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Ausstellungseröffnung: Mittwoch, 21. Januar 2009, 18 Uhr

Nach den erfolgreichen Ausstellungen über die Fotografin Elisabeth Hase und das Foto- und Filmwerk der Künstlerin Ella Bergmann-Michel aus den 1920er bis 1940er Jahres stellt das Historische Museum erneut eine große, aber weitgehend in Vergessenheit geratene Fotokünstlerin vor. Aus Anlass ihres 100. Geburtstages 2008 und passend zum 60. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 2009 zeigt das Museum die umfassende Retrospektive der Werke Liselotte Strelows, deren Arbeitsschwerpunkt in der Nachkriegszeit liegt. Heute ist der Name der Fotografin meist nur einer älteren Generation von Betrachtern bekannt und eine Neuentdeckung wert.

Die Präsentation versammelt rund 220 originale Porträt- und Theaterfotografien aus der Zeit von 1942/43 bis 1971. Dokumente wie Bücher, Zeitschriften, Auftragsbücher und Filme aus ihrer Fernsehreihe „Sagt die Fotografie die Wahrheit?“ vervollständigen die Retrospektive. Sie wurde von Prof. Klaus Honnef, Dr. Adelheid Teuber und Dr. Tuya Roth von der Gesellschaft Photo Archiv e.V. Bonn und dem LVR-LandesMuseum Bonn konzipiert. „ ... und ich war die Teuerste in Deutschland!

Strelows Lebensweg war nicht einfach, umso bewusster gestaltete sie nach 1945 ihre Karriere als Berufsfotografin und Fotokünstlerin der jungen Bundesrepublik. Nach Ausbildung und ersten Ateliererfolgen als Fotografin im Berlin der NS-Zeit zog sie aus Pommern, wohin sie geflüchtet war, nach dem Zweiten Weltkrieg über Detmold ins Rheinland. Zielsicher wählte sie 1949 die gut klingende Atelieradresse Königsallee „Kö“ in Düsseldorf und fotografierte nun die Prominenz der deutschen Nachkriegszeit bis in die sechziger Jahre hinein. Politiker, Künstler, und Schauspieler aus dem In- und Ausland sowie die Elite des deutschen Wirtschaftswunders saßen ihr Modell. Sie schuf damit eine Galerie der prominenten Köpfe aus Kultur, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die ihrerseits auf den Bekanntheitsgrad „der Strelow“ verweisen. Der erste Bundeskanzler der neuen Republik, Konrad Adenauer, wurde ebenso von „der Strelow“ abgelichtet wie der ersteBundespräsident Theodor Heuss. Das Strelow-Porträt diente als Vorlage für die in Millionenauflage gedruckte Heuss-Briefmarke.

„Das subjektive Bild ist fesselnd, nicht das objektive! Und ich bin subjektiv.“ Für das psychologische Porträt, das Liselotte Strelow anstrebte, hieß es, „so viele von den hundert Charakterzügen, Wesenszügen eines Menschen zu sammeln wie möglich.“ In langen Studiositzungen und Gesprächen mit ihrem Gegenüber entstanden facettenreiche Einzelbilder, mit denen sie dem „Wesentlichen einer Persönlichkeit“ auf den Grund gehen wollte. Liselotte Strelow schuf konzentrierte Bildnisse unter anderem von Gottfried Benn, Thomas Mann, Ingeborg Bachmann, Alexander Mitscherlich, Jean Cocteau, Joseph Beuys, Hildegard Knef oder Marlene Dietrich. Einige Aufnahmen sind zu Ikonen der Fotogeschichte geworden.

Die Fotografin erarbeitete sich in den Nachkriegsjahren die formalen Schemata für ihre Porträts und variierte diese fortan. Dazu gehört die ungewöhnlich oft verwendete Profilansicht, die leichte Sicht von unten, die Vorliebe für Kopfbilder und Büsten, die scharfe und vitale Ausleuchtung oder die Akzentuierung der Kontur.

Charakterisierende Attribute, Andeutungen des sozialen Rangs oder der beruflichen Existenz des Dargestellten fehlen meist. Damit schuf Strelow unabhängig vom individuellen Ausdruck des Modells einen generellen Persönlichkeitstypus der Nachkriegszeit. „Das gute Theaterfoto wird immer dem Darsteller, dem Regisseur und dem Dichter gerecht.“

Der Anstoß zur Theaterfotografie kam für Liselotte Strelow bereits 1942 von der Journalistin Cornelia Herrstatt, die für das Berliner „12-Uhr-Blatt“ neue Aufnahmen suchte. Anfangs fotografierte Strelow vornehmlich Opern-, Revuestars und Schauspieler. Bald gelang ihr der Zutritt zum Berliner Staatstheater, wodurch erste Kontakte zu Gustaf Gründgens entstanden. Strelows Interesse galt der eher ungewöhnlichen Live-Aufnahme. Zwar war es technisch möglich, in den meist dunklen Szenenbildern der Bühnen ohne Blitzlicht zu fotografieren, da lichtempfindliche Filme und lichtstarke Optiken verfügbar waren. Doch das verbleibende leise Klick-Geräusch der auslösenden Kameras konnte die Konzentration der Darsteller empfindlich stören. Deshalb war Gustaf Gründgens strikt gegen Aufnahmen bei laufenden Proben. Es war üblich, im Anschluss an diese oder nach einer Aufführung prägnante Situationen für die Kamera nachzustellen.

Nach Kriegsende fuhr Liselotte Strelow per Anhalter zu den großen deutschen Bühnen, um die wichtigsten Theatervorführungen fotografisch festzuhalten. Auch wenn ihr Verhältnis zu Gründgens eher angespannt war, so ebnete er ihr mit einem Empfehlungsschreiben den Weg nach Düsseldorf. Am dortigen Schauspielhaus fotografierte sie von 1947 bis 1967 erst unter seiner Intendanz und anschließend bei seinem Nachfolger Karl-Heinz Stroux. Auch Gründgens profitierte von Liselotte Strelow, denn nicht zuletzt ihre Theaterbilder förderten seinen Ruhm und Ruf während seiner Jahre am Düsseldorfer Schauspielhaus 1947 bis 1955 nachhaltig.

Für die 1951 neu gegründeten Bayreuther Festspiele arbeitete Liselotte Strelow zunächst als Vertragsfotografin und war für die Herstellung von KostümportraÅNts der Darsteller zuständig. Als „feste Freie“ erweiterten sich ihre Möglichkeiten nach 1955, so dass ihr auch die eigene Verwertung der Aufnahmen gestattet wurde. Es entstanden Aufnahmen von Theater- und Tanzaufführungen, Regisseuren und Schauspielern wie dem aus dem Exil zurückgekehrten Fritz Kortner, von Elisabeth Flickenschildt oder Ruth Leuwerick. Die Aufnahmen zahlreicher großer deutscher Bühnen spiegeln sowohl ihr eigenes Interesse an der Theaterfotografie als auch ihren weiten Aktionsradius und ihren Bekanntheitsgrad wider.

„Sagt die Fotografie die Wahrheit?“

Neben der Porträt- und Theaterfotografie arbeitete Liselotte Strelow als Auftragsfotografin für die Werbung oder schrieb eigene Reportagen. Ihre Fachkenntnis publizierte sie unter anderem 1961 in dem Buch „Das manipulierte Menschenbildnis“, das bereits 1966 in Englisch erschien.

In ihrer zehnteiligen Filmreihe „Sagt die Fotografie die Wahrheit?“ (WDR, 1965-67) demonstrierte sie anschaulich, wie ein Bild inszeniert und manipuliert werden konnte. In der Ausstellung findet der Besucher drei Medienterminals vor, die folgende Filme der Serie anbieten: Film 1 „Gibt es das das einzig richtige Bild?“, Film 2 „ Wie kann man ein Foto beeinflussen?“ und Film 5 „Ist das Objektiv wirklich objektiv?“ Die zusätzlich wählbaren Sequenzen nehmen direkten Bezug auf die Fotografien der Ausstellung (Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Gottfried Benn, Heinrich Lübke etc.), erläutern Strelows Überlegungen zur Fotografie und ihren (auch) handwerklichen Umgang mit dieser. „Ich benutze nur zwei Lampen ... „

Für die Aufnahmen benutzte Strelow in der Regel eine Rolleiflex, mit der sie zwölf Belichtungen im Mittelformat 6 x 6 cm machen konnte. Sie bediente sich lediglich zweier Scheinwerfer, wobei es sich um ein Hauptlicht und einen Aufheller handelte. Diese Ausrüstung erwies sich auf den zahlreichen Reisen zu Kunden und Aufträgen innerhalb der Republik als sehr sinnvoll. Intensive Nachbearbeitungen der Aufnahmen wie die Wahl des Ausschnitts sowie Retuschen am Negativ, partielles Einfärben oder Abschaben, und am Positiv auf der Schichtseite des getrockneten Abzugs mit Pinsel oder Retuschiermesser gehörten in dieser Zeit zum selbstverständlichen Handwerkszeug. Sie beherrschte es meisterhaft.

Welche ästhetischen Maßstäbe musste eine fotografische Aufnahme erfüllen, um als gelungenes Strelow-Bild auch von der Autorin akzeptiert zu werden? 1977 schrieb sie: „In erster Linie interessiert mich am Porträt der Gesichtsausdruck, ich möchte, daß mein Modell tief in sich ‚eingestiegen’ ist. ... Psyche, Charakter, Anlagen, man soll bei meinen Bildern vieles wissen über einen Menschen. Nicht objektiv, subjektiv! Ich finde subjektive Porträts interessanter als objektive. Und ich bin subjektiv! So ‚übertage’ ich mich auch!“ Indem Liselotte Strelow ihre visuelle Vision auf das Bild des Modells projizierte, betrachtete sie das Bild (auch) als einen Ausdruck ihrer subjektiven Sicht. Wie ein freier Künstler begriff sie das Projekt ihres Schaffens als anschaulichen Ausdruck ihrer künstlerischen Individualität und Identität.

In langen Studiositzungen und Gesprächen mit ihrem Gegenüber entstanden facettenreiche Einzelbilder, mit denen sie dem „Wesentlichen einer Persönlichkeit“ auf den Grund gehen wollte. Die erhaltenen Kontaktbögen veranschaulichen die Vorgehensweise der Fotografin.

Eine Ausstellung in Kooperation mit dem LVR-LandesMuseum Bonn und der Gesellschaft Photo Archiv e.V. Bonn. Kuratiert von Prof. Klaus Honnef, Bonn / Dr. Adelheid Teuber, Köln / Dr. Tuya Roth, Köln Projektleitung Historisches Museum: Ulrike May

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Liselotte Strelow (1908-1981) - Retrospektive
Eine Ausstellung in Kooperation mit dem LVR-LandesMuseum Bonn und der Gesellschaft Photo Archiv e.V. Bonn.
Kuratoren: Klaus Honnef, Adelheid Teuber, Tuya Roth
Projektleitung Historisches Museum: Ulrike May