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ICH BIN KEIN LOGISCHER POSITIVIST ICH BIN EIN ECHTER AMERIKANISCHER SOZIALIST

Lawrence Weiner (geb. 1942 in New York) hat in den sechziger Jahren einen künstlerischen Gebrauch von Sprache in Referenz zu Materialien entwickelt, der eine Ausführung des sprachlich definierten Werkes nicht erforderlich macht. Diese künstlerische Praxis, an der er bis heute festhält, umriss er 1968 in einem "Statement of Intent", das er seitdem bei vielen Gelegenheiten publiziert hat:

THE ARTIST MAY CONSTRUCT THE WORK THE WORK MAY BE FABRICATED THE WORK NEED NOT BE BUILT EACH BEING EQUAL AND CONSISTENT WITH THE INTENT OF THE ARTIST THE DECISION AS TO CONDITION RESTS WITH THE RECEIVER UPON THE OCCASION OF RECEIVERSHIP

Für seine Sprachskulpturen verwendet Weiner Strukturen, die in direktem Zusammenhang zum logischen Positivismus und zu piktoralen Modellen des Modernismus stehen. Er versucht einen Typus von Zeichen zu schaffen, der so direkt wir möglich zum Bezeichneten stehen, eine ikonische Kommunikation, die der Erweiterung der sprachlichen Umgebung oder - um Wittgenstein zu paraphrasieren - dem Sprengen der sprachlichen Begrenzung unserer Welt dienen soll.

Weiner verwendet ein etwa den Ansätzen des Wiener Kreises vergleichbares Modell von Sprache, das sowohl Transzendenz als auch Repräsentation ausschließen soll. Auch die frühen Lautgedichte des Dada oder des russischen Futurismus vermitteln eine ähnlich radikale, antinarrative, antitranszendentale und nicht an Repräsentation orientierte Auffassung von Sprache.

Der explizite Gebrauch von Sprache ist aber für Weiner ein notwendiges Mittel zur Herstellung politischer Kunst. Weiner bedient sich dieser Formalismen, um sich in erster Linie mit Materialien zu befassen - in einem sprachlichen Kontext, innerhalb eines Kunstkontexts, aber auch innerhalb eines kulturellen und gesellschaftlichen Kontexts. Dabei ermöglicht die Sprache einerseits eine gänzlich materialistische Interpretation, andererseits enthält sie immer auch einen Doppelsinn: Alle materiellen Begriffe haben auch eine übertragene Bedeutung. Der Betrachter kann diese Arbeiten dann als Metaphern für kulturelle Realität und für eine Verortung in der Kultur lesen.

Der wissenschaftlichen Zuordnung hält Weiner seine künstlerischen Konstruktionen nicht entgegen, sondern entwickelt diese in Korrespondenz und Dialektik dazu. Dabei ist die Wahl des Mediums entscheidend - ob in Form eines Posters, als Buch, an der Galeriewand oder im öffentlichen Raum, ob die Buchstaben ausgestanzt, geklebt oder gemalt sind, in welcher Typografie, Größe, Proportion, Platzierung und Farbe sie erscheinen.

Für die Wiener Ausstellung X Y & Z schuf Weiner zwei neue Wandarbeiten und ein Künstlerbuch, die um das Konzept Mischung (und Hierarchie) kreisen:

I PROPOSE TO SHOW TWO NEW WORKS DEALING WITH THE CONCEPT OF MISCHUNG (& HIERARCHY) PLUS A PARADIGMATIC DRAWING FOR THE DOWNSTAIRS GALLERY THAT IN EFFECT BECOMES A KEY FOR THOSE OF THE PUBLIC TO EXPLAIN MY RELUCTANCE TO UTILIZE DEM WHEN DIE DER OR DAS (WHICH IS AN ACCEPTANCE OR RESPONSIBILITY) IS NOT POSSIBLE I UTILIZE XXX AS THE PARADIGMATIC DRAWING DOES NOT CONSTITUTE A SCULPTURAL PRESENCE WITHIN OUR CULTURE IT ALLOWS FOR MY ANNOTATIONS

Das Wort Mischung verweist ursprünglich auf biologische Mischformen, bis es in den achtziger Jahren zu einem kulturtheoretischen Schlüsselbegriff umgedeutet wurde (Hybridität), findet sich aber ebenso in Chemie, Physik, Technik und Sprachwissenschaft (Sprachenmischung). Weiner erforscht Mischung als Prinzip und als Gegensatz zu Hierarchie und autoritärer Reinheit. Aus unterschiedlichen Systemen schafft er ein neu zusammengesetztes Ganzes, indem er diese in einer nichthierarchischen Ordnung zusammenbringt.

Die paradigmatische Wandzeichnung im Untergeschoss, eine Art Piktogramm und visuelle Notation, soll nach Weiner die Idee der Ausstellung verdeutlichen. Skizziert werden Berührungspunkte zwischen Y, Y und Z, deren Kreise einander berühren und möglicherweise künstlerisch ineinander übergeführt werden können. Im Gegensatz zur binären Logik, die das "Wir" aus der Opposition zu einem "Ihnen" konstruiert, das Selbst dem Anderen gegenüber, zeigt die Zeichnung den Anderen schon als Teil von uns und uns als Teil von ihm. Identität und Alterität werden nicht als Nebeneinander gedacht, sondern als wechselseitige Durchdringung von Zentrum und Peripherie, oben und unten, von X und Y. Weiner sprengt damit eine grammatikalische Form und führt sie zu einer erweiterten künstlerischen Rezeption, in der "ich" und "du" zu "wir" werden.

MY WORK IS A MATERIAL (SENSUAL) REALITY THAT REQUIRES NO ADDITIONAL INFORMATION - IT IS WHAT IT IS AT THE TIME OF EACH TIME

Die für die Ausstellung neu konzipierten Wandarbeiten zeichnen sich durch große physische Präsenz und sinnlich-körperliche Gestalt aus. Sie oszillieren zwischen konkreter räumlicher Form und eröffnetem Vorstellungsraum. Denkbar wäre, dass die Linien oder Schienen die grafischen Formen von X und Y ineinander überführen, wobei nicht vom Singular ausgegangen wird, sondern von einer Menge, dem Wir. Die Schienen verhalten sich relativ. Einmal sind sie oberhalb, ein anderes Mal unterhalb. Sie können daher ebenso als "von oben nach unten verlaufend" wie als "oberhalb von etwas seiend" gelesen werden. Identität und Alterität wären damit gleichzeitig repräsentiert.

Die von Weiner ins Spiel gebrachten Relationen bleiben offen. Der Rezipient kann seine Beobachtungen und Assoziationen in die Statements hineinlegen, gleichzeitig wird er aber immer wieder auf ihre Faktizität und Autonomie verwiesen.

In dem parallel entstandenen Künstlerbuch mischt Weiner semantische und grammatikalische Symbole wie Großschreibung, eckige und runde Klammern, Zeichen, Begriffe aus Fachsprachen wie Physik und Mathematik mit Zitaten aus der Bibel ("Das Tor ist eng") und eigenen Arbeiten, Bögen, Linien und anderen grafischen Mitteln, um sein Werk so direkt wie möglich zu artikulieren. Entscheidend ist, dass die verwendeten Begriffe und Zeichen immer auch gesellschaftlich und existenziell kodiert sind. Spezifische Masse etwa kann als bestimmte Menge, "resolved mass" als entschlossene Menge interpretiert werden. Indem Weiner auf allgemein gültige Regeln statt auf Besonderheiten fokussiert, gelingt es ihm, materielle Beziehungen als Abstraktionen herzustellen.

Christine Kintisch

Pressetext

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Lawrence Weiner X Y & Z