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Am Ende der Sackgasse, ganz unten, dort wo die Häuser dicht zusammen stehen, wo die Straße ihren tiefsten Punkt erreicht, dort liegt ein Mann mit dem Gesicht auf dem Boden. Er liegt ganz allein, niemand ist bei ihm. Nur die Blutlache unter dem durchschossenen Körper und die Hose, die man dem Toten heruntergezogen hat, geben die Erklärung: Dies ist Sizilien.

Das Mädchen lehnt sich Halt suchend an die zerkratzte Wand. Der zu groß wirkende Fußball in ihrer Hand zeigt: Es ist ein kleines, sehr schmächtiges Mädchen. Der Blick und die tief gefurchte Stirn, in der sich dieser Ausdruck festgesetzt hat, zeigen: So sieht Elend aus.

Der Aufgebahrte hat eine Blume im Mund, die Straßen voller Prozessionen, Tote vor Häusern, in ihren Autos, in Zisternen, Trauer und Tränen, Polizisten mit gefesselten Gefangenen, improvisierte Feiern in heruntergekommener Umgebung, Waffen in den Händen auf der Straße: Das ist Sizilien.

Es ist das Sizilien, das Letizia Battaglia gesehen hat, das sie fotografiert hat. Das Land, in dem sie das Mafiagesetz des Schweigens, das Gesetz der „Omerta“, mit der Kamera gebrochen hat. Ganz klar und unausweichlich zeigt sie ein Portrait ihrer tief verletzten Heimat in vielen Bildern: heruntergekommen, unterentwickelt, voller Männerrituale, voller Gewalt und Leid und doch voller Leben. Ein Junge lutscht am Daumen, seine beiden Freunde daneben hantieren mit Waffen. Die Verbindung zu einem Bild mit weinenden Frauen auf dem Friedhof entsteht wie von selbst durch jedes einzelne der Fotos von Letizia Battaglia. Am Ende ihres Buches, in dem sie ihr Werk publizierte, steht die Vision:

A Leoluca Orlando e agli che non smettano di tentare. 1

Letizia Battaglia hat ihr Buch Leoluca Orlando gewidmet und allen, die seinen Traum der Renaissance Siziliens teilen. Zu Recht setzt sie an das Ende des Buches die Komposition Giovanni Sollimas: „Passione, Giustizia, Libertà“. Sollima komponierte das Stück 1998 für Letizia Battaglia und widmete es ihr. Der Titel ist wie ein Wegweiser der Rinascita siciliana. Es ist ein Fahrplan aus dem unbeschreiblichen und unaussprechlichen Elend, das Letizia Battaglia mit ihrer Kamera stellvertretend für die Sizilianer beschrieben hat.

Es ist dem MARTa Team eine besondere Ehre, die Fotografien Letizia Battaglias in einer Ausstellung präsentieren zu können.

1 Letizia Battaglia: Passione Giustizia Libertà. Fotografie dalla Sicilia. Milano: Motta 1999.

Pressetext

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Letizia Battaglia: Passione, Giustizia, Liberta
Fotografie dalla Sicilia