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Fokus 03 – die jüngste Sammlungspräsentation des MUMOK – widmet sich wichtigen Kunstentwicklungen der späten 1950er bis zu den 1970er Jahren. Das Hauptinteresse gilt dabei der Verschränkung von sprachlichen, visuellen und performativen Darstellungsformen. Unter diesem Fokus werden in der Ausstellung Grenzüberschreitungen zwischen bildender Kunst, Literatur, Film und Theorie präsentiert und deren vielschichtige soziokulturelle Kontexte herausgearbeitet.

Zum ersten Mal seit der Wiedereröffnung des MUMOK sind in einer Sammlungsausstellung die Arbeiten der Wiener Gruppe, darunter bedeutende Neuerwerbungen und Bestände der Konzeptkunst zu sehen. Die zumeist getrennt gehaltenen Wiener Kunstrichtungen der 1960er Jahre werden unter sprachanalytischen Gesichtspunkten aufeinander bezogen. Auf einer weiteren Ebene korrespondieren sie mit internationalen Verschränkungen zwischen Pop Art, Fluxus und Konzeptkunst. Ausgewählte Leihgaben wie die erstmals in Österreich gezeigten Learning Machines des Fluxus-Begründers Georges Maciunas ergänzen die Ausstellung.

Österreichische Positionen der späten 1950er und 1960er Jahre sind von der Reaktion auf ein restrikives politisches und kulturelles Klima geprägt. Dabei beziehen sich die ausgestellten Sprachuntersuchungen der Wiener Gruppe auf textuelle und auf visuelle Darstellungskonventionen. Friedrich Achleitner, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener setzen ihr Konzept, Sprache als visuelles und akustisches Material zu denken, unter anderem in Collagen, Typogrammen und happeningartigen Gemeinschaftsveranstalungen wie den Literarischen Cabarets (1958-59) um. Ihre Sprachanalysen decken anhand einer genau festgelegten Verwendung der Materialien wie Fotografie und Schrift mediale Grundlagen gesellschaftlicher Klischees auf.

Im Bestreben den Illusionismus des Tafelbildes zu überwinden, gelangten Günter Brus, Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler zu performativen Arbeiten, die eine möglichst unverfälschte Wahrnehmung der Wirklichkeit ermöglichen sollten. Ihre Mal- und Materialaktionen, Körperanalysen und Manifeste gegen Staat und Gesellschaftsordung korrespondieren mit einem im Underground Film und Expanded Cinema entwickelten Sprach- und Materialbewußtsein. Kurt Kren, Ernst Schmidt jr., VALIE EXPORT und Peter Weibel brechen mit realistischen und erzählerischen Konventionen des Films und nutzen das Medium über die Grenzen der Leinwand hinaus, um die Kontrollfunktion von Sprache und Massenmedien zu kritisieren. In Gemeinschaftsveranstaltungen wie dem Aktionskonzert für Al Hansen (1966) oder dem Zock-Fes t(1967) drücken Literaten, bildende Künstler und Underground-Filmer ihr Misstrauen gegenüber bestehenden Repräsentationsformen aus. Die gesteigerte künstlerische und politische Radikalität der Aktion Kunst und Revolution (1968) führt zu einer massiven Medienhetze gegen die Beteiligten sowie zu deren gesetzlicher Verfolgung.

Internationale Kunstentwicklungen wie Fluxus, Pop Art und Konzeptkunst werden in einem weiteren Teil der Ausstellung kontextualisiert: Die von den Architekten Kühn/Malvezzi gestaltete, dem Regalsystem eines Supermarktes nachempfundene Ausstellungsarchitektur enthält Arbeiten und Dokumentationen, die eine modernistische Opposition zwischen Kunstwerk und Ware, Museum und Kaufhaus, Kunstbetrachtung und Konsumverhalten thematisieren. Künstlerinnen und Künstler begeben sich in die Rolle von UnternehmerInnen, die ihre „Produkte“ wie in einem Supermarkt zum Verkauf anbieten. Ausstellungen wie The American Supermarket (1964) oder das Museum of Merchandise (1967) und Projekte wie Ben Vautiers Magazin, Claes Oldenburgs Store oder George Maciunas’ Fluxshop & Mailorder Warehouse imitieren ganz offen kapitalistische Verkaufsstrategien.

Auf die Kommerzialisierung des Kunstbetriebs in den 1960er Jahren antworten Fluxus und Konzeptkunst mit einer zunehmenden Immaterialisierung, die in einer verstärkten Performativität und Theoretisierung ihren Niederschlag findet. Mail Art-Projekte von On Kawara und Alighiero Boetti leiten in der Ausstellung zu Lecture-Performances von John Cage, Robert Morris, Allan Kaprow und Henry Flynt über. Die schriftliche Aufzeichnung einer Idee führt zu den Instruction Pieces, den Handlungsanweisungen der FluxuskünstlerInnen George Brecht, Yoko Ono, Dick Higgins und La Monte Young. Sie stehen in direkter Verbindung mit der Konzeptkunst der 1960er und frühen 1970er Jahre mit Vertretern wie Mel Bochner, Lawrence Weiner, Joseph Kosuth, Peter Hutchinson und Jean Le Gac. Die Rolle von Publikationen als wichtige Vermittlungs- und Distributionsmedien bildet einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung. Wertvolle Druckwerke aus der Bibliothek des Sammlers Wolfgang Hahn konnten Dank der großzügigen Schenkung von Frau Hahn in die Ausstellung integriert werden: angefangen von Andy Warhols Index-Book bis zu Seth Siegelaubs legendären Konzeptkunst-Katalogen.

Maciunas’ Learning Machines Als vielseitige Persönlichkeit ist George Maciunas als Grafiker, Fotograf, Herausgeber und Organisator der Fluxusbewegung tätig. Eine innerhalb von Fokus 03 präsentierte Sonderausstellung „Maciunas’ Learning Machines“ stellt Maciunas als Chronisten vor, der von 1953 bis 1973 die sogenannten „Charts“ oder „Learning Machines“ verfasst. Nach (kunst)historischen, aber auch gesellschaftspolitischen Aspekten erstellt er Digramme, um damit ein interdisziplinäres Wissensfeld visuell erfahrbar zu machen.

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