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Martin Walde ist ein im umfassenden Sinn medial konzipierender Künstler, dem es darum geht, Prozesse in Gang zu setzen, und zwar sowohl in Bezug auf das Material und die Form als auch in Bezug auf unser Handeln, unsere Erfahrungen und unser Denken. Walde ist ständig einer Phänomenologie der Veränderung auf der Spur, die er in ganz alltäglichen Situationen sucht, wie z. B. im öffentlichen Raum einer Stadt; er inszeniert die Veränderung auch innerhalb der strukturellen Beschaffenheit des Kunstwerks selbst, dessen Material sich dann wie in einer Versuchsanordnung chemisch oder physikalisch transformieren kann, aber ebenso dadurch, dass er die Menschen in vielfältiger Weise in das Kunstwerk mit einbezieht und diese – manchmal auch in Form von Handlungsanweisungen – zu einem interaktiven Teil des künstlerischen Szenarios werden lässt.

Walde wird in zwei Räumen der Galerie im Taxispalais einen Überblick seiner fotografischen Arbeiten zeigen. Zum einen eine Serie, die Bilder von Zuständen zeigt, die durch bestimmte Eingriffe, durch eine Veränderung der Norm entstanden sind. Sie zeigen, in Waldes Worten, “Phänomene, die unserer Welt für einen kurzen Moment entwendet und in veränderter Form wieder zurückgegeben wurden wie z. B. ein wässriger Schaum, der stabilisiert wird.”

Eine weitere Serie, die “Enactments” (Aufführungen), sind Fotos, die er in urbanen Zonen aufgenommen hat, z. B. das Innere einer U-Bahn, die Plattform einer Station oder eine Straße. In diese Bilder zeichnet Walde eine Szene hinein, die er an dieser Stelle real miterlebt hat, einen Selbstmörder an der Kante der Plattform oder eine am Pflaster liegende Frau: nachträgliche grafische Eintragungen, die als Erinnerung dennoch einen ganz konkreten Schrecken auslösen.

Für die anderen Räume der Galerie entwickelt Walde raumgreifende “Komplexe”, weder Skulptur, Objekt noch Installation, sondern eher mit dem Begriff “Performative (Inter)Aktion” zu erfassen, die es dem/der Besucher/in ermöglichen, optional an deren Entwicklung und Veränderung mitzuwirken. Die Halle im Untergeschoß wird zum Produktionsraum für “NOFF #4 (Nature’s Own Flexible Faksimile)”. Unter der Anleitung einer geschulten Person kann das Publikum mit Hilfe eines Instrumentariums das Kunstwerk laufend selbst herstellen, eine ständig wachsende “Skulptur” aus sich verformendem Plastikmaterial.

In einem weiteren Raum, in der Mitte eines riesigen Tisches arrangiert, bietet Walde ein Teeservice (“The Teaset”) zum Tausch an, und zwar sowohl am Ausstellungsort selbst als auch mittels seiner E-mail-Adresse über das Internet. Er will das Teeservice loswerden, aber die Bedingungen für das Tauschobjekt – keinesfalls Geld – sind, wie der Künstler selbst sagt, „nicht so einfach“; er wartet auf das richtige Angebot.

Neben zwei zusätzlichen raumbezogenen, installativen Arbeiten, eine davon mit Video, konzipiert Walde für den Eröffnungsabend die Aktion “The Thin Red Line”. Eine junge Frau trägt einen Wollknäuel mit sich, an dem sie laufend weiterwickelt. Dabei bittet sie die Passanten mit leiser, monotoner Stimme um einen kleinen Gegenstand, persönliche Dinge, die sie dann in den Wollknäuel einarbeitet; die unscheinbare Handlung wird zur Herausforderung, in der sich Privates mit Öffentlichem mischt, in der Obsession und Ritual plötzlich in den normativen sozialen Umgang einbrechen und bei der durch die Form der Interaktivität – auch buchstäblich – neue “Verwicklungen” oder Vernetzungen entstehen können.

Martin Walde ist 1957 in Innsbruck geboren; er lebt und arbeitet in Wien.

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Martin Walde