Städel Museum, Frankfurt

Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie | Dürerstr. 2
60596 Frankfurt

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Frankfurt am Main, 20. Mai 2015. Im Jubiläumsjahr „200 Jahre Städel“ zeigt das Frankfurter Städel Museum vom 10. Juni bis 6. September 2015 druckgrafische Arbeiten des englischen Malers, Kupferstechers und Radierers William Hogarth (1697–1764). Insgesamt 70 Werke, darunter die berühmten druckgrafischen Folgen A Harlot’s Progress (Der Weg einer Dirne, 1732), A Rake’s Progress (Der Weg eines Liederlichen, 1735) und Marriage à la Mode (Die Heirat nach der Mode, 1745), sind in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung zu sehen. In diesen Bildromanen aus dem Sammlungsbestand des Städel thematisierte Hogarth die Moden, Laster und Kehrseiten des modernen Lebens in der Weltmetropole London. Er verstand seine Kunstwerke als gedrucktes Theater seiner Zeit und legte mit ihnen unter anderem den Grundstein für die gesellschaftskritische Karikatur in England. Die besondere Qualität der Arbeiten liegt in der scharfsinnigen Beobachtungsgabe und dem beißenden Witz des Künstlers, der seine Epoche so sehr prägte, dass sie bis heute auch als „Hogarth’s England“ bezeichnet wird. Die zu Lebzeiten von Johann Friedrich Städel entstandenen Kupferstiche gehören zum alten Bestand der Städelschen Sammlung und spiegeln den kritischen Geist wider, der der Institution seit ihrer Gründung eigen ist.

Die Ausstellung wird durch die Hessische Kulturstiftung gefördert.

William Hogarth wurde 1697 in London geboren. Sein Vater Richard eröffnete entsprechend einer Mode des frühen 18. Jahrhunderts ein Kaffeehaus, in dem nur Latein gesprochen werden sollte. Das Unternehmen scheiterte und Richard Hogarth musste wegen seiner Schulden für fünf Jahre in das berüchtigte Londoner Fleet-Gefängnis. Frau und Kinder mussten ihn, wie damals üblich, begleiten. Nach der Entlassung des Vaters begann William Hogarth 1713 eine Lehre als Silbergraveur, die ihm auch die Grundlagen für die komplexen Techniken des Tiefdrucks – Kupferstich und Radierung – vermittelte. Nach siebenjähriger Ausbildung machte er sich als Kupferstecher mit einem eigenen Geschäft selbstständig und trat der privat geführten Mal- und Zeichenschule „St Martin’s Lane Academy“ in London bei, um sich als Maler auszubilden. So wurde er 1724 auch Mitglied der Kunstakademie des königlichen Hofmalers James Thornhill (1675–1734), dessen Tochter Jane er 1729 heiratete. Den Durchbruch bei einem größeren Publikum erreichte Hogarth jedoch nicht mit seiner Malerei, sondern mit den nach den Gemälden entstandenen Druckgrafiken. Mit der Folge A Harlot’s Progress begründete er zu Beginn der 1730er Jahre ein neues Genre, welches er später selbst als modern moral subjects bezeichnete (was im Deutschen häufig mit „moderne Lebensbilder“ übersetzt worden ist). Seine modern moral subjects verstand Hogarth als zeitgenössische, moralisch-didaktische Historienbilder. Er wandte sich damit gegen die Hierarchisierung der bildenden Kunst in der Akademielehre, die der klassischen Historienmalerei den höchsten Rang zugestand. Mit seinen druckgrafischen Werken gelang es dem Künstler, ein neues, zeitgemäßes Genre zu schaffen, das auf der aufmerksamen Beobachtung der Wirklichkeit beruht. 1755 wurde Hogarth in die „Royal Society of Arts“ gewählt, aus der er jedoch aufgrund von künstlerischen und persönlichen Unstimmigkeiten bereits zwei Jahre später wieder austrat. Die Ernennung zum königlichen Hofmaler folgte 1757, zog allerdings keine Aufträge nach sich. Die letzten Lebensjahre waren durch erbitterte Querelen zwischen dem Künstler und seinen Kritikern gekennzeichnet. Nach einem Schlaganfall 1763 war William Hogarth stark eingeschränkt und starb im darauffolgenden Jahr in seinem Londoner Haus in Leicester Fields.

Im Zentrum der Präsentation in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung stehen jene Druckfolgen William Hogarths, die ihn international bekannt gemacht haben: A Harlot’s Progress, A Rake’s Progress und Marriage à la Mode. Dass es seine Arbeiten auf Papier waren, die ihm einen Platz in der Kunstgeschichte sicherten, hat einen einfachen Grund: die besseren Verbreitungsmöglichkeiten von Druckgrafiken gegenüber Gemälden. Auf diesem Weg erreichte der Künstler das aufgeklärte und gebildete Publikum seiner Zeit in großer Zahl. Bereits die erste Auflage von A Harlot’s Progress (1732) umfasste 1240 verkaufte Exemplare. In dieser Bildfolge schildert Hogarth in sechs Episoden den Aufstieg und Niedergang einer jungen Frau, die vom Land in die Stadt kommt, um Arbeit zu finden. Um zu Geld zu gelangen, arbeitet sie schließlich als Prostituierte und landet dafür im Gefängnis. Die letzte Szene zeigt das unwürdige Begräbnis der bereits im Alter von 23 Jahren verstorbenen Protagonistin, für deren Schicksal dem Künstler zahlreiche reale und literarische Vorbilder vor Augen standen. Angetrieben von seinem großen Interesse an der sozialen Charakterisierung seiner Zeit, richtete sich Hogarths kritischer, ironischer Blick auf alle Gesellschaftsschichten, vom höchsten Adel bis in die elendsten Verhältnisse. Hungernde Kinder, Kranke und Notleidende bildeten die Kehrseite des wirtschaftlichen Aufschwungs der Kolonial- und Handelsmetropole und seiner zahlreichen Profiteure.

In seiner zweiten, acht Blätter umfassenden Folge A Rake’s Progress (1735) erzählt Hogarth vom sozialen Abstieg des jungen Tom Rakewell, der durch Unvernunft sein Erbe verprasst und erst im Schuldgefängnis, dann im Irrenhaus landet. Rakewells Inhaftierung aufgrund seiner Verschuldung erinnert an die eigene Geschichte des Künstlers. Ganz im Gegensatz zu seinem Vater war William Hogarth jedoch ein ausgezeichneter Unternehmer, der das zu seiner Zeit florierende Londoner Zeitungswesen und dessen öffentliche Wirkung gezielt für sich zu nutzen wusste. In Zeitungen wie der London Daily Post, dem General Advertiser oder dem London Journal veröffentlichte er Ankündigungen seiner Druckgrafiken und schrieb die Werke zur Subskription aus.

Den Titel seiner dritten großen Folge, veröffentlicht 1745, entlehnte Hogarth einer Komödie von John Dryden (1631–1700). Marriage à la Mode behandelt eine von zwei Vätern vereinbarte Ehe, in der die Partner keinerlei Interesse füreinander hegen, sich mit ihren Liebhabern vergnügen und die letztlich ein dramatisches Ende nimmt. Hogarths Protagonisten heucheln Unschuld und betrügen doch, sie geben sich ihren Leidenschaften hin und scheitern an ihren falschen Idealen. Unter Rückgriff auf reale Schicksale und Einbeziehung bekannter Personen und erkennbarer Orte warnt er in seinen Bildromanen vor den Gefahren des modernen Lebens, die auch heute durchaus noch Aktualität besitzen. 1751 unterstützte Hogarth mit den bekannten Grafiken Beer Street und Gin Lane eine öffentliche Kampagne gegen den übermäßigen Konsum von Gin. In Beer Street präsentiert er den Genuss von Bier als gesund und wohltuend gegenüber der zerstörerischen Wirkung von Gin.

Ab der Mitte des Jahrhunderts widmete sich Hogarth neben gesellschaftskritischen Inhalten zunehmend auch national und politisch ausgerichteten Themen. Sie bilden einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung. Mehrfach thematisierte der Künstler das Verhältnis zwischen den im Krieg befindlichen Staaten Frankreich und England: The Gate of Calais (1748) ist seine Antwort auf eine Festnahme wegen Spionageverdachts bei einer seiner Frankreichreisen. 1756 karikierte er in The Invasion die Franzosen erneut als hagere, groteske Gestalten, die nach dem schmackhaften Bier und dem üppigen Roastbeef der Engländer trachten. Knapp 15 Jahre später setzte sich Hogarth in der Grafik The Times, Plate 1 (1762) mit einem eindringlichen Appell für die Beendigung des Siebenjährigen Krieges ein.

Eigene kunsttheoretische Überlegungen veröffentlichte Hogarth 1753 in dem Buch The Analysis of Beauty (Die Analyse der Schönheit). Darin beschäftigte er sich mit den Grundlagen des bildkünstlerischen Schaffens und insbesondere mit der Frage, wie Schönheit und Anmut zu erreichen seien. Das Studium der Natur galt Hogarth als Schlüssel zur Schönheit. Er forderte seine Leser dazu auf, die Objekte der Natur mit eigenen Augen wahrzunehmen und sie nach den Kriterien der Vernunft zu beurteilen. Der deutsche Schriftsteller Christlob Mylius (1722–1754) war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in London und übersetzte den Text bereits 1754 ins Deutsche. Ein Exemplar dieser Übersetzung befand sich in der Bibliothek Johann Friedrich Städels und wird in der Ausstellung zu sehen sein.

Zur Ausstellung „Laster des Lebens. Druckgrafik von William Hogarth“ erscheint ein Katalog. Die Ausstellung wird nach ihrer Präsentation im Städel Museum im Schloss Neuhardenberg zu sehen sein.