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Die Galerie SEPTEMBER präsentiert die Ausstellung WALK IN SILENCE von Lovett/Codagnone

In ihren Videoarbeiten, Performances und Fotoprojekten kombinieren die New Yorker Künstler John Lovett und Alessandro Codagnone Elemente schwuler SM-Subkultur mit literarischen, filmischen und diskursiven Zitaten, die um die latent gewalttätige Dynamik von Begehren, Herrschaft, Unterwerfung und Widerstand kreisen. Wichtige theoretische und ästhetische Einflüsse bilden hierbei Fassbinders Anti-Theater, Antonin Artauds „Theater der Grausamkeit“ und das Werk Pier Paolo Pasolinis. Wie die Einzelausstellung Interruption of a Course of Action, die gerade im New Yorker P.S.1 zu sehen war, reflektiert auch ihr jüngstes Ausstellungsprojekt WALK IN SILENCE bei SEPTEMBER die aktuelle politische Situation in den USA und greift Themen wie soziale Vereinzelung, Orientierungslosigkeit und Ohnmacht auf.

Im Zentrum von WALK IN SILENCE steht die 2007 entstandene Videoinstallation Because My Body Can Never Be Touched: Ein Schauspieler streift durch die menschenleeren, nächtlichen Straßen der New Yorker East Side und führt eine Performance ohne Zuhörer auf. In klirrender Kälte rezitiert er durch ein Megaphon das Kapitel La recherche de la fécalité (Das Streben nach Fäkalität) aus Artauds Radiostück Pour en finir avec le jugement de dieu (Schluss mit dem Gottesgericht), das 1947 für den französischen Rundfunk entstand. Die Blockade der Stimme, der Artikulation und des Gehört-Werdens spielten in Artauds Denken eine grundlegende Rolle. Für ihn wurde die eigene Unterdrückung durch einen stummen Schrei sichtbar und in gewisser Weise gerade erst durch die Stille hörbar. Es ging dabei weniger um Worte als um Geräusche, die den Zuschauer schmerzhaft berühren sollten. Artauds Idee eines Theaters des Mangels und der Krise findet in Lovett/Codagnones Videoinstallation eine zeitgemäße Entsprechung. Die Lower East Side ist ein Paradebeispiel für die voranschreitende Gentrifizierung Manhattans. Die Kamera folgt dem einsamen Akteur, der durch ein kommerzialisiertes, gesäubertes Quartier wandert, in dem autonome Freiräume fast verschwunden sind, in dem es keine Resonanz mehr gibt. Dass er seinen ungehörten Protest nur noch in Zitaten hinausschreien kann, wirkt wie ein symbolischer Abgesang auf verdrängte Subkulturen. Zugleich liegt diesem „Re-Enactment“ ein authentisches, aktuelles Lebensgefühl zugrunde. Artauds fäkaler Lobgesang auf die „schmutzige“ Körperlichkeit wendet sich offensiv gegen die Unterdrückung von Aggressionen und Wünschen, die angesichts zunehmender ökonomischer und politischer Kontrolle nicht mehr öffentlich artikuliert werden können.

Die „unterdrückte Stimme“ bildet ein ambivalentes Leitmotiv von WALK IN SILENCE. So ist die Skulptur To Breathe In Always Even Though It Kills (2006), für die Lovett/Codagnone zwei Megaphone frontal gegeneinander richten, als Sinnbild für eine blockierte oder gestörte Verständigung lesbar: Rede erstickt Gegenrede. Gleichzeitig ist der Fetischcharakter der schwarz lackierten, mit Lederriemen versehenen Arbeit unübersehbar. Auch die nachtdunkle, monochrome US-Flagge oder die schwarzen, Licht absorbierenden Spiegel, auf denen Lovett/Codagnone Textfragmente reflektieren lassen, verweigern sich üblichen Kommunikationsmodellen und Deutungen. Sie funktionieren wie das Alphabet einer negativen visuellen Sprache, die von subversiver, autistischer Energie getrieben ist: der Lust am eigenen Niedergang.

John Lovett, geboren 1962 und Alessandro Codagnone, geboren 1967, arbeiten seit 1995 zusammen. Ihre Ausstellungen und Performances waren in zahlreichen internationalen Institutionen und Galerien zu sehen, unter anderem: ICA, Boston; Museo Nazionale del Cinema, Turin, 2007; Participant Inc, New York, 2007; Museum Ludwig, Köln, 2006; Galleria Emi Fontana, Mailand, 2006, 2001 und 1997; Artists Space, New York, 2005; De Appel Centre For Contemporary Art, Amsterdam, 2005; Performa 05, Performance-Biennale, 2005; Platform Garanti Contemporary Art Center, Istanbul, 2004; Neue Gesellschaft fur Bildende Kunst, Berlin, 2003; TRANS>Area, New York, 2003; Palais de Tokyo, Paris, 2002; Latvian Centre for Contemporary Art (LCCA), Riga, Lettland, 2001; Centre D’art Contemporain de Basse-Normandie, France, 2001; Galerie Praz Delavallade, Paris, 2001; Brent Sikkema, New York, 2001; Thread Waxing Space, New York, 2000; Centro D’arte Contemporanea Ticino, 1999/2001; Musée des Beaux Arts, Nantes, 1998; Centro Atlantico de Arte Moderno, Las Palmas, 1998. Lovett/Codagnone werden von Galleria Emi Fontana, Mailand und West of Rome, Los Angeles repräsentiert. Bei Charta erschien 2006 eine Monographie zu Lovett/Codagnone.

Das weitere Ausstellungsprogramm von SEPTEMBER sowie ausführliche Informationen zu den Künstlern entnehmen Sie bitte unserer Website www.september-berlin.com. Gerne können Sie uns per Mail office@september-berlin.com oder telefonisch unter +49-30-25930684 kontaktieren.

SEPTEMBER Charlottenstraße 1, 10969 Berlin

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Lovett/Codagnone (John Lovett / Alessandro Codagnone)
WALK IN SILENCE