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Leon Kossoff, 1926 in London geboren und dort als Sohn russischer Emigranten aufgewachsen, gilt als einer der bedeutendsten englischen Künstler des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit seinen fast gleichaltrigen Künstlerkollegen Francis Bacon, Lucian Freud, Frank Auerbach wird er meist zur so genannten „School of London“ gezählt, zu den Künstlern, die sich nach dem Krieg nicht der abstrakten Malerei widmeten, sondern zur Figuration zurückkehrten und so ein lange gültiges typisches Merkmal der englischen Malerei begründeten. Die in Zusammenarbeit mit dem Louisiana Museum of Modern Art konzipierte Ausstellung will jedoch nicht ein weiterer Versuch sein, Kossoffs Kunst in den Kontext der englischen Malerei nach 1945 zu stellen. Vielmehr soll seiner Malerei eine Plattform gegeben werden, sich in ihrer Einmaligkeit zu präsentieren.

Obwohl Kossoffs Werk in England in vielen Ausstellungen gezeigt und gebührend gewürdigt worden ist, ist dies auf dem Kontinent nicht der Fall. Hier konnte man ihm letztmals an der Biennale Venedig im Jahre 1995 in einer Einzelausstellung begegnen, die anschliessend nach Düsseldorf und Amsterdam reiste. Die von Anders Kold, Kurator am Louisiana Museum of Modern Art, Humlebaek (DK) und Peter Fischer, Direktor des Kunstmuseums Luzern konzipierte Ausstellung „Leon Kossoff: Ausgewählte Gemälde 1956-2000“ ist nun nicht nur die bis heute grösste und wichtigste Schau des Künstlers sowohl in Dänemark wie der Schweiz, sondern von spezieller Bedeutung, da der Künstler den Kuratoren erstmals einen Blick auf ein überwältigendes, bislang von ihm wohlbehütetes Material erlaubte und ihnen Zugang zu dieser privaten Sammlung eigener Werke gewährte. Die rund zwanzig aus diesem Bestand ausgewählten Gemälde erweisen sich, zusammen mit einem Dutzend weiterer handverlesener Bilder aus Privat- und Museumsbesitz, darunter Spitzenwerke der Tate und der British Arts Council Collection, als Zeugnisse eines Lebenswerks und einer langen, beeindruckenden und anhaltenden Karriere als Maler.

Kossoffs Interesse galt und gilt nach wie vor nur einigen wenigen, eher unspektakulären und alltäglichen Motiven aus seiner unmittelbaren Umgebung, die er seit Anbeginn seiner Karriere ohne Unterlass, ja schon fast besessen verfolgt. Dazu gehören in erster Linie Ansichten derjenigen Stadt, in der er aufwuchs und die er seitdem kaum verlassen hat: London. Dabei handelt es sich eben nicht um die Wahrzeichen der Stadt – nicht um die Tower Bridge, Nelson’s Column, Buckinham Palace ist – sondern um Bahnlinien (Willesden Junction), Baustellen (YMCA Building Site) Marktstände (The Flower and Fruit Stalls, Embankment) und den Eingang zur Untergrundbahn (Outside Kilburn Underground).

Andererseits, und ebenso eindringlich, dreht sich sein Werk um das Motiv des Menschen. Sei dies als Akt oder Porträt, die Personen, die er dabei malt, sind immer wieder dieselben, und wie bei den Stadtansichten hat er zu diesen Menschen eine enge persönliche Beziehung aufgebaut. Neben seinen Eltern und Brüdern ist eines seiner frühesten Modelle die Schriftstellerin M.N. Seedo, deren Antlitz er in mehreren Gemälden festgehalten hat. Head of Seedo lautet der lapidare Titel des Gemäldes aus dem Jahre 1959 und zeigt das Gesicht der Schriftstellerin im Dreiviertelprofil mit geschlossenen Augen. Es ist kein ebenmässiges Gesicht, die Züge sind hart, der Mund geschlossen mit leicht nach unten gezogen Mundwinkeln, das Kinn eckig. Zudem ist die Ausführung alles andere als geschliffen, sondern eher krud, steht aber stellvertretend für die Malweise aller seiner Bilder: die Farbe ist so dick und pastos aufgetragen, dass man durchaus das Gefühl bekommen könnte, es eher mit einem dreidimensionalen Objekt als mit einem flachen Bild zu tun zu haben. Diese heftige Materialität der Farbe erzeugt einerseits eine Oberflächenstruktur, die sich in permanenter Veränderung befindet, je nachdem wie das Licht auf sie fällt, andererseits verbildlicht sie das konstanten Ringen des Künstlers mit dem Gesehenen und dessen Umsetzung in eine für ihn gültige Bildhaftigkeit. Eine Beziehung zwischen der Farbe und dem, was er sieht und wahrnimmt herzustellen ist, was Leon Kossoff anstrebt. Er arbeitet so lange an einem Bild, bis er dieses Ziel erreicht hat, ist dies nicht der Fall – und das kommt oft vor – schabt er die Farbe von der Bildfläche und beginnt von Neuem. „I know that there is no arrival, there’s only starting again, drawing and re-drawing…“, schreibt Kossoff. Das einzige was er machen kann, ist weiter zu suchen, weiter zu malen. Die Gemälde, die dabei entstehen strahlen eine überwältigende Intensität und Dringlichkeit aus und sprechen von einer unprätentiösen künstlerischen Grandiosität.

Katalog: Leon Kossoff, Ausgewählte Gemälde 1956-2000, mit einem Vorwort von Poul Erik Tøjner und Peter Fischer, einem Interview mit Per Kirkeby und einem Essay von Anders Kold. Humlebaek, Louisiana Museum of Modern Art; Luzern: Kunstmuseum, 2004, gebunden, 64 Seiten, 36 Farbabbildungen, ISBN 3-267-00148-X.

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Leon Kossoff - Ausgewählte Gemälde 1956-2000