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Die Baukunst Galerie eröffnet am Mittwoch, den 30. Juni 2010 von 19.00 bis 22.00 Uhr die große Soloschau „Männer“ (Beyond) mit Fotografien von Loredana Nemes. Gabriele Conrath-Scholl, Leiterin der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur, wird eine Einführung in das Werk der gebürtigen Rumänin geben. Ihr Œuvre präsentierte die Galerie erstmals 2009 zusammen mit Fotografien von Henri Cartier-Bresson und Sibylle Bergemann in der Gruppenausstellung „Report“. Außerdem wurden ihre Werke im Frühjahr diesen Jahres im Rahmen des Förderprogramms „New Positions“ auf der Art Cologne gezeigt. Die aktuelle Einzelschau stellt die beiden fotografischen Serien „Berliner Männerwelten“ und „Über Liebe“ gegenüber, die sich mit Formen der Selbstinszenierung, Liebesvorstellung und Weltanschauung von Männern auseinandersetzen. In ihren Silbergelatineabzügen auf Barytpapier beleuchtet Loredana Nemes die Welt des anderen Geschlechts anhand von Aufnahmen der islamischen Männercafés in ihrer Wahlheimat Berlin sowie durch Bild-, Text- und Tondokumentationen ihrer Begegnungen im Hochzeitskleid mit männlichen Passanten auf ihren Reisen durch Europa und die USA.

Loredana Nemes wurde 1972 in Sibiu, Rumänien geboren, floh 1986 nach Deutschland und lebt und arbeitet heute in Berlin. In dieser Entwurzelung und dem anschließenden Bemühen um Zugehörigkeit sieht die Autodidaktin ihre anonyme Annäherung an Menschen mit ihrer Kamera begründet. So fand sie in ihrer ersten Serie „Rumänische Gesichter“ (2001-2007) den Zugang zu der Heimat ihrer Kindheit und porträtierte in „Behind the Curtain“ (2001-2003) die Individualität und Empfindungen der Menschen hinter der Kulisse der Zauberwelt des Zirkus Roncalli. In den Porträts von U-Bahn-Fahrgästen in ihrer Serie „Under Ground“ (2005-2006) gelang es ihr, jene besonderen Momente der Selbstvergessenheit und Intimität der Passagiere in den Minuten des Transits einzufangen. Mit dieser Serie, die unter anderem im Museum für Kommunikation in Berlin sowie in München, Hamburg und Sibiu ausgestellt wurde, erlangte Loredana Nemes große Aufmerksamkeit, die zu Rezensionen in der FAZ, der Zeit, dem Kunstmagazin ART, dem SWR und der ARD führte. Sie erhielt daraufhin Lehraufträge an der Zeppelin Universität, Friedrichshafen und der Kunsthochschule Weißensee in Berlin.

Wie ihre erklärten Vorbilder – die Pioniere der Reportage- und Streetfotografie Henri Cartier-Bresson, Ansel Adams und Elliott Erwitt – entfaltet Loredana Nemes die Kraft ihrer präzise komponierten Schwarz-Weiß-Fotografien mit dokumentarischem Ethos und emotionaler Hinwendung zum Sujet. So hält die Künstlerin mit ihrer Linhof Plattenkamera in der Serie „Berliner Männerwelten“ (seit 2008) die architektonische Außenansicht der türkischen, orientalischen und arabischen Männercafés in den Berliner Bezirken Neukölln, Kreuzberg und Wedding fest, zu denen ihr der Zutritt als Frau und kulturell nicht Zugehörige verwehrt bleibt. Darüber hinaus bittet sie die männlichen Besucher der Cafés, sich hinter den für diese Institutionen charakteristischen Sichtschutzvorrichtungen aus Milchglas und Vorhängen porträtieren zu lassen. Auf diese Weise visualisiert sie die Geschlechtertrennung zwischen Mann und Frau, die der westeuropäischen Kultur kaum noch vertraut ist und doch zum alltäglichen Nebeneinander in vielen multikulturell geprägten Großstädten gehört. Dabei konterkariert die hohe Wiedergabegenauigkeit der Details durch die Großformatkamera das Spiel mit unserer Neugierde auf das Unbekannte. Gleichzeitig übertragen die Strukturen der Sichtschutzvorrichtungen die islamische Verschleierung der Frau auf das männliche Geschlecht und spielen auf unsere damit verbundenen Denkmuster an.

Dem gegenübergestellt wird die 2006 begonnene Serie „Über Liebe“, in der sich die Künstlerin – inspiriert von dem Werk der Künstlerin Sophie Calle – erstmals selbst in ihre Bilder miteinbezieht. Auf ihren Reisen nach Sibiu (RO), Washington, Madrid, Oslo, Berlin, Chania (GR) und Gent (B) sucht sie auf der Straße nach einem Ort mit guten Lichtbedingungen, installiert eine Stoffbahn, baut ihre Kamera auf einem Stativ auf, schlüpft in ihr Hochzeitskleid und wartet mit dem Auslöser in der Hand auf männliche Passanten, die ihr Interesse wecken. Ihr Gespräch eröffnet sie immer mit derselben Frage: „Liebst Du eine Frau?“. Die Antwort des Unbekannten nimmt sie mit einem Diktiergerät auf und bittet ihn dann um ein gemeinsames Porträt, auf dem er sich selbst mit ihr als Platzhalter für die von ihm geliebte Frau inszeniert. Jedem Mann gewährt sie drei Versuche und wählt einen davon aus. Das Porträt und den zu Hause transkribierten Text präsentiert sie gleichwertig nebeneinander als 30 x 20 cm große Silbergelatineabzüge, die von der originalen Tonaufnahme der Stellungnahme des Porträtierten begleitet werden. Die Künstlerin, deren eigene Hochzeit nie stattgefunden hat, will sich in dieser Serie dem Mysterium der erfüllenden oder scheiternden Liebe nähern. In ihrem Kleid, das in fast allen Kulturen positiv besetzte Gefühle auslöst, setzt sie sich den Fremden aus und wird ernst genommen. Die Stellungnahme der Männer in deren Muttersprache, die sie manchmal nur über die nonverbale Kommunikation ihrer Gestik und Mimik versteht, empfindet sie als persönliches Geschenk, das sie intuitiv in ihrer eigenen Körpersprache spiegelt. Auf diese Weise legt ihre Arbeit ein intimes Zeugnis ab – über die Begierden, Sehnsüchte und Verletzlichkeit liebender Männer und nicht zuletzt auch über die Künstlerin selbst.

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Loredana Nemes
Beyond