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Ab 2009 präsentiert das Belvedere die neue Ausstellungsserie Meisterwerke im Fokus: Jeweils im Frühjahr und Herbst demonstrieren Sonderpräsentationen ausgewählter Werke der Sammlung die hohe Qualität der Bestände – etwa der internationalen Klassischen Moderne, der deutschen Romantik oder des französischen Impressionismus. Gezeigt werden sowohl Retrospektiven einzelner Künstler als auch Schlüsselwerke wichtiger stilistischer Entwicklungen von der Gotik bis in die Gegenwart. Begleitende Publikationen belegen den neuesten Stand der wissenschaftlichen Aufarbeitung.

Den Anfang dieser Ausstellungsserie macht eine Schau mit zwölf Gemälden und zwei Grafiken von Lovis Corinth. Der aus Ostpreußen stammende und in München ausgebildete Maler avancierte nach 1900 innerhalb kürzester Zeit neben Max Liebermann zu einem der gefragtesten Künstler der Berliner Secession. Das Belvedere besitzt Werke aus allen entscheidenden künstlerischen Phasen, die einen eindrucksvollen Überblick über das Schaffen Corinths bieten. Seine Bilder faszinieren durch die expressive Leidenschaftlichkeit seiner Malerei ebenso wie durch die meisterhafte Beherrschung künstlerischer Techniken.

Die Ausstellung ist in einem eigenen Bereich innerhalb der Sammlung zu sehen, in welchen ein ovaler Raum integriert wurde. Die elegante Ausstellungsarchitektur wurde konzipiert von Johannes Melbinger, der bereits für das Ägyptische Museum in Kairo und das British Museum in London tätig war, und schafft in ihrer streng geometrischen Form eine konzentrierte Atmosphäre für die Rezeption der Werke. An der Außenwand des Ovals wird ein vierminütiger Stummfilm von 1922 gezeigt, worin Lovis Corinth bei der Arbeit an einem Werk zu sehen ist.

Die Frage nach der Wirklichkeit Corinths Leben und Werk spiegelt all die Ansprüche, aber auch Brüche und Widersprüche deutscher Kunst und Kultur des ausgehenden Kaiserreichs und der angehenden Weimarer Republik wider: Er war ein gewiefter Marktstratege, der sich der Mechanismen des Kulturbetriebs geschickt zu bedienen wusste. Zudem erwies er sich als wichtige kulturpolitische Erscheinung, trat viele Jahre im Vorstand der Berliner Secession als Unterstützer der Moderne auf und förderte damit die Internationalität der Kunststadt Berlin. Sein Lebenswandel war durchaus bürgerlich – er war schließlich so erfolgreich, dass er sich in dem Wohnhaus in der Berliner Klopstockstraße mit Atelier und Wohnung auf drei Etagen ausdehnen und bis zu sechs Angestellte beschäftigen konnte.

Aber Corinth war immer und zuallererst Maler, dem es immer um solide Faktur, um aus der Logik guter Technik erarbeitete Malerei ging und nicht um vordergründige Effekte oder einen alles erdrückenden ideologischen Überbau. So lässt sich Corinth nicht einordnen – weder als Salonmaler, noch als Impressionist oder Expressionist.

In seinen späten Arbeiten wie den Bildern vom Walchensee oder den Blumenstillleben malte sich Corinth schließlich frei vom Figürlichen, ohne dass er es als Grundlage seiner Bilder aufgegeben hätte. Er vollzog damit in der inneren Konsequenz seiner eigenen malerischen Entwicklung den Schritt mitteleuropäischer Malerei in die klassische Moderne.

Was Corinth so modern macht, ist seine bohrende Frage nach der Wirklichkeit. Er fand seinen künstlerischen Zugang über die materielle Welt, über das Sichtbare. Nach und nach konnten sich dabei die Bildmittel zunehmend verselbstständigen, bis sie schließlich eine große Unabhängigkeit vom Naturvorbild besaßen. Gerade dieser neue, freie Stil Corinths wird oft mit den Folgen eines oder mehrerer Schlaganfälle in Verbindung gebracht, auch wenn die Ursachen zweifellos vielschichtiger sind.

Diese Fragen – das Malerische, die Faktur, die technische Brillanz auf der einen Seite und das Handicap durch die Schlaganfallfolgen und das Zittern der rechten Hand als mögliche Auslöser eines Stilwandels auf der anderen Seite – sind der Fokus dieser Ausstellung und des sie begleitenden Kataloges. Der Aspekt der Schlaganfallfolgen wird auch aus medizinischer Sicht thematisiert.

ZUM FILM In den 1920er Jahren begann der Dokumentar- und Kulturfilmer Hans Cürlis mit seinem Lebensprojekt, zahlreiche Künstler in Berlin bei ihrer Arbeit im Atelier aufzunehmen. Die Filmsammlung Schaffende Hände (1922) ist heute nur noch mit Aufnahmen von Lovis Corinth (1858-1925), Max Liebermann (1847-1935) und Max Slevogt (1868-1932) überliefert. Zu der Aufnahme mit Lovis Corinth sagte Cürlis später: „Der Film war zur Zeit der Aufnahmen noch kein dokumentarisches ‚Lockmittel‘. Er war kleinster Leute Vergnügen: Kulturell Gehobene standen ihm noch völlig fern und hielten entsprechenden Abstand. Leicht war es also nicht, Corinth zu überreden, zumal ja kein Beispiel ähnlicher Art vorlag. Schließlich sage er Ja.“

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Lovis Corinth
Oberes Belvedere

Kurator: Stephan Koja