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MELIKE KARA
landing softly
04.11.2022 – 08.01.2023

Melike Kara arbeitet in ihrer künstlerischen Praxis mit Malerei und Installation, für die sie Symbole, Erzählungen und Handwerkstechniken der kurdisch-alevitischen Kultur aufgreift. Geprägt von ihrer eigenen Familiengeschichte, bezieht sich Kara in „landing softly“ auf die Weitergabe von kulturellen Traditionen. Mit ihren Werken fragt sie nach der Bedeutung von Erinnerungen für unser Dasein und wie sich die Vergangenheit in der Gegenwart fortschreibt.

Die bewegte und von Migrationsbewegungen geprägte Geschichte der Kurd:innen, wird überwiegend mündlich überliefert, zeigt sich aber auch in der Weitergabe kultureller Traditionen und in der Bewahrung ritueller Stätten. Aufgrund der schwierigen staatenlosen Stellung in den von der ethnischen Gruppierung bewohnten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Iran und Irak, fehlt es bis heute an institutionellen Archiven und Erinnerungssorten. Ergänzend zu der oralen Überlieferungskultur schafft Kara einen visuellen Zugang zu Sitten und Bräuchen, die teilweise bereits im Verschwinden begriffen sind. Sie nimmt mit ihrer künstlerischen Praxis den Platz einer Chronistin ein, die mit ihrem subjektiven Blick dem kulturellen Erben ihrer Ahnen eine neue Gestalt verleiht.

Eine der reichsten und vielfältigsten Traditionen, in der sich die wechselvolle Geschichte der Kurd:innen ohne Gleichen widerspiegelt, ist die Herstellung von Teppichen. Die Weber:innen adaptieren bekannte Muster, kombinieren sie neu oder verändern sie entsprechend ihrer georgraphischen Nähe zu anderen Stämmen, ihres persönlichen ästhetischen Empfindens oder der materiellen Gegebenheiten. Dieser fließende und fortwährende Gestaltungsprozess bringt eine große Vielfalt von Motiven hervor, die ein einzigartiges materielles Erbe der kurdischen Geschichte bilden. Es ist die Freiheit der Weiterentwicklung, die auch Kara für sich beansprucht, wenn sie die geometrischen und ornamentalen Muster kurdischer Teppichmotive aufgreift und in ihren Malereien und Installationen einfließen lässt. [...]

Die Installationen von Kara wecken häufig den Eindruck einer rituellen Stätte, mit der die Künstlerin in die institutionellen Räume der Kunst interveniert. In der Ausstellung „landing softly“ bespielt Kara beispielsweise den Boden der Galerie Gladbeck und wischt mit Pigmenten eingefärbten Zucker zu Symbolen und Fragmenten, die ein ebenfalls auf den Teppichornamenten basierendes Muster ergeben. Indem sie diese rituell anmutende Ebene hinzuzieht, entwickelt Kara einen persönlichen und emotionalen Zugang zu der kurdischen Geschichte. Kara schafft dabei einzigartige Räume, die Ausstellung und Erinnerungsort zugleich sind und auf eindrückliche Art und Weise dazu einladen, den Fragmenten von Traditionen nachzuspüren.

Textauszug von Tomke Braun