübers auf das Genaueste: die entlegensten Winkel von Schlaf- und Wohnzimmer, das Arrangement von Gegenständen, Erinnerungen, Fetischen und Devotionalien, die sich im Laufe von Jahren oder Jahrzehnten angesammelt haben.

Vordergründig berühren die Bilder der Berliner Künstlerin ein Thema, das auch in der Massenpresse und in einschlägigen Reality-Soaps immer wieder in sensationeller Berichterstattung aufgegriffen wird: das Phänomen des „Messie-Syndroms“. Die Aufforderung zum voyeuristischen Schauen verbindet sich in Drechsels Malerei jedoch mit einem anderen Interesse. Es geht ihr nicht um Denunziation oder den Blick auf soziale oder private Verhältnisse, sondern um die Frage, wie sich dieser Blick konstituiert. Die fließenden Grenzen zwischen selbst geschaffenen Ordnungssystemen, obsessivem Sammeln und schleichender Verwahrlosung finden auf Drechsels Gemälden ihre formale Analogie im Oszillieren zwischen Gegenständlichkeit und der Auflösung in der Abstraktion. Wie in einer filmischen Dramaturgie bildet sie immer wieder die gleichen Gegenstände und Raumsegmente ab – aus der Totale, in der Vergrößerung und vervielfältigt sie in unterschiedlichen Farbnuancen und Techniken und lässt so ein subjektives Wahrnehmungsbild entstehen, in dem sich die Strukturen von Ordnung und Unordnung auf beunruhigende Weise annähern.

Zugleich ist MITTELERDE eine Rauminszenierung, die mit unterschiedlichen Perspektiven und Maßstäben spielt. Das Zentrum der Ausstellung bildet eine Skulpturengruppe, für die Drechsel die Formen von Bleigießfiguren als Vorlage nutzte. Überdimensional vergrößert und in weißem Industrielack gespritzt, erscheinen die Relikte von Silvesterritualen wie semiabstrakte Gebilde, die zu Projektionsflächen für esoterische oder kunstgeschichtliche Interpretationen werden und zugleich die Prozesshaftigkeit von Drechsels Malerei in die Dreidimensionalität transformieren.

Kerstin Drechsel studierte an der HdK in Berlin und war Meisterschülerin bei Achim Freyer. Ihre Arbeiten waren seit 1992 in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Zu ihren jüngsten Einzelpräsentationen zählen UNSER HAUS und POSTER_BOX bei Laura Mars Grp., Berlin sowie RESERVE im Allgemeinen Konsumverein, Braunschweig. Ihre Gemälde und Installationen wurden in Gruppenausstellungen wie Das Achte Feld im Kölner Museum Ludwig, A Room Of One’s Own, in De Markten in Brüssel oder Das Atmen der Stadt im Haus am Waldsee gezeigt, und unter anderem in dem Kunstband New German Painting (Prestel, 2006) ausführlich besprochen. Zur Ausstellung MITTELERDE erscheint im Vice Versa Verlag ein Katalog mit einem Essay von Frank Wagner und einem Interview mit der Künstlerin.

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MITTELERDE
Kerstin Drechsel
Kurator: Oliver Koerner von Gustorf