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4. MÄRZ – 6. JUNI 2022

KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945

Zwischen 1933 und 1945 kontrollierte das nationalsozialistische Regime das künstlerische Schaffen in Deutschland. Insbesondere Künstlerinnen und Künstler, die wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft oder politischen Einstellung verfolgt wurden, flüchteten vor den staatlichen Bedrohungen in die Emigration. Was aber passierte mit denjenigen, deren Kunst von den Nationalsozialisten diffamiert wurde und die dennoch im Land blieben? In der umfassenden Überblicksausstellung „KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945“ zeigt die Schirn Kunsthalle Frankfurt vom 4. März bis 6. Juni 2022, welche unterschiedlichen Strategien und Handlungsspielräume Künstlerinnen und Künstler in Deutschland nutzten, die keine Nähe zum NS-Regime suchten oder fanden.

Isolation, fehlendes Publikum und mangelnder Austausch prägten das Schaffen jener, denen im Nationalsozialismus die Arbeits- und Lebensgrundlage entzogen worden war. Ihre Situation wird oft pauschal als „Verfemung“ oder „innere Emigration“ beschrieben. Angesichts der konkreten persönlichen Umstände erfordern diese Begriffe jedoch eine nähere Betrachtung. Niemand konnte sich dem Regime gänzlich entziehen. Die neu etablierte Reichskammer der bildenden Künste überwachte den gesamten Kunstbetrieb. Ein Ausschluss führte zu einem Arbeits- und Ausstellungsverbot, das von der Gestapo kontrolliert werde konnte. Vor dem Hintergrund ihrer öffentlichen Diffamierung oder der Beschlagnahmung ihrer Werke im Zuge der Aktion und Ausstellung „Entartete Kunst“ entwickelten Künstlerinnen und Künstler unterschiedliche Strategien, um meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter widrigen Umständen künstlerisch tätig zu sein.

Anhand von 14 ausgewählten Biografien verdeutlicht die Ausstellung, dass nicht allein Apathie, Stillstand und Aussichtlosigkeit die künstlerische Arbeit in dieser Zeit bestimmten. Rückbezug auf das eigene Werk, Beschäftigung mit existenziellen Themen und inhaltliche Anpassung waren etwa Reaktionen auf die totalitäre NS-Kunstpolitik. Dabei waren die künstlerischen Antworten so unterschiedlich wie die Künstlerinnen und Künstler selbst. Um dieser Singularität gerecht zu werden, ist die Ausstellung nicht chronologisch oder thematisch aufgebaut. Sie definiert keine einheitliche stilistische Entwicklung, sondern beleuchtet vielmehr mit individuellen Fallbeispielen und etwa 140 Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien die Vielfalt der Kunst, die abseits der offiziellen Regimekunst existierte, aber ohne Publikum blieb. Präsentiert werden Werke von Willi Baumeister, Otto Dix, Hans Grundig, Lea Grundig, Werner Heldt, Hannah Höch, Marta Hoepffner, Karl Hofer, Edmund Kesting, Jeanne Mammen, Ernst Wilhelm Nay, Franz Radziwill, Hans Uhlmann und Fritz Winter.

Für die Schau konnte die Schirn bedeutende Leihgaben aus zahlreichen deutschen Museen, Stiftungen sowie öffentlichen und privaten Sammlungen gewinnen, u. a. aus der Neuen Nationalgalerie Berlin, der Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlung Dresden, dem Museum Folkwang Essen, der Hamburger Kunsthalle, dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, der Kölner Ernst Wilhelm May Stiftung, der Jeanne-Mammen-Stiftung im Stadtmuseum Berlin oder dem Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart.

Die Ausstellung wird gefördert durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH. Zusätzliche Unterstützung erhält sie von der Georg und Franziska Speyer‘sche Hochschulstiftung.

„‚KUNST FÜR KEINEN‘ ist ein besonderer Titel für eine ebenso besondere Ausstellung. Die Angabe des Zeitraums 1933–1945 macht deutlich, dass wir uns mit dieser Ausstellung einem komplexen wie herausfordernden Abschnitt der deutschen (Kunst-)Geschichte widmen. Während viele Exilkünstler in den letzten Jahren Gegenstand von Untersuchungen wurden, sind die Werke der unangepassten Künstler, die in Deutschland blieben, noch nicht ausreichend betrachtet. Bis heute tun wir uns im Umgang mit ihnen schwer. Mit ‚KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945‘ möchten wir diese verhaltene Skepsis einem neuen, interessierten Blick weichen lassen und so einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Kunst jener Jahre leisten. Damit schlägt die Schirn einmal mehr die Brücke von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die heutige Zeit“, so Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt.

Die Kuratorin der Ausstellung Dr. Ilka Voermann erläutert: „Die während des NS-Regimes in Deutschland verbliebenen Künstlerinnen und Künstler machen es uns nicht leicht, sie einzuordnen. Nur in wenigen Projekten schenkte man ihnen bisher Beachtung, über ihre innere Haltung ist kaum etwas zu erfahren. Bis heute ist ihre Kunst nicht ausreichend sichtbar. Umso wichtiger ist die kritische Auseinandersetzung mit den einzelnen Biografien für ein differenziertes Bild dieser Epoche. Oftmals hatte die Ausgrenzung wenig mit ihrer Kunst, sondern mit ihrer Religion, Herkunft, Homosexualität, ihrem Geschlecht oder politischen Einstellung zu tun. Umso klarer wird, dass das konträre Narrativ von ‚systemkonformer‘ und ‚entarteter‘ Kunst, das letztendlich auf die nationalsozialistische Kulturpolitik selbst zurückgeht, der Lebensrealität vieler Künstlerinnen und Künstler nicht gerecht wird. Jede Zuordnung, jede Ausgrenzung, jeder Handlungsspielraum muss von Fall zu Fall unterschieden und näher betrachtet werden.“

DIE KÜNSTLERINNEN UND KÜNSTLER DER AUSSTELLUNG

Im ersten Raum der Ausstellung präsentiert die Schirn Werke von Jeanne Mammen (1890–1976). Als gelernte Gebrauchsgrafikerin hatte Mammen im Berlin der 1920er- und 1930er-Jahre mit Illustrationen etwa für die satirische Zeitschrift Simplicissimus Erfolg und unterhielt mit ihrer Schwester Mimi ein eigenes Atelier am Kurfürstendamm. Nach 1933 zog sich Mammen konsequent aus dem Kunstleben zurück und mied jeden Kontakt mit dem nationalsozialistischen Regime, sodass sie trotz einiger Gelegenheitsjobs nahezu ohne Einkommen blieb. Auf sich selbst zurückgeworfen, stand sie mit nur wenigen in Deutschland verbliebenen Freunden wie dem Bildhauer Hans Uhlmann in Kontakt. Ab 1937 wandte sie sich, angeregt durch Pablo Picassos Guernica (1937), verstärkt einer kubistischen Formsprache zu und bezog sich in plastischen Arbeiten, die sie in ihrem Atelier verbarg, häufig auf die Kunst anderer Kulturen. Inhaltlich griff sie konkret die Schrecken des Krieges und ihre persönliche Situation auf, wie in Brennendes Haus (um 1944) oder Sterbender Krieger (Junger Soldat im Frontfeuer) (um 1943).

Wie Mammen zog sich auch Hans Uhlmann (1900–1975) während des Nationalsozialismus aus dem öffentlichen Leben zurück und führte seine künstlerische Arbeit im Privaten fort. Als Mitglied der KPD hatte er früh die Gefahren des aktiven politischen Widerstands kennengelernt. Im ersten Jahr der nationalistischen Diktatur wurde er verhaftet und überlebte das berüchtigte Gestapogefängnis Columbia-Haus mit Isolationshaft und mehrfachen Verhören. In seiner darauffolgenden eineinhalbjährigen Haft begann er erste Entwürfe für Metallplastiken, die er nach seiner Entlassung als Skulpturen umsetzte. Zwischen 1935 und 1942 schuf er mehr als 40 Köpfe aus Eisenstäben, Eisen- und Zinkblech, in denen er sich intensiv mit dem Körper im Raum auseinandersetzte. Persönlich erlebte er so das Ende des Nationalsozialismus als „Triumph des schöpferischen Geistes über brutale Gewalt und Unverstand“.

Auch Edmund Kesting (1892–1970) setzte zwischen 1933 und 1945 seine künstlerische Tätigkeit über Umwege aktiv fort. Ursprünglich der Malerei zugewandt, war er zwischen den Kriegen im Künstlerkreis der Galerie Der Sturm mit der Fotografie in Berührung gekommen, die ihm während des Nationalsozialismus ein Einkommen ermöglichte und zum künstlerischen Medium wurde. Nachdem 1933 seine progressive Kunstschule Der Weg schließen musste und 1937 zwölf seiner Werke aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt wurden, zog er sich immer mehr aus dem Kunstbetrieb zurück und konzentrierte sich auf seinen Wirkungskreis in Dresden. Dort arbeitete er als Werbefotograf für verschiedene Firmen und dokumentierte ab 1935 die Werke des Grünen Gewölbes in den Staatlichen Kunstsammlungen. Nebenbei widmete er sich vor allem nachts der Porträt- und Architekturfotografie. Zu seinen bekanntesten fotografischen Arbeiten aus der Zeit gehört der Totentanz Dresden (1945), der als unmittelbare Reaktion auf die Zerstörung der Stadt entstand.

Am 31. März 1933 wurde Willi Baumeister (1889–1955) als Professor der heutigen Städelschule entlassen. Bis 1945 durfte er nur noch einmal in Deutschland ausstellen, 125 seiner Werke wurden beschlagnahmt. Dennoch blieb Baumeister in Deutschland und reagierte mit enorm gesteigerter Produktivität. Allein über 600 Gemälde entstanden zwischen 1933 und 1945. Seine früheren konstruktivistischen und gegenständlichen Arbeiten wurden von abstrakten und biomorphen Formen abgelöst. Als Teil eines mit dem Surrealismus in Verbindung stehenden Trends der 1930er- und 1940er-Jahre griff er archaische Themen und Stile auf, wie etwa die in der Schirn zu sehende Figur in Bewegung (1936/37) zeigt. Seine Tätigkeit im Labor des Lackfabrikanten Kurt Herberts verhalf Baumeister zu einem gewissen Einkommen und schützte ihn vor kriegsbedingten Einsätzen. Zugleich entstand hier eine Serie von experimentellen „Lacktafeln“, in denen er die Beschaffenheit unterschiedlicher Materialien untersuchte. Obwohl sich Baumeister immer mehr ins Private zurückzog, zeigt die Reihe von Postkarten, die er auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ erworben und satirisch bearbeitetet hatte, wie genau er die Kulturpolitik der Nationalsozialisten verfolgte.

Werner Heldt (1904–1954) gehörte zu den Künstlern, die sich direkt nach 1933 für das Exil entschieden. Auf Mallorca beschäftigte er sich zusätzlich zu seinem bisherigen Hauptmotiv Berlin mit dem Phänomen von Menschenansammlungen, angeregt durch die bedrohlichen Aufmärsche der Nationalsozialisten. Herausragend ist hier die in der Ausstellung gezeigte großformatige Kohlezeichnung Meeting (Aufmarsch der Nullen) (1933–1935). Im Jahr 1935 zwang der Spanische Bürgerkrieg Heldt zur Rückkehr nach Berlin, wo er als Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste ein Atelier in der Ateliergemeinschaft Klosterstraße bezog. Inhaltlich stand seine Arbeit nicht im Widerspruch zur nationalsozialistischen Kunstauffassung und war unverfänglich, allerdings auch nicht ideologisch verwertbar. Ab 1936 zeigten seine Arbeiten häufig Kompositionen mit Blick aus dem Fenster, menschenleere Stadtlandschaften und thematisierten mit dem Konzept von „innen“ und „außen“ Zugehörigkeit, Isolation und Rolle des Individuums in der Gesellschaft.

Die unmittelbaren Folgen des Kriegsregimes trafen auch Fritz Winter (1905–1976) schwer. Seine vielversprechende Karriere als Künstler wurde durch die Aktion „Entartete Kunst“ radikal beendet. 1939 wurde Winter zum Kriegsdienst einberufen, nahm am Polen- und Russlandfeldzug teil, geriet in russische Gefangenschaft und kehrte erst 1949 aus Sibirien zurück. Als Soldat zeichnete er mit Bleistift in Skizzenbücher. Zwischen 1941 und 1944 entstanden so über 300 Zeichnungen, die eine intensive Auseinandersetzung mit der Natur belegen und die er während eines Genesungsurlaubs farbig in der bekannten Werkserie Triebkräfte der Erde (1944) umsetzte. Die bedeutende Rolle, die Winter nach seiner Rückkehr als abstrakter Maler einnahm, ging nicht zuletzt auf seine Arbeiten in dieser Zeit zurück. Die Werkserie Triebkräfte der Erde (1944) wurde, insbesondere in den Schriften von Werner Haftmann, im Kontext ihrer Entstehung und als Symbol für das Durchhaltevermögen deutscher Künstlerinnen und Künstler interpretiert.

Zu den Profiteuren des Nationalsozialismus zählte zunächst Franz Radziwill (1895–1983). Er suchte nicht nur politisch die Nähe zum Regime, sondern auch künstlerisch in seinem Werk. 1933 trat er in die NSDAP ein und erhielt eine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie. Schon kurz darauf verlor er allerdings seinen Lehrauftrag, nachdem Studenten sein expressionistisches Frühwerk in Erinnerung gerufen und ihn denunziert hatten. 1937 wurden 200 seiner Werke beschlagnahmt. Radziwill zog sich nach Dangast an der Nordsee zurück, wo er trotz der öffentlichen Diffamierungen mit den lokalen Obrigkeiten zusammenarbeiten konnte. Obwohl Krieg und Kriegsgerät eine zentrale Rolle im Werk des Norddeutschen einnahmen, eigneten Radziwills Gemälde sich wegen ihrer Ambivalenz und unheroischen Darstellungsweise nicht als kriegsbejahende Propagandabilder. Einen sukzessiven Wandel seiner Weltanschauung dokumentieren die nachträgliche Veränderung und Überschreibung seiner Werke, wie etwa in dem in der Ausstellung gezeigten Gemälde Flugzeuge / Immer schneller fliegen, dessen ursprüngliche Fassung von 1938 stammt.

Da er sich zuvor öffentlich gegen den Nationalsozialismus positioniert hatte, wurde auch dem Hochschullehrer Karl Hofer (1878–1955) direkt nach 1933 die finanziell gesicherte Lebensgrundlage mit seiner Entlassung entzogen. Sein Werk wurde in der Ausstellung „Entartete Kunst“ und durch das Entfernen seiner Arbeiten aus öffentlichen Sammlungen weiter diffamiert, doch konnte er trotz anderslautender persönlicher Berichte noch längere Zeit im In- und Ausland ausstellen und verkaufen. Auch wurde er nur kurzzeitig aus der Reichkammer der bildenden Künste ausgeschlossen. Ursache dafür war nicht seine Kunst, sondern die Ehe mit seiner jüdischen Frau Mathilde Hofer. Nach der Scheidung verlor sie den Schutz der sogenannten „privilegierten Mischehe“, wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Hinweise auf dieses private Schicksal und auf tagespolitische Entwicklungen finden sich in Hofers Bildern kaum. Neben in sich gekehrten Darstellungen wie Zwei Frauen am Brunnen (1940) mehren sich ab 1933 allerdings Werke mit apokalyptischer Stimmung wie Die Wächter (1936) oder Alarm / Turmbläser (1935), die in der Schirn zu sehen sind.

Obwohl Hans Grundig (1901–1958) und Lea Grundig (1906–1977) in den Jahren ab 1933 mehrmals die Möglichkeit hatten, ins Ausland zu fliehen, kehrte das Paar im Zeichen des Widerstands immer wieder nach Deutschland zurück. Trotz der wachsenden Gefahren als überzeugte Kommunisten und der jüdischen Glaubenszugehörigkeit von Lea Grundig lebte das Ehepaar weiter unter dem NS-Regime und arbeitete ab 1936 im Untergrund. Beide verarbeiteten die aktuelle Situation ihres Heimatlandes in nahezu visionären, nichts beschönigenden Bildwelten. Die Zeit von 1933 bis 1940, dem Jahr, in dem Hans Grundig im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert wurde, gilt überdies als seine produktivste Phase. In Werken wie Kampf der Bären und Wölfe (1938) oder der Radierfolge Tiere und Menschen nutzte er die Tierfabel, um der ständigen Isolation und Bedrohung Ausdruck zu verleihen. Lea Grundig, zum ersten Mal 1936 verhaftet, 1938 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt, schuf schon 1935 den in der Schirn zu sehenden Zyklus Der Jude ist schuld und von 1933 bis 1937 die antifaschistischen Grafiken Unterm Hakenkreuz. Nach dem Leidensweg der Trennung, der KZ-Haft von Hans Grundig sowie der erzwungenen Flucht und dem Exil von Lea Grundig trafen sich beide 1949 nach dem Krieg in Dresden wieder und verbrachten die restliche Zeit ihres Lebens in Deutschland.

Ernst Wilhelm Nay (1902–1968) befand sich Anfang der 1930er-Jahre am Beginn seiner künstlerischen Karriere, die im Nationalsozialismus ein abruptes Ende fand. Obwohl er als Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste bis 1936 noch vereinzelt ausstellen konnte, wurden seine Werke im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und diffamiert. Seine finanzielle Situation verschlechterte sich zunehmend. Dennoch kennzeichnen die folgenden Jahre nicht Regression oder Stillstand, sondern die Reifung seiner künstlerischen Ideen. 1937 reiste Nay nach Norwegen, wo er dank eines Arbeitsstipendiums auf den Lofoten zu seinem eigenen Stil fand. Zurück im Berliner Atelier gelang es ihm, mit den Lofotenbildern die Natureindrücke der norwegischen Landschaft in eine abstrakte Formsprache zu überführen. Im Kriegsdienst 1942 als Kartenzeichner nach Le Mans versetzt, konnte er sich unter günstigen Bedingungen weiter seiner Kunst widmen und gelangte zu einer immer konzentrierteren Ausdrucksweise.

Hannah Höch (1889–1978) war 1929 nach großem Erfolg in den Niederlanden als selbstbewusste aufstrebende Künstlerin nach Berlin zurückgekehrt und reagierte umso sensibler auf die politischen Entwicklungen in Deutschland, mit denen sie sich auch persönlich konfrontiert sah. 1932 wurde ihre erste Einzelausstellung im Dessauer Bauhaus durch die Nationalsozialisten verhindert. Als direkte Reaktion auf die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichkanzler malte die Künstlerin das in der Schirn präsentierte Gemälde Wilder Aufbruch (1933), eine apokalyptische Endzeitvision. Trotz der öffentlichen Diffamierung ihrer Kunst und obwohl sie die Gelegenheit zur Flucht hatte, blieb auch Höch in Deutschland. Eine Triebfeder war die Bewahrung ihrer umfangreichen Sammlung eigener und von Freunden anvertrauter Werke. In den ersten Jahren innerlich unstet, reiste sie quer durch das Land, wandte sich verstärkt Pflanzen- und Landschaftsbildern zu und verdrängte die Darstellung von Menschen ebenso wie abstrakte Experimente aus ihrem Werk. Mit Kriegsbeginn zog sie sich nach Berlin-Heiligensee zurück und reflektierte in den Notzeitbildern mit überzeitlichen Darstellungen des Elends die Bedrohung des Nationalsozialismus und die Schrecken des Krieges.

Zusammen mit ihrem Lehrer Willi Baumeister verließ Marta Hoepffner (1912–2000) auf eigenen Wunsch 1933 die Frankfurter Kunstgewerbeschule. Als Fotografin konnte sie sich wegen der großen Nachfrage nach Gebrauchsfotografie mit Porträtaufnahmen, Aufträgen für Werbeprospekte und Zeitschriften ein Einkommen sichern und gründete in Frankfurt am Main ihre eigene „Werkstätte für künstlerische Fotoaufnahmen“. Parallel setzte sie eigenständige Arbeiten um und experimentierte mit Form, Licht und Schatten sowie Verfremdungseffekten durch Solarisation, Negativfotografie und Mehrfachbelichtung. Von 1936 bis 1938 gestaltete sie für Das Illustrierte Blatt der Frankfurter Zeitung 13 Bildgeschichten und zwei Titelblätter, in die sie avantgardistische Techniken wie die Fotomontage und das Fotogramm einfließen ließ.

Otto Dix (1891–1969) verlor unmittelbar im Jahr 1933 seinen Lehrstuhl an der Dresdner Akademie. Im selben Jahr zog er mit seiner Familie nach Randegg nahe dem Bodensee und veränderte ab diesem Zeitpunkt seine Sujets drastisch. Düstere Landschaften wie Judenfriedhof in Randegg im Winter mit Hohenstoffeln (1935) und christlich-allegorische Themen wie Die Versuchung des Heiligen Antonius (1937) lösten als dominante Motive seine überzeichneten sozialkritischen Typenporträts und ungeschönten Kriegsdarstellungen ab, für die er in der Weimarer Republik bekannt geworden war. Trotz der Diffamierung und Beschlagnahmung seiner früheren Arbeiten konnte Dix Mitglied der Reichskulturkammer für bildende Künste werden und für private und institutionelle Auftraggeber arbeiten. Seine neuen Werke wurden positiv aufgenommen und in Einzelfällen sogar ausgestellt. Im Verborgenen wandte er sich ab 1943 erneut einer expressiv-figurativen Gestaltungsweise mit gesellschaftskritischem Inhalt zu.

KATALOG KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945, herausgegeben von Ilka Voermann mit Beiträgen von Eva Atlan, Peter Chametzky, Verena Hein, Karoline Hille, Ina Jessen, Cathrin Klingsöhr-Leroy, Kathleen Krenzlin, Marie Oucherif, Olaf Peters, Carmela Thiele, Ilka Voermann und Martina Weinland sowie einem Vorwort des Direktors der Schirn Kunsthalle Frankfurt Philipp Demandt. Deutsch-englische Ausgabe, 296 Seiten, 214 Abb., 27 × 19,6 cm, Hardcover, Hirmer Verlag