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Klee im Krieg
06.12.2017 – 03.06.2018

Die Ausstellung zeigt erstmals umfassend die Folgen des Ersten Weltkrieges auf Paul Klees Schaffen anhand ausgewählter Bilder aller Werkphasen. Künstlerisch wie biografisch ist es eine Zeit tiefgreifender Umbrüche. Der Krieg raubte Klee viele seiner Künstlerfreunde. Auf sich selbst zurückgeworfen, treibt er sein Schaffen voran. Die politische Lage kommentiert er in seinen Werken und wendet sich gleichzeitig verstärkt der Abstraktion zu.

Unsere Sammlungspräsentation greift zentrale Aspekte von Klees Schaffen auf, die in der Zeit des Ersten Weltkrieges ihren Ursprung haben. Aber auch Klees Leben als Soldat im Ersten Weltkrieg ist anhand von bisher kaum gezeigten Briefen und Dokumenten Inhalt der Ausstellung. Zugleich wird Klees rasanter Aufstieg und sein Weg zu einer der zentralen Figuren der künstlerischen Moderne beleuchtet. Denn trotz ihrer Schrecken war die Zeit des Ersten Weltkrieges eine sehr produktive und äusserst erfolgreiche für Klee. Er erlebte – mitten im Krieg – seinen künstlerischen Durchbruch und wurde zwischen 1916 und 1918 zu einer Kultfigur der jungen Kunst.

In den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg herrscht grosse Aufbruchstimmung. Auch für Paul Klee, der sich als Mitglied der Künstlergruppe Der Blaue Reiter in der Münchner Avantgarde etabliert und in Paris den Kubismus entdeckt. Auf der Tunesienreise im Frühjahr 1914 erhält er entscheidende Impulse hin zur Abstraktion. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 ist für Klee im ersten Moment ein herber Rückschlag. Sein künstlerisches Umfeld bricht jäh auseinander: Viele Freunde ziehen in den Krieg oder ins Exil. Klee bleibt allein in München zurück.

Im März 1916 wird Klee 36-jährig als Soldat des deutschen Reiches eingezogen. Er bleibt vom Horror der Front verschont und verbringt seinen Kriegsdienst vorwiegend auf Militärflugplätzen, oft am Schreibtisch. So kann er auch während des Krieges sein künstlerisches Schaffen vorantreiben. Sein Soldaten- Dasein kommentiert der Künstler im Tagebuch und in Briefen mit erschreckend ironischer Distanz. Trotz des furchtbaren Kriegstreibens erweisen sich die Jahre von 1914 bis 1918 als eine sehr fruchtbare Zeit für Klee. Er entdeckt neue Materialien, wie beispielsweise das Leinen der Flugzeugtragflächen, und neue Werkzeuge, wie die Schablonen, mit denen er Flugzeuge bemalen muss. Er entwickelt sein Schaffen formal weiter, erschliesst sich neue und vertieft bereits erprobte Themen und bildnerische Mittel. Die Ausstellung greift zentrale Aspekte seines Werkes auf, die in dieser Zeit ihren Ursprung haben, und verfolgt ihre Entwicklung in späteren Schaffensperioden.

In jenen Jahren erlebt Klee – mitten im Krieg – seinen künstlerischen Durchbruch und wird zwischen 1916 und 1918 zu einer Kultfigur der jungen Kunst. Seine künstlerischen Erfolge werden noch während der letzten Kriegsjahre und in den Jahren danach durch zahlreiche Ausstellungen, steigende Verkaufszahlen und Publikationen gekrönt. Nach Kriegsende engagiert er sich politisch in der kommunistischen Münchner Räterepublik, die jedoch nur kurze Zeit währt. Zwar stellt sich Klee selbst wiederholt als verträumt abgehobenen, weltabgewandten Künstler dar – wie er heute oft noch wahrgenommen wird. Die Ausstellung zeigt Klee von einer anderen Seite: Als Zeitzeugen, der politische, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen aufgreift und in seinen Werken verarbeitet.

Kommentare zur Politik
Auch wenn sich Klee selbst nicht als politischen Künstler bezeichnen würde, entstehen von Anfang an regelmässig Werke mit Anspielungen auf Politik und Gesellschaft. In den Titeln seiner bildnerischen Kommentare zum Zeitgeschehen benennt Klee nur sehr selten konkrete Personen oder Geschehnisse. Er greift vielmehr Typen wie den Proletarier, den General, den Stammtischler oder den Feldherrn auf, um bestimmte reale Politiker zu karikieren oder die politische Stimmung zu kommentieren. Vor allem die Situation kurz vor und während des Ersten Weltkrieges und der Zeit der Machtübernahme durch Hitler in den frühen 1930er-Jahren, die Klees Flucht nach Bern zur Folge hatte, liessen den Künstler keineswegs kalt. Dies belegen zahlreiche Werke, die in dieser Ausstellung zu sehen sind.

Entdeckung des Kubismus in Paris
Klee unternimmt im April 1912 eine Reise nach Paris, wo er unter anderem Robert Delaunay im Atelier besucht. Bei Delaunay begegnet Klee zum ersten Mal den Versuchen, Farben und Flächen ohne Bindung an Gegenständliches zu kombinieren. Zudem entdeckt er in Galerien kubistische Bilder von Pablo Picasso und Georges Braque. Dem Vorbild des Kubismus folgend gelingt es Klee, die Welt gleichzeitig von verschiedenen Gesichtspunkten darzustellen. Diese Begegnungen führen dazu, dass Klee von nun an auf eine perspektivische Darstellung in seinen Werken verzichtet und die Zweidimensionalität der Bildfläche betont, indem er sie mit Farbfeldern rhythmisch lebendig gliedert.

Weg zur Abstraktion in Tunesien
Glaubt man seinen eigenen Tagebuchnotizen, erreicht Klee erst während der Tunesienreise seine angestrebte Beherrschung des «Farbklaviers»: «Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiss das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.» Ein Blick auf einige Aquarelle aus der Zeit vor der Reise belegt jedoch bereits eine überzeugende Farbgebung. In den Arbeiten aus dieser Zeit erkennt man eine Entwicklung hin zu einer völligen Abstraktion: Gebäude und Landschaften lösen sich in Farbfeldern auf. Die in Paris erhaltenen Impulse hin zur Abstraktion, sei es im Umgang mit Farbe oder mit Farbfeldern, erfahren in Tunesien eine Bestätigung und eine weitere Vertiefung.

Flucht vor der Realität
Mit abstrakten Symbolen wie Kreis, Sichel, Stern oder Dreieck versucht Klee die schreckensvolle Welt während des Ersten Weltkrieges darzustellen, ohne die Realität direkt abzubilden. Werke wie Zerstörung und Hoffnung oder Zeichnung zum Unstern der Schiffe spielen direkt auf die bedrohliche Situation an. Andererseits scheint sich Klee in Werken wie Einsiedelei von der Gegenwart abzuwenden, um in einer Märchenwelt Zuflucht zu finden. Er erfindet seine eigenen Landschaften, in denen die Natur, Tiere, Pflanzen und Gestirne die Hauptrolle spielen. Auch das häufig eingesetzte Motiv des Auges bestärkt den Eindruck des Geheimnis-vollen dieser Arbeiten. Die märchenhaften Aquarelle sind jedoch nicht einfach als Abkehr von der Realität zu begreifen, sondern als Produkte von Klees widersprüchlicher Wahrnehmung des Kriegszustandes. Bereits 1915 erwähnt Klee in seinem Tagebuch: «Je schreckensvoller diese Welt (wie gerade heute) desto abstrakter die Kunst, während eine glückliche Welt eine diesseitige Kunst hervorbringt.»

Krieg, Verfolgung und Tod
Klee thematisiert den Kriegszustand wiederholt in seinen Arbeiten. Derartige Werke aus den Jahren 1914/15 kann er jedoch kaum verkaufen. Dies ist wohl mit ein Grund, weshalb Klee eine abstraktere Bildsprache als geeigneter erachtet, um das Zeitgeschehen auszudrücken. Neben den kubistisch-kristallinen, farbigen Arbeiten gelingt es Klee mit einfachen Strichzeichnungen die Atmosphäre und Stimmung kurz vor und während des Ersten aber auch des Zweiten Weltkrieges einzufangen. Der Künstler legt damit ein feines Gespür an den Tag, die bedrohliche Situation der Menschen aufzunehmen und darzustellen.

Explosives Zick-Zack
Im Jahr 1917 entsteht eine Serie von Arbeiten mit «steilwinkligen Zickzackbewegungen», wie sie Klee später charakterisiert. Die explosionsartigen Blitze sind Ausdruck von Zwang, Angst, Bedrohung und Zerstörung, denen die Menschen zu jener Zeit ausgesetzt sind. Sie sind aber auch abstrakte gestalterische Mittel, mit deren Hilfe Klee Energie und Dynamik verbildlichen kann. Diese Arbeiten veranschaulichen eindrücklich, wie es Klee gelingt, das Erlebte mit rein abstrakten, bildnerischen Elementen wie Linie und Farbe auszudrücken.

Herabstürzende Pfeile
Während seines Militäreinsatzes auf Fliegerstationen muss Klee auch Flugzeugabstürze der Fliegerschüler rapportieren und fotografieren. Für die Technik der Fliegerei scheint sich Klee kaum interessiert zu haben. Vielmehr fasziniert ihn das Fliegen oder Schweben an sich und als Gegensatz zu unserem der Erde verhafteten Dasein. In der Folge entsteht aus den Erfahrungen an der Fliegerschule eine Serie von halbabstrakten Werken mit abstürzenden Flugzeugen und Vögeln oder einer Mischung von beidem in seinen Fliegervögeln. Oft tauchen Pfeile auf, teils als Erinnerung an die Fliegerpfeile, die aus den Flugzeugen abgeworfen worden sind, wie in Das Haus zum Fliegerpfeil. Sie werden für Klee bald zum Symbol für Bewegung, Kraft und Energie schlechthin. Der Pfeil bleibt bis in Klees spätem Schaffen von zentraler Bedeutung.

Zahlen und Buchstaben
Auf der Flieger-Ersatzabteilung in Schleissheim ist Klee unter anderem für die Bemalung der Flugzeugbespannung zuständig. In dieser Zeit malt er erste Werke auf Resten von Flugzeugleinen und mit Buchstaben-Schablonen, was in den folgenden Jahren zu weiteren Experimenten mit Textilien und Buchstaben führt. Ab Januar 1917 ist Klee als Schreiber in der Kassenverwaltung der Fliegerschule in Gersthofen tätig. Diese buchhalterische Tätigkeit hinterlässt ebenfalls Spuren in seinem Werk. So integriert er beispielsweise Zahlenkolonnen in seine Kompositionen. Einige Arbeiten entstehen auf liniertem Papier, auf dem er Additionen ausgeführt hat, oder auf fleckigem Löschpapier.