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Unter der Schirmherrschaft des Rates für Formgebung / German Design Council Ein Ausstellungsprojekt auf Initiative des Suntory Museums Osaka und des Fuchu Art Museums Tokio

LESS AND MORE DAS DESIGN ETHOS VON DIETER RAMS 22. MAI BIS 5. SEPTEMBER 2010

Mit über 500 Exponaten auf 1.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche eröffnet das Museum für Angewandte Kunst Frankfurt am 22. Mai die Ausstellung LESS AND MORE. DAS DESIGN ETHOS VON DIETER RAMS.

Dieter Rams war vier Jahrzehnte lang, von 1955 bis 1995, für das 1921 in Frankfurt gegründete Unternehmen Braun als Gestalter tätig, seit 1961 war er dort Chefdesigner und Leiter eines großen Gestaltungsteams, das neue Maßstäbe zur Produktgestaltung setzte und weltweit größte Anerkennung fand. „Braun Design“ wurde zu einer Gestaltungshaltung, die das „Projekt Moderne“ weiterentwickelte und bis heute junge Gestalter inspiriert und motiviert.

Neben seiner Tätigkeit für Braun war Dieter Rams seit 1957 auch als Möbelgestalter tätig. 1959 gründete sich das Unternehmen „Vitsoe“, das bis heute ausschließlich Entwürfe von Dieter Rams produziert. Sein vielfach ausgezeichnetes Regalssystem „606“ wird seit 50 Jahren hergestellt und bis heute weltweit höchst erfolgreich verkauft. Sein Sessel „620“ steht nicht nur im Berliner Bundeskanzleramt, sondern auch in vielen Wohnzimmern und Büros auf der ganzen Welt.

Einen wichtigen Schwerpunkt dieser Ausstellung bildet sowohl der historische als auch der gestalterische Kontext zu Dieter Rams und zeigt kursorisch die wesentlichen Positionen einer sowohl ästhetischen wie gleichzeitig funktionalen Gestaltung des 20. Jahrhunderts auf: von Peter Behrens über den Russischen Konstruktivismus und De Stijl, den Werkbund, die Stahlrohrmöbel und die großen Ausstellungen der Zwanziger Jahre bis hin zu Positionen der Nachkriegszeit. So werden auch Arbeiten der HfG Ulm, von Hans Gugelot und Peter Raacke oder von Richard Sapper gezeigt. Schließlich versucht die Ausstellung aber auch einen Ausblick auf die Gegenwart und die mögliche Zukunft der Produktgestaltung zu geben. Das Ausstellungsprojekt beleuchtet daher nicht nur umfangreich die Welt von Dieter Rams, sondern widmet sich intentional auch der Zukunft unserer Produktwelten.

Dabei werden bisher noch nicht gezeigte Modelle und Entwürfe von Dieter Rams und seinem Team vorgestellt werden, um den Entwurfsprozess und die spezifische Designmethodologie zu rekonstruieren. Und auch das Corporate Design, die Werbeund Printmedien von Braun und Vitsoe werden ausführlich Raum finden. Hier wird man auch den konkreten Künstler und Werbegrafiker Wolfgang Schmidt wieder entdecken können, der ein poetisches und gleichzeitig sachlich-funktionales Erscheinungsbild und Kommunikationsmodell für Vitsoe entwickelte.

Im Zusammenhang mit dem Thema Design stellt sich immer wieder die Frage nach dem „Weniger und Mehr“ bei der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen. Dabei geht es um mehr als um Minimalismus, Ästhetisierung oder eindimensionale Funktionalität. Dieter Rams hat Gestaltung immer umfassend gedacht und praktiziert. Seine 10 Thesen zu einem guten Design aus dem Jahr 1985 fordern sowohl Nützlichkeit, Verständlichkeit, Ehrlichkeit und Unaufdringlichkeit als auch eine hohe innovative und ästhetische Qualität, eine konsequente Detailgestaltung und nicht zuletzt Langlebigkeit und Umweltverträglichkeit. Und schließlich soll gutes Design so wenig Design wie möglich sein.

Das Design bestimmt das Bewusstsein und das Bewusstsein bestimmt das Design. Design ist auf jeden Fall mehr als nur Dekoration des Lebens und es ist auch nicht zuvorderst ein Instrument des Marketings, sondern es behandelt ganz grundsätzlich die Frage, wie wir leben können und wie wir es wollen.

In einem schier unübersehbaren Überfluss an Produkten in den reichen Ländern dieser Welt stellt sich dabei auch die Frage neu und durchaus grundsätzlich, welche Produkte wir zukünftig benötigen und wie sie dabei beschaffen sein sollten. Neben einem quantitativen Konsum könnte in der Zukunft zunehmend ein qualitativer Konsum mit Produkten eine Rolle spielen, die länger halten und einen intensiveren Zugang, letztlich auch mehr Vergnügen ermöglichen. Die amerikanische Firma Apple oder die japanische Kaufhauskette Muji scheinen das gerade vorzumachen.

Worauf sich dabei der Chefdesigner von Apple, Jonathan Ive, der britische Gestalter Jasper Morrison oder Naoto Fukasawa in Japan in fast jedem Interview immer wieder beziehen, sind das deutsche Unternehmen Braun und der Gestalter Dieter Rams, die seit Mitte der 50er Jahre eben jene zivile Haltung zu den Alltagsgegenständen entwickelt haben, die sowohl eine kalte Industrieästhetik als auch jede Form von Dekoration überwunden hatte. Die Produkte sollten ebenso gebrauchbar wie auch ästhetisch anspruchsvoll und möglichst einfach in der Handhabung sein. Gibt es also ein „gutes Design“, das nicht dogmatisch oder schematisch ist? Die Ausstellung „Less and More. Das Design Ethos von Dieter Rams“ geht dieser Fragestellung nach. Dazu wird in Frankfurt ein begleitendes Vortragsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturmuseum stattfinden, bei dem sowohl Praktiker als auch Theoretiker zu Wort kommen werden: Designer, Auftraggeber, Designjournalisten und -kritiker, Architekten, Kulturwissenschaftler und Ökonomen werden sowohl über die heutige Bedeutung einer funktionsorientierten und langlebigen Gestaltung als auch über unsere zukünftigen Produktwelten vortragen und diskutieren. Eine ausführliche Programmübersicht hierzu ist in Vorbereitung.

VITA DIETER RAMS

Dieter Rams ist der vielleicht bekannteste deutsche Industriedesigner, der in seiner mehr als 40-jährigen Tätigkeit für Braun nicht nur mehr als 500 Produkte selbst gestaltet oder direkt mitgestaltet hat, sondern auch eine Gestaltungsabteilung leitete und formte, die höchst produktiv war und das 1921 gegründete Frankfurter Unternehmen Radio Braun zu einem Weltunternehmen machte. Dieter Rams und Braun gelten dabei bis heute als typisch deutsche Gestaltungshaltung, bei der Gründlichkeit, Sachlichkeit, Klarheit und Sinnhaftigkeit eine besondere Rolle spielen. Das steht nicht wirklich gegen Pluralität, sondern die Definition einer Haltung ist ja überhaupt erst die Grundlage für plurale oder diskursive Sichtweisen. Dieter Rams hat solche Standpunkte real definiert.

Der am 20. Mai 1932 in Wiesbaden geborene und vielfach geehrte und ausgezeichnete Designer Prof. Dr. h. c. Dieter Rams war Absolvent der von dem Architekten Dr. Hans Soeder gegründeten neuartigen Wiesbadener Werkkunstschule und kam nach einer ersten Station im Architekturbüro von Otto Apel (heute ABB) im Juli 1955 als Innenarchitekt zu Braun. Dort waren die jungen Unternehmenserben Erwin und Artur Braun auf der Suche nach einer zeitgemäßen Gestaltungshaltung für Radios, Rasierapparate und Haushaltsgeräte. In diesem „Braunlabor“ der 50er Jahre, das auch von den Bauhäuslern Wilhelm Wagenfeld und Herbert Hirche sowie der jungen HfG Ulm mitgetragen wurde, erlangte Dieter Rams schnell eine führende Position und wurde 1961 zum Leiter der nun fest institutionalisierten Gestaltungsabteilung. Zu Beginn des neuen Jahrzehnts war das Design von Braun schon auf der Mailänder Triennale, auf der Weltausstellung in Brüssel und im New Yorker MoMA durch Preise und Ausstellungen zu größter Anerkennung gelangt. Und Rams` MoÅNbelentwürfe für Vitsoe wurden zur festen Größe im Wohnbereich gegenwarts-bewusster Zeitgenossen. Eine Blitzkarriere.

FAKTEN ZUR AUSSTELLUNG

Das Suntory Museum in Osaka bat vor vier Jahren den Ausstellungsleiter des Museums für Angewandte Kunst Frankfurt, Prof. Klaus Klemp, an einer großen Retrospektive über Dieter Rams als Gastkurator mitzuwirken. Die daraus in Zusammenarbeit mit der Designkuratorin des Suntory Museums, Keiko Ueki-Polet, entstandene Ausstellung wurde im Herbst 2008 erstmals in Osaka gezeigt, dann im Fuchu Art Museum Tokio und war bis zum 7. März 2010 im Design Museum London zu sehen. Bei allen drei Stationen hatte die Ausstellung dabei einen enormen Zuspruch, vor allem auch von jungen Besuchern. Der ebenfalls in Frankfurt ansässige „Rat für Formgebung“, dessen Präsident Dieter Rams von 1988 bis 1998 war und dessen einziges Ehrenmitglied er bis heute ist, hat die Schirmherrschaft über diese Ausstellungsreihe übernommen. Das Ausstellungsprojekt wurde von zahlreichen Personen und Leihgebern grosszügig unterstützt. Hauptsponsoren in Frankfurt sind der Mobilisierungsfonds des städtischen Kulturdezernats, die Braun GmbH und die Messe Frankfurt; Hauptunterstützer ist Vitsoe. Im Dezember 2009 ist bereits der umfangreiche, durch Shimada Design Osaka aufwendig gestaltete Katalog in deutscher und englischer Sprache erschienen: Keiko Ueki-Polet / Klaus Klemp (Hg.): Less and More. The Design Ethos of Dieter Rams, Die Gestalten Verlag, Berlin 2009 (808 Seiten, Kunststoffeinband im Schuber).

KURATOR
Prof. Dr. Klaus Klemp

Stationen:
15.11.2008 - 25.11.2009 Suntory Museum, Osaka
18.11.2009 - 07.05.2010 Design Museum, London
22.05.2010 - 05.09.2010 Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt
27.08.2011 - 20.02.2012 San Francisco Museum of Modern Art