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Eröffnung: Freitag, 31.10.2008, 19.00 – 21.00 Uhr

Wir freuen uns, Sie zu „THE THING“, Luis Jacobs erster Einzelausstellung bei SEPTEMBER, begrüßen zu können. Das Werk des kanadischen Künstlers ist geprägt von den Utopien der Moderne und den emanzipatorischen Ideen der Bürgerrechts-, Frauen- und Schwulenbewegungen. Zu Jacobs Verständnis der Rolle des Künstlers gehört auch, dass man sein Leben öffentlich macht, es in etwas transformiert, das mit anderen geteilt werden kann und sich für die Meinungen und Einflüsse anderer öffnet. Hierbei arbeitet er mit den unterschiedlichsten Medien wie Video, Fotografie, Tanz, Performance oder Aktionen im öffentlichen Raum und tritt als Autor, Dozent, Kurator und Aktivist auf.

In seinem Film „A Dance for Those of Us Whose Hearts Have Turned to Ice“ (2007), mit dem er auf der documenta 12 vertreten war, reanimierte er nicht nur die Skulpturen der britischen Künstlerin Barbara Hepworth und die Modern Dance-Choreographien der Kanadierin Françoise Sullivan, sondern belebte auch die ihnen innewohnende optimistische Idee einer universellen Heilung durch Kunst. Für Jacob ist die Sensibilisierung für soziale und politische Belange untrennbar mit der Herausbildung eines ästhetischen Bewusstseins verbunden. So stellen etwa seine „Habitat“-Environments, die in diesem Frühjahr im Hamburger Kunstverein zu sehen waren, die kategorischen Grenzen zwischen bildender Kunst und avantgardistischem Einrichtungs-Design subversiv in Frage. Zugleich dienen die von Jacob mit modernistischem Mobiliar und Videomonitoren ausgestatteten Installationen als ganz reale Begegnungsräume im musealen Kontext, die zu reflektiertem Handeln und Denken auffordern.

Im Zentrum von Luis Jacobs aktueller Ausstellung „THE THING“ steht die Videoinstallation „Towards a Theory of Impressionist and Expressionist Spectatorship“ (2006), in der drei Heranwachsende in Torontos Art Gallery of Ontario den Skulpturen des Bildhauers Henry Moore begegnen. Während die Kinder in einer Art Tanz die Haltungen der Skulpturen nachahmen und ihre Körper zu „lebenden“ Skulpturen werden, fordert Jacobs Video ein ganzheitliches Verständnis der Kunst. An die Stelle der Polaritäten zwischen verinnerlichter Betrachtung und expressivem Ausdruck tritt so das Konzept der Teilhabe. Die „Kunstobjekte“ werden erst durch den Betrachter zum Leben erweckt und dienen dazu, sowohl unsere kontemplativen als auch performativen Fähigkeiten zu entwickeln.

Immer wieder kreist Jacobs Werk um die Performance-Aspekte von Geschlechtlichkeit und Körperlichkeit, um Maskierungen, Hüllen, Haut und Behausung. Diese Themen greift auch seine großformatige fotografische Serie „The Viscous Ones“ (2007) auf. Hier zeigt er in transparente Stoffe verhüllte menschliche Figuren, die sich in einem hybriden Zustand zwischen Körperlichkeit und Dinglichkeit befinden. Jacobs Fotos beschwören ein Arsenal kultureller Vorbilder: die Choreografien Martha Grahams, die Puppenfotografien Hans Bellmers, die verzerrten Aktfotos von Andre Kertesz, Auftritte des legendären Performers Leigh Bowery oder die Entwürfe des jungen deutschen Designers Bernhard Wilhelm. Der Körper ist bei Luis Jacob ein kultureller Organismus, der aus der Form gerät, aus der Rolle fällt und mit Begrenzungen und Isolation konfrontiert wird. So auch die Mitglieder eines FKK-Clubs, die auf der Fotoserie „The Inhabitants“ (2007) die Installationen des Künstlers bevölkern, oder die in metallisch glänzendes Spandex gezwängte Figur, die auf der Titel gebenden Arbeit „The Thing“ (2008) auf einer billigen Matratze kauert. Das Wesen ist ein glamouröses, fetischisiertes Ding, das paradoxerweise beides bezeichnen könnte: menschlichen Niedergang und utopischen Aufbruch.