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Eröffnung: 29.01.2016, 18:00

Die künstlerische Praxis von Klaus Scherübel (*1968 in Bruck/Mur, lebt in Montreal) basiert auf einer Untersuchung unterschiedlicher kultureller Produktionen, die von der visuellen Kunst über Literatur bis hin zur Mode, Kino und dem Theater reichen. In seinen Arbeiten, die site-spezifisch oder seriell über lange Perioden produziert werden, nimmt Scherübel verschiedenste Rollen an – Künstler bei der Arbeit, Herausgeber, Produzent und Darsteller einer Sitcom, Sponsor etc. –, um die Funktion von KünstlerInnen im Bereich gegenwärtiger kultureller Prozesse zu hinterfragen.

Der strukturellen Organisation eines mehrbändigen Buches ähnlich, präsentiert Scherübel seine Arbeit in Form von sogenannten Volumes, die er Werken, Ausstellungen und Publikationen gleichermaßen zuschreibt, wobei die Ausstellung „VOL. 19“ die neueste Komponente dieses im Werden begriffenen Buches darstellt.

Im Zentrum der Ausstellung steht das Projekt „Reconsidering Jack Torrance’s All Work and No Play“ [VOL. 10], in dem Scherübel – in der Rolle des Herausgebers – die vermeintlich gescheiterte Arbeit der Schriftstellerfigur Jack Torrance aus Stanley Kubricks Horrordrama „The Shining“ (1980) re-produziert und herausgibt. Im Film entwickelt Torrance aus einer schwerwiegenden Schaffenskrise heraus eine höchst ambivalente Arbeit: einen Text, der auf selbstkritische Weise seine Unmöglichkeit, eine literarische Arbeit produzieren zu können, manifestiert. Sein Inhalt besteht aus einem einzigen Satz, „All work and no play makes Jack a dull boy”, den er in immer wieder neuen visuellen Anordnungen, auf alle erdenklichen Textformate von Zeitungskolumnen bis zu Konkreter Poesie verweisend, wiederholt und damit hunderte von Text-Bildern erzeugt.

Während das Torrance’sche Artefakt im Kunst- bzw. Literatur-Kontext als ein signifikanter Beitrag zur Geschichte konzeptioneller, Medien und Disziplinen übergreifender Strategien gelesen werden könnte, wird es im Film nicht als Werk wahrgenommen, sondern als Zeichen künstlerischen Versagens und Symptom eskalierender psychischer Indisposition. „Reconsidering Jack Torrance’s All Work and No Play” ist der Versuch, Torrances künstlerische Hinterlassenschaft aus ihrem filmischen Zusammenhang und der damit verbundenen Wahrnehmung herauszulösen und als eigenständiges Werk – seiner interdisziplinären Natur Rechnung tragend – in den Kunstkontext zu übertragen und dort für neue Betrachtungsweisen zugänglich zu machen.

Mit „Adaptation (Bartleby)“ [VOL. 23] zeigt Scherübel zudem eine neue Bild/Text-Arbeit, die sich auf Hermann Melvilles Kurzgeschichte „Bartleby, the Scrivener“ bezieht, wie auch auf Spike Jonzes – nach einem Drehbuch von Charlie Kaufman – realisierten Film „Adaptation.“ Der Text erzählt von einem in einem Anwaltsbüro an der Wall Street angestellten Kopisten namens Bartleby, der im Verlauf der Geschichte nach und nach die von ihm verlangte Arbeit mit den Worten „Ich würde vorziehen, es nicht zu tun“ ablehnt. Der Film berichtet auf selbstreflexive Weise von den Problemen seines Drehbuchautors bei der Adaptation eines Buches.

In Scherübels performativer Adaption von Melvilles Text greift das Motiv des Nichthandelns des Bartleby auf den Produktionsprozess selbst über. Der Stoff wird zunächst in den Bereich der Darstellenden Kunst übertragen, schließlich aber in Form von Theaterfotografie als Ankündigung und zugleich als Dokumentation einer möglicherweise nicht zur Aufführung gelangenden Produktion präsentiert.

Die Installation „Untitled (The Artist at Work)“ [VOL. 5] ist Teil einer fortlaufenden Serie von Foto/Text basierenden Arbeiten, die Scherübel in der Rolle des Künstlers abbilden. Die Übertragung dieses Genres in den Kontext eines konzeptuell arbeitenden Künstlers führt zu einer ironischen Bedeutungsverschiebung, die typisch für Scherübels Arbeit ist. Er erscheint an verschiedenen Orten wie Kinos, Landschaften oder Tennisplätzen, mit Tätigkeiten befasst, die einem auf Effizienz, Produktivität und Leistung gründenden Arbeitsbegriff widersprechen. Während die Bildeinhalte scheinbar eine Emanzipation von materieller Produktion behaupten, schreiben die Fotografien/Installationen – von ihrer materiellen Seite her betrachtet – diese konzeptuelle Tätigkeit jedoch wieder in die materialistische Logik der Kunst ein. Die Bilder zeigen Scherübel eher in Gedanken versunken – den konzeptuellen Aspekt seiner Aktivität betonend.