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30. Okt. 2022 - 29. Jan. 2023

Lucila Pacheco Dehne.
To All My Roaring Bodies, The Seeds And The Mountains

„Widerstand kann bedeuten, sich an Rezepte und Zutaten zu erinnern, die durch Gewalt genommen wurden, und gleichzeitig, Traditionen zu brechen und diese neu zu schreiben.“
Lucila Pacheco Dehne, 2022

Mit der Einzelausstellung To All My Roaring Bodies, The Seeds And The Mountains von Lucila Pacheco Dehne initiiert die Kestner Gesellschaft einen neuen Zyklus in ihrem Ausstellungsprogramm, der unter dem Titel Future Scenarios die aktuellen Kunstproduktionen der jüngeren, aufstrebenden Künstlerinnen und Künstler, den „neuen Zeitgenossen“ der lokalen Szene, präsentiert. Die Future Scenarios sind ein nomadisches und parasitäres Format ephemeren Charakters, das auf die Architektur der Kestner Gesellschaft reagiert und eine Strategie der unerwarteten Erscheinung und des Aufbrechens als Operationsmodus verfolgt.

Pacheco Dehne erschafft in der Kestner Gesellschaft eine unwirkliche und zugleich surrealistische Szene, in der sich die Gewissheiten der bekannten Welt verrücken. To All My Roaring Bodies, The Seeds And The Mountains besetzt erstmals den Zwischenraum auf dem Weg zur Küche. Sie befragt den Ort nach seiner verlorenen Bedeutung und untersucht das Potenzial des Kochens als Kulturpraxis, die in ihrem Innersten eine widerständige Kraft verbirgt. Pacheco Dehne eröffnet einen Dialog darüber, wie das gemeinsame Kochen und Essen neue Identitäten entstehen lässt, sich feministische Wut die Kulturtechnik zunutze macht und die Küche als Widerstandszelle ihre Kraft in die Welt verteilt.

Für den Übergangsort hat Pacheco Dehne eine Reihe neuer Skulpturen und Keramiken geschaffen, die sie auf zurückgelassenen Servierwagen im Kontext bereits existierender Werke präsentiert. Konfrontiert mit Pacheco Dehne Wandtext A Soup (2022), einem poetischen Rezept, das von Wut und Hunger berichtet, erstreckt sich auf der gegenüberliegenden Seite ein wellenförmiger Vorhang. Zwischen dem Stoff wurden silberne Pflanzensamen mit Milchfäden angebunden. Über dem Teppich, der den Raum fragmentiert und in eine beige-violette Farbfläche spaltet, stehen auf einem Vorsprung mehrere mit Salz befüllte Keramiktöpfe. Die Soundarbeit Canción Sin Fin (2022) schafft die Geräuschkulisse einer Improvisation des Cacerolazos, eine Praxis aus Südamerika, bei der auf Demonstrationen und Protesten mit Löffeln auf Töpfe geschlagen wird.

In ihrer Ausstellung konstruiert Pacheco Dehne ein zukünftiges Szenario, bei dem das Kochen ein bedeutender Augenblick in unserem gemeinsamen Handeln wird, der es ermöglicht, über die Erfahrung von kultureller wie persönlicher Identität zu reflektieren und diese neu zu definieren. Pacheco Dehne aktiviert die Küche der Kestner Gesellschaft erstmals in ihrer Geschichte für den Austausch über sinnliche und zugleich wütende Gedanken zum Essen, die sie bei den Food-Performances Parangaricutirimicuaro – Of Women Preparing The Resistance (2022) zur Eröffnung und Frijoles Resistentes (2023) im Januar 2023 im gemeinsamen Erfahrungsaustausch mit den Besucher*innen vertieft.

Lucila Pacheco Dehne (*1994 in Berlin) arbeitet und lebt in Hannover. Sie studierte von 2015 bis 2021 Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und 2019 an der Hochschule der Bildenden Künste in Athen. Aktuell betreibt sie ihr Studio in Hannover.