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Ein deutscher Kommunist schrieb vor einem halben Jahrhundert auf die Leinwand: «Hört auf zu malen!». Er hörte aber zum Glück nicht einmal selbst auf sich. Sein Sprechbild verhallte nicht im Leeren, es wurde zum geflügelten Wort einer sich nicht erfüllenden Prophezeiung. Das ungebrochene Leben der Malerei ärgert bis heute jene, die ihr Marktnähe und Rückständigkeit vorwerfen. Aber tritt sie auf der Stelle? Nein, Künstler*innen lassen nicht locker, sie begegnen ihrer aufgeladenen Geschichte und ihrem ambivalenten Ruf immer wieder neu und erweitern die Möglichkeiten dessen, was Malerei sein könnte. Vorbei war es schon vor hundert Jahren und ging doch weiter. Das Urteil des Schach spielenden Künstlers, der über Malerei sagte, sie wäre bloss auf die Netzhaut bezogen, und der in Konsequenz das Ready-made behauptete, führte dazu, dass Künstler*innen auch Kapitel der Konzeptkunst in ihr Denken der Malerei übertrugen. Bald hörte man aber auch auf damit, das Weiterdenken der Kunst als eine lineare Bewegung in eine Richtung zu betrachten. Die zeitgenössische Kunst, die an die Stelle der modernen Kunst trat, folgte auch nicht mehr allgemeingültigen Regeln, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als gültig erklärt wurden, nur um bald durch andere abgelöst zu werden. Mittlerweile werden die Regeln auf dreißig Spielfeldern gleichzeitig verhandelt. Das macht es für Malende umso anspruchsvoller, bietet aber auch Freiheiten in der Vielfalt. Die Fülle der Möglichkeiten ist nicht mit der Maxime Alles geht zu verwechseln. Nicht alles geht. Auch wenn derzeit an manchen Kunsthochschulen wieder gemalt wird, als hätte es keine Vergangenheit gegeben, spüren doch die meisten das Gepäck, spätestens wenn sie den akademischen Schutzraum verlassen haben. Die Geschichte bleibt Bezugsfeld, zu der sie eine Haltung entwickeln und dem Vergleich mit all dem, was schon gemacht wurde, standhalten müssen. Und doch, mag es auch so scheinen, als sei jeder Strich schon einmal von einem Pinsel gezogen worden, wird immer wieder ein Bild gemalt, das noch nie gesehen wurde. Wo alles zugestrichen wurde, findet sich in den Zwischenräumen plötzlich wieder eine weitere Drehung, ohne welche die Geschichte unvollständig geblieben wäre.

Die in Lose Enden versammelten Künstler*innen schreiben Linien der Malereigeschichte fort, ohne sich unbedingt als Maler*innen zu verstehen. Ihre Unterscheidungen drücken sich weniger in Gesten des Zögerns und der Skepsis aus, wie es vorhergehende Generationen zu ihrem Bewegungsrahmen erklärten. Manche schöpfen aus dem Vollen, in klarem Bewusstsein der substantiellen Konventionen, in die sie sich hineinbegeben. Sie teilen ein Selbstbewusstsein angesichts des unausweichlichen Hinzufügens zu einem unüberschaubaren System von Bildern, Erzählungen und Ideen. Etwas hat sich verändert. Noch vor zehn Jahren wurde Malerei unter dem Aspekt ihrer Abbildungsfähigkeit sozialer und ökonomischer Kreisläufe diskutiert – das Netzwerk löste die Referenz ab. Die Bezüge, die sich in Lose Enden untergründig abzeichnen, scheinen sich nicht auf spezifische Netzwerke ein- und von anderen abzugrenzen. Die Vorstellungen derartiger, sehr durch die Metaphern des Digitalen gedachten Komplizenschaften haben sich abgeflacht. Die Bezugnahmen werden jetzt wieder vereinzelter gedacht, mehr so als würde man einander aus gläsernen Ateliers beim Tun zusehen, ohne in wirklichen Austausch miteinander zu treten.