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„Damenbesuch“ heißt die Installation, die Rebecca Thomas (*1982) in der Kunstkammer No. 12 des Georg-Kolbe-Museums zeigt. Die Künstlerin verwandelt den knapp acht Quadratmeter großen Raum in eine Dunkelkammer, in welcher der Besucher im Dämmerlicht ihre neueste Arbeit erleben kann. Beim Eintritt in die verdunkelte Kunstkammer sieht sich der Betrachter einer weißen lebensgroßen weiblichen Figur gegenüber. Ihr kopfloser ausgestopfter Stoffkörper wird ergänzt durch eine Hand, Füße und Brüste aus Gießstein (Acrystal). Assoziationen an eine altmodische Puppe werden durch die Materialität wachgerufen. Die fehlenden Glieder – neben dem Kopf hat die Skulptur auch ihren rechten Arm eingebüßt – erinnern zudem an die Zerstörungsprozesse, denen Puppen von Zeit zu Zeit ausgesetzt sind. Durch ihre Größe und ihre Positionierung auf einem Sockel erhält die Figur jedoch eine Nobilitierung: Sie steht auf einem Erdklumpen, so dass der Betrachter zu ihr aufschaut. Haben sich die Augen an das Halbdunkel gewöhnt, ist zu erkennen, dass die Dargestellte sich mit der rechten Hand an ihre rechte Brustwarze fasst und mit dem rechten Fuß auf einem ausgestopften sichelförmig gekrümmten Karpfen steht. Die Künstlerin Rebecca Thomas sagt, dass sie sich bei ihrer Arbeit von Madonnen und Eva-Darstellungen inspirieren ließ. In der Tat kann man einige Eigenschaften ihrer Skulptur auch mit der christlichen Ikonographie in Verbindung bringen. Die Unbekleidetheit lässt sich als Bezug auf die nackte Eva verstehen. Der Fisch an sich ist seit der Antike ein Symbol für Christus. Der halbmondförmige Karpfen zu Füßen der Figur und der Griff an die Brust spielen auf zwei seit dem Mittelalter verbreitete Marientypen an: die Mondsichelmadonna und die Maria Lactans, die ihrem Kind die Brust zum Trinken anbietet. Daneben werden in der Kunstgeschichte die christliche Tugend Caritas und die Erdgöttin Ceres/Demeter aus der antiken Mythologie stillend wiedergegeben. Das dezidierte Greifen nach der Brustwarze offenbart einen eher erotischen als mütterlichen Charakter, der sich vor allem bei Venusdarstellungen wiederfindet. Zudem wird der Betrachter an das berühmte manieristische Brustbild „Gabrielle d’Estrées mit einer unbekannten Frau im Bade“ aus der Schule von Fontainebleau erinnert: Hier kneift die eine der Dargestellten der anderen mit gezierter Geste in die Brustwarze. Diese Gebärde wird in der Emblematik mit Sexualität und Schwangerschaft in Verbindung gesetzt. In ihrer Frauenfigur setzt sich Thomas spielerisch mit dem wichtigsten und traditionsreichsten weiblichen Personal des Christentums und der antiken Mythologie auseinander. Religiöse und kunsthistorische Zusammenhänge werden zitiert und gleichzeitig konterkariert. Die Untersuchung und die Infragestellung geschlechterspezifischer Rollen und Klischees spielen auch in anderen Werken von Rebecca Thomas eine große Rolle. So begegnen dem Betrachter auf Ihren Fotos schön arrangierte Edeldamen mit Vollbart, in ihren Installationen posieren aufreizend drei als „Grazien“ betitelte präparierte kopflose Wachtelkörper und in ihren Performances finden geräucherte Fische Verwendung als stiefelähnlicher Beinschmuck. Neben einer kritischen Haltung charakterisiert fast immer eine humoristische Note Thomas‘ Kunst. Rebecca Thomas studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe und an der HfBK Hamburg bei Andreas Slominski. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Zur Eröffnung der Kunstkammer war die Künstlerin selbst anwesend und hat im Rahmen einer Performance die ausgestellte Skulptur zum Leben erweckt.

12. August – 23. Oktober 2011 Eröffnung: Donnerstag, 11. August 2011, 18 Uhr (Eintritt frei) Künstlergespräch zwischen Rebecca Thomas und Dr. Marc Wellmann, Ausstellungsleiter des Georg-Kolbe-Museums

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Die Kunstkammer im Georg-Kolbe-Museum No. 12:
Rebecca Thomas
Damenbesuch