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Parallel zur Ausstellung von Gerwald Rockenschaub zeigt der in Berlin lebende Markus Sixay (Jahrgang 1974) im Projektraum und im Foyer der Kunsthalle Nürnberg neue Arbeiten, die das Vertraute plötzlich fremd und das Alltägliche fragwürdig und rätselhaft erscheinen lassen. Markus Sixay greift häufig bereits vorhandene alltägliche Objekte, Abläufe oder Struk-turen auf und überführt sie in den Kunstkontext, wo sich das Profane dann unerwartet und doch ganz selbstverständlich mit kunstgeschichtlichen Bezügen auflädt und zur Reflexion anregt.

Den Kunstkontext für die auf dem großen Monitor blinkende siebenstellige Zahl liefert die Kunsthalle Nürnberg selbst mit ihrem Auftrag, zeitgenös-sische künstlerische Positionen in wechselnden Ausstellungen zu zeigen. Mit der digitalen Arbeit number of seconds until the show is over reflektiert Markus Sixay selbstironisch die Rolle des Künstlers im Kontext der institutionellen Ausstellungspolitik und überführt zugleich ein Phänomen aus dem (sportlichen) Alltag in den Kunstkontext: Die Zeit läuft rückwärts, und markiert dadurch für die Öffentlichkeit die kürzer werdende Zeitspanne bis ein ersehntes Ziel endlich erreicht ist (z.B. der Beginn der Vorrundenspiele zur Fußball-WM 2006 in Nürnberg). Im Bereich der Kunst ist der Beginn einer Ausstellung gleichzeitig der Countdown für das Ende der Laufzeit. Hier bringt die zerrinnende Zeit keinen Höhepunkt näher, sondern hier ist die Ausstellung selbst bereits das Ereignis, dessen Ende mit der fortschreitenden Zeit jede Sekunde näher rückt.

Das Ende noch um fünf Minuten zu beschleunigen, ist nicht unbedingt das Ziel der Häschen-Uhr über der Kaffeebar, doch spielt die Zeitverschiebung auf die Erwartung an, dass die Avantgarde ihrer Zeit stets voraus zu sein hat: five minutes fast heißt das Stück deshalb folgerichtig. Indem Markus Sixay hier den netten Kitsch (der gerne als Hommage an Albrecht Dürer verstanden werden darf) in die Kunst einschleust, wiederholt er zugleich respektlos die Kontextverschiebung, die Marcel Duchamps’ Urinoir und den Flaschentrockner auf dem Sockel weltberühmt gemacht haben. Doch die lustvoll ironische Wiederholung allein genügt nicht, heute muss man als junger Künstler auch einfach schneller sein.

So schnell vielleicht wie mit der subtilen Wandmalerei diamonddust-paintbomb. Ohne die im Museum übliche Beschriftung würde man auf der großen Wand die subtilen Spuren von Markus Sixays Aktion wohl übersehen. Vergleichbar einer Performance ohne Publikum, wurde hier mit einer einzigen schnellen Handlung die Farbe – mit Verdünner verflüssigter Diamantenstaub - auf die Wand geworfen. Spritzer der ‚Diamantstaubfarb-bombe’ finden sich auch auf dem großen Fenster links. Die an eine aggressive Handlung gebundene, fast unsichtbare Malerei verbindet die konzentrierte Geste des Informel mit dem Bild des profanen Besudelns von Wänden, die Relikte einer kurzen performativen Fluxus-Aktion mit radikalen konzeptuellen Arbeiten von Robert Barry von 1968/69, wie etwa die Freilassung unsichtbarer Edelgase in die Landschaft oder die Arbeiten mit Radiowellen, bei denen nur die Schildchen auf der Wand zu sehen waren.

Einen starken Kontrast zu der subtil-eleganten Diamantstaub-Arbeit bildet der große Haufen Papiermüll im Projektraum. Markus Sixays Konzept für die Arbeit useless information (nutzlose Information) sieht hier denselben Zeitrahmen vor wie für number of seconds until the show is over, aber die Menge des Materials wird bis zum Ende der Ausstellung am 25. September zunehmen anstatt abnehmen. Sixay greift mit dem Thema der Mülltrennung hier eine bereits vorhandene Struktur im Alltag der Kunsthallen-Belegschaft auf. Das Sammeln des während der gesamten Zeit der Ausstellung im Haus anfallenden Papierabfalls wird durch die Verlagerung in den schaufensterähnlichen Raum zu einem öffentlich sichtbaren und kontrollierbaren Prozess, an dem das ganze Team beteiligt ist. Dabei geht es nicht nur um das Sammeln des Altpapiers, sondern auch um ein täglich gefordertes Bewusstsein dafür, was zunächst geschreddert werden muss, bevor es hinzugefügt wird (z.B. wegen Datenschutz). Der Haufen aus Papiermüll erinnert an die Aktion „Auskehren“ von Joseph Beuys, deren Reste ein paar Schritte weiter im Neuen Museum (Samm-lung Block) gezeigt werden, und funktioniert zugleich in seiner Prozess-haftigkeit als soziale Plastik im Sinne des erweiterten Kunstbegriffs. Gleichzeitig liegt in dem Projekt useless information aber auch ein ironischer Rückgriff auf die künstlerischen Strategien zur kritischen Untersuchung der Institutionen des Betriebssystems Kunst in den 1990er Jahren. Die Vorläufer waren Konzeptkünstler wie etwa Michael Asher, der 1974 die Trennwand zwischen Büro und Ausstellungsraum einer Galerie in L.A. entfernen ließ, um die diskret verhandelten, ökonomischen Aspekte des Galeriebetriebs zum Thema zu machen...

Alle Arbeiten von Markus Sixay reflektieren auf unterschiedliche Weise Ort und Zeit, sie fragen nach der Rolle des Künstlers heute und unterlaufen subversiv und mit Humor die gängigen Vorstellungen von Kunst. Die von Sixay geschaffenen Situationen beziehen sich gleichermaßen auf Alltagsphänomene und Kunstgeschichte, Philosophie und Popkultur und liefern mit funkensprühenden Kurzschlüssen überraschende Denkanstöße.

Ellen Seifermann Pressetext

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Markus Sixay "21.Juli - 25.Sept.2005"