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Eröffnung: Do, 19.3.2015, 19 Uhr

Die Kunsthalle Mainz freut sich, eine Einzelausstellung mit Skulpturen, Fotografien, Zeichnungen, Modellen und Notizen Lois Weinbergers (*1947 in Tirol) anzukündigen. Lois Weinberger ist in vielfacher Hinsicht ein ungewöhnlicher Künstler. Trotz seines großen Erfolges, wie beispielsweise der Teilnahme an der documenta X und der Biennale in Venedig 2009, behauptet er seine Rolle als Außenseiter des Kunstbetriebs – als einer, der sich nicht den üblichen Rahmenbedingungen anpasst, sondern ganz eigene Wege erkundet.

Elementar für Weinbergers Arbeit ist der Blick von außen, der sich aus seinem direkten Kontakt mit Wildwuchs und Natur speist. Dies ist nicht als Flucht aus der Zivilisation zu verstehen, sondern als kritische Auseinandersetzung mit ihr. Weinbergers Arbeit ist zugleich die Erforschung der Bedeutung von Begriffen wie Natur, Kultur, Ordnung oder Chaos. Besonders deutlich wird diese Haltung anhand seiner Wild Cubes: Stahlkäfige, mit denen er nichts einsperrt, sondern die Menschheit aussperrt. Weinberger gibt der Wildnis Raum, er durchbricht die Urbanität und hinterfragt das allgegenwärtige Streben nach vollständiger Kontrolle. Der Begriff der Natur steht nicht notwendigerweise im Gegensatz zu dem der Kultur, Weinberger zeigt uns Berührungspunkte, aber auch Grenzverläufe zwischen diesen beiden Konzepten.

Auch wenn bei Weinbergers Arbeiten auf den ersten Blick konkrete Materialien und Orte im Mittelpunkt stehen, lassen die Arbeiten sich ebenso als ökologische wie auch als soziale Metaphern betrachten. Während traditionell die schöpferische Gestaltung verehrt wird, verehrt Weinberger das unkontrollierte Wachsen. Seine Arbeitsweise unterscheidet sich daher konsequenterweise von traditioneller Kunstproduktion: Er erschafft keine Bilder oder Skulpturen, sondern erzeugt Räume, die sich von selbst entwickeln können, oder stellt Dokumentationen von realen Situationen aus, die beim Betrachter grundsätzliche politische und philosophische Fragen aufwerfen können. In anderen Projekten entfernt Weinberger Teile asphaltierter Flächen und sperrt diese Gebiete ab, sodass dort Pflanzen unkontrolliert wachsen können; oder er pflanzt auf einem Bahngleis in Kassel aus Südeuropa importierte Pflanzensamen, die als Fremdkörper innerhalb der Architektur und der heimischen Pflanzenwelt als bildhaftes Gleichnis für Migration gelesen werden können.

Das Museum - und ebenso das Künstleratelier - fungiert historisch gesehen als ein geschützter Raum, in dem die Gestaltung der Welt aus sicherer Distanz verhandelt werden kann. Weinbergers Werk folgt jedoch anderen Regeln: Er begibt sich unmittelbar in die Außenwelt und bringt das Unkontrollierte in die Ausstellung, um der übertriebenen Durchgestaltung der Welt entgegenzutreten. Der allgemeinen Angst vor Kontrollverlust hält er eindrucksvoll die Vielfalt und die Freiheit des Wildwuchses entgegen.

Wenn Künstler sich mit Natur beschäftigen, entspricht ihr Vorgehen häufig dem von Gärtnern, welche nur das Aussehen von Gärten gestalten wollen. Weinberger hingegen begreift, dass sich der eigentliche Garten im Boden befindet. Er wendet sich von der alten Vorstellung des hortus conclusus (dem geschlossenen Garten) ab, bei der die Kontrolle des natürlichen Wachstums im Mittelpunkt steht. Stattdessen sucht er Industriebrachen, in denen ganz andere Pflanzen gedeihen können als im gehegten Vorgarten. Den eigentlichen, anderen Garten findet Weinberger in der Erde und im Wachsen selbst. Seine Werke zeigen uns, dass wir das Wesentliche, den eigentlichen Reichtum, verpassen, wenn wir nur Blüten, Nutz- und Zierpflanzen beachten – auch im metaphorischen Sinne.