Neue Nationalgalerie, Berlin

Kulturforum Berlin-Tiergarten / Potsdamer Straße 50
10785 Berlin

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Seit dem 31. Mai 2012 dient die Terrasse der Neuen Nationalgalerie als Schauplatz für Martin Gostners Installation "Der Erker der blauen Pferde". Diese stellt die siebte Arbeit aus Gostners seit 2001 entwickeltem Erker-Projekt dar und ist damit - nach Errichtung von Erkern u. a. in Kalifornien, Wien und Berlin - ein weiterer Anlaufsort in Gostners Auseinandersetzung mit Zufälligkeit und Geschichte.

Ausgangspunkt für das in situ-Projekt, das von den Besuchern im Außenbereich der Neuen Nationalgalerie aufgefunden werden soll, ist Franz Marcs Gemälde "Der Turm der blauen Pferde" (1913). Dieses Meisterwerk des Expressionismus war 1919 von Ludwig Justi, dem Direktor der Nationalgalerie, angekauft worden und gehörte bis zu seiner Konfiszierung durch die Nationalsozialisten 1937 zum Kernbestand des Museums. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gilt das Gemälde als verschollen, obgleich es noch bis 1949 verschiedentlich in Berlin-Zehlendorf gesichtet worden war. Vermutungen, "Der Turm der blauen Pferde" lagere in einem Schweizer Banksafe, konnten nicht bestätigt werden. Es ist unbekannt, ob das zu NS-Zeiten als "entartet" verfemte Bild zerstört wurde, oder ob es als Kriegsbeute nach wie vor an einem geheimen Ort gelagert wird.

Auf der Basis eines "Gedankenkonstrukts", das Martin Gostner Erkerkultur nennt, nimmt der Künstler das auf der NS-Kulturpolitik basierende Verschwinden des Bildes zum Anlass, sich mit drängenden Fragen um den Verbleib des Gemäldes, aber auch mit Möglichkeiten der subjektiven Annäherung und des spontanen Auffindens von Historie zu beschäftigen: Wurde das Bild vernichtet? Ist es als Beutekunst nach wie vor vorhanden? Wie könnte ein mögliches'Lebenszeichen' des Bildes aussehen? Welche Spuren würden die vier blauen Pferde hinterlassen? Und was könnte ein Signal der Pferde an die jetzigen Eigentümer sein?

Der Erker als architektonisches Hybridformat bietet Martin Gostner den Rahmen, diese spezifischen Fragen zu thematisieren und dabei eine unabhängige Verbindung von Bild-Geschichte, Örtlichkeit, freier künstlerischer Bearbeitung und Besucher-Rezeption zu realisieren. Angeregt durch den österreichischen Alpinisten und Hofkammerbeamten Josef Kyselak (1799 - 1831), der durch die Hinterlassung seines Namens im öffentlichen Raum als Vorläufer des modernen Taggens gilt, geht es Gostner um die Entwicklung eines eigenständigen Modus, in dem der Betrachter unmittelbar mit künstlerischen Aussichten und kulturellen Einsichten konfrontiert wird - ein Anliegen, das Gostner in der Figur des Erkers verbildlicht. Für Gostner wird der Erker nicht nur zur Schnittstelle, an dem sich Persönliches und Kulturelles auf der Basis von Vergangenheit und Gegenwart vereint, sondern auch zum Ort, an dem es zum prozessualen Wechselspiel aus Öffentlichkeit und privater Sicht kommt.

Um diesen mehrschichtigen Dialog zu gewährleisten, geschieht die Errichtung der Erker, die für Martin Gostner eine Reflektion des genius loci sind, im Geheimen. Am Ort des Erkers werden dementsprechend keine zusätzlichen Auskünfte angebracht. Erst am Tag der klandestinen Installation kommt es zur Verbreitung von Informationen.

Die Erker sind stets milieuspezifische Arbeiten, die nicht transloziert werden können.