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Eröffnung: 29.01.2016, 18:00

Die Videos von Melanie Gilligan (*1979 Toronto, lebt in New York) thematisieren mit vielschichtigen, aus Fernsehserien adaptierten Narrativen die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit viel Drama, aber auch Humor, Science Fiction und Horror setzt Gilligan damit die Stilbreite des heutigen Kino- und Fernsehfilms künstlerisch um. Ihr generelles Thema dabei ist, wie ökonomische Kräfte heute unser Leben bestimmen. Seit 2008 hat Gilligan mehrere Videos geschaffen, die die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die politische Landschaft darstellen. Die Künstlerin behandelt die ökonomischen Bedingungen nicht isoliert, sondern stellt sie unter anderem zum Prozess der Subjektivierung, zum individuellen Körper, den Affekten und den Arbeitsanforderungen des neuen Kapitalismus ins Verhältnis. Viele ihrer Videos zeigen Personen oder Personengruppen, die auf unerwartete oder unwahrscheinliche Art mit Bedingungen des Systems konfrontiert werden.

Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl aus Gilligans Videoserie „The Common Sense” (2014-15) sowie die Premiere des Videos „Substitution” (2014), das gemeinsam mit der Künstlergruppe Wooloo entstand. In beiden Arbeiten prägen die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nur die Hauptpersonen, sondern auch deren Lebensumstände und sozialen Beziehungen. Allerdings gibt es kaum einfache Antworten, wie diese Verhältnisse entstehen. Beide Arbeiten behandeln Probleme der Kollektivität, die heute so notwendig wie schwierig zu realisieren scheinen. Und beide fragen, welche kollektiven politischen und gesellschaftlichen Formationen in einer Zeit wie heute möglich sind, in der unsere Beziehungen zu den anderen überwiegend durch technische und ökonomische Abstraktionen vermittelt sind.

„Das in ‚The Common Sense’ hypothetisch konstruierte SciFi-Szenario dreht sich rund um die grundlegende Frage ‚Wie würde die Welt aussehen, wenn es die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen nicht gäbe?’. Zur Untersuchung dieser Annahme entwirft Gilligan gedanklich eine neu erfundene Technologie, die es erlaubt physische und affektive Erfahrungen anderer Körper zu erleben. Die Idee des Kollektivierens von Grundaspekten menschlicher Erfahrungswelten spielt auf den Entwurf des ‚Transindividuellen' durch den französischen Philosophen Gilbert Simondon an. Simondon bezieht sich dabei auf jene Elemente, die zum Individuum gehören und gleichermaßen über dessen Grenzen hinausweisen. Gilligan’s neue Arbeit untersucht das politische Potential, das solchen ‚transindividuellen’, kollektiv geteilten Dimensionen des Subjekts innewohnt. Was würde in einer Welt passieren, in der Kapitalwerte die vorherrschende Verbindung unter den Individuen darstellen, wenn eine Technologie es ermöglichte körperliche Erfahrungen zu teilen?" (Amy Luo, Canadian Art, Winter 2015)

Ein Ausstellungskatalog wird in Zusammenarbeit mit dem Trondheim Kunstmuseum bei Sternberg Press (Berlin) veröffentlicht.