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Michael Krebber zählt zu den zentralen Figuren einer Kölner Szene, die seit den 1980er-Jahren wesentlich an der internationalen Positionierung einer konzeptuell orientierten Malerei beteiligt ist. In seinen Arbeiten ist das Wissen um den Facettenreichtum des malerischen Vokabulars – die Verabschiedung und Wiedereroberung malerischer Qualitäten, die Befragung der Grenzen des Bildraums oder die Spannung zwischen Repräsentation und Abstraktion – präsent. Es schwingt als konstante Fragestellung im Sinne einer historisch interessierten Reflexion des Mediums mit, erzeugt aber keine Reibung mehr. Gleichwohl nehmen der Einsatz stilistischer Mittel, insbesondere des (Pinsel-)Strichs und die Frage nach der „richtigen Form“ eine zentrale Rolle ein: sie sind maßgeblich, um eine inhaltlich orientierte Haltung entwerfen zu können, die dennoch formal im Stadium des Zweifels bleibt.

In der Secession war Michael Krebber bereits 2002 im Rahmen der Gruppenausstellung Hier ist dort 2 mit Malerei vertreten. Diesmal, in der Einzelausstellung im Hauptraum der Secession, seiner ersten institutionellen Präsentation in Österreich, verzichtet der Künstler hingegen auf den expliziten Einsatz malerischer Verfahren. Vielmehr führt er eine künstlerische Sprache vor, deren vornehmliches Interesse der Malerei gilt, diese aber nicht zwingend – als Medium oder Werkzeug – integriert. Michael Krebber bietet auf diese Weise auch ein Modell an, der unablässig wiederkehrenden Diskussion über die Relevanz von Malerei zu entgehen, ohne aber die Bedeutung malerischer Fragen aufzuheben.

Im Hauptraum der Secession kombiniert Michael Krebber eine Serie speziell angefertigter Holzrahmen mit einer Auswahl maschinengefertigter, bunter Stoffe. Wie bereits in früheren Installationen liegt auch diesmal die Betonung in der Hängung: Michael Krebber simuliert Beziehungen zwischen Elementen unterschiedlichster formaler und inhaltlicher Qualität, wobei aber der daraus resultierende Prozess des Formwerdens selbst in der Schwebe gehalten wird. Diese Spannung zwischen „Form“ und „Formlosigkeit“ setzt eine Distanz zu einem rein performativen Spiel.

Denn es geht, wie Helmut Draxler im Katalog zur Ausstellung betont, in den Arbeiten von Michael Krebber vor allem um die Verhältnisformen von Zeichen zueinander, „wie etwa Figur und Grund, Form und Format, Fläche und Raum, Farbe und Gegenstand, Rahmen und Wand, Objekt und Installation, Licht und Ort, Material und Referenz, Titel und Kontext, Gemachtes und Gefundenes aufeinander bezogen werden können.“

Die Ausstellung in der Secession steht in enger Beziehung zum Ausstellungskatalog, den Michael Krebber zu einem Archiv seiner Ausstellungsprojekte seit 2001 bis heute umfunktioniert, dessen Gliederung aber durch das visuelle Konzept aller Secessionspublikationen, einem Entwurf von Heimo Zobernig, bestimmt ist. Als dritter Bezugspunkt fungiert das parallel zum Projekt der Secession publizierte Buch Außerirdische Zwitterwesen, das auf einem Diavortrag von Michael Krebber basiert und u.a. um die historische Figur des Dandys kreist.

Der Ausstellungskatalog der Secession und das Buch Außerirdische Zwitterwesen erscheinen im Verlag der Buchhandlung Walther König.

Catherine Sullivan Im Zentrum der Arbeiten von Catherine Sullivan steht die Befragung der Zwänge und Paradoxien theatralischer Repräsentation. Ihre Filmarbeiten, Theaterinszenierungen und requisitenartigen Skulpturen basieren auf der konkreten Erfahrung schauspielerischer Praxis und ihrer aus der Diskrepanz zwischen Rolle, Person und Körper erwachsenden schizoiden Struktur. Sullivans Interesse gilt den Formen der Kodierung von Ausdruck ebenso wie den Hilfsmitteln, die eingesetzt werden, um das Auftreten von SchauspielerInnen zu bestimmen und zu steuern. Anhand der Grammatik des Theaters gelingt es ihr so, kulturell verankerte Kodierungen der Gestik und Definitionsmuster des Selbst offen zu legen.

In der Secession wird Catherine Sullivan erstmals ihre neue Arbeit, The Chittendens, zeigen. Ausgangspunkt sind numerische Kompositionsstrategien und die Möglichkeiten ihrer Übertragung auf das Verhalten der DarstellerInnen. Die Strategien des Separierens, der Neukombination und Variation finden ihr Echo in der räumlichen Umsetzung der digitalisierten, auf 16mm gedrehten Filmarbeit. Zugeschnitten auf die Ausstellungsräume der Galerie zeigt Sullivan ihre Arbeit in Form einer 6-fachen Projektion.

Konkret hat Catherine Sullivan eine abstrakten Regeln folgende Choreografie entwickelt: Sie hat 16 SchauspielerInnen jeweils 14 einzelne Posen zugeordnet, die nach strengen Formeln interpretiert, auf ein numerisches Muster übertragen und rhythmisch in verschiedenen Tempi ausgeführt wurden. Inwieweit lassen sich Handlungen überhaupt, ähnlich wie bei einem Musikstück, in isolierte, quantifizierbare Einheiten zerlegen? Andersherum gefragt, inwieweit formen sich aus der willkürlichen Zusammenstellung separater Posen doch wieder Personen? Wie äußern sich Selbstbeherrschung und Entscheidungsfreiheit, eingebettet zwischen Widerstand und der Komplizenschaft mit den aufgetragenen Posen?

Die Reinheit des analytischen Ansatzes und die darin scheinbar eingeschlossene Objektivität koppelt Catherine Sullivan mit Verfremdungsverfahren zeitlicher und räumlicher Verschiebungen. So basieren die Kostüme auf den verschiedensten Stereotypen des 19. und 20. Jahrhunderts und bieten weder den SchauspielerInnen noch den BetrachterInnen Identifikation. Während Sullivan das Geschehen in früheren Arbeiten häufig in historische Situationen transferierte, basiert die Wahl der Schauplätze für diese Arbeit auf der Suche nach einer möglichst aufgeblähten Metapher für das Individuum. Im Zuge ihrer Recherche stieß Sullivan auf das Logo der dann titelgebenden Versicherungsfirma The Chittendens: ein einsamer Leuchtturm – wie andere maritime Motive ein häufiges Motiv in Zusammenhang mit der Selbstdefinition amerikanischer Unternehmen. Gedreht wurde daraufhin in einem weitgehend verlassenen Bürogebäude in Chicago, das ursprünglich die unterschiedlichsten Firmen beherbergte, und in einem kleinen Leuchtturm auf Poverty Island vor der Küste von Wisconsin.

Die Kostüme und Schauplätze fungieren als neue, arbiträre Beziehungssysteme für die separaten Auftritte. Sie erzeugen ein Auftürmen von Bedeutungen und Anhäufen von Gesten. Im Spannungsverhältnis zwischen dem Besonderen und dem allgemein Gültigen sind es dabei letztlich die Verhaltensregime selbst, die in ihrer historischen und kulturellen Prägungen sichtbar werden. Wo erschafft sich das Individuum als Eigenes, wo wird es über eine scheinbar persönliche Geste wieder in eine Gemeinschaft und eine Epoche eingeschrieben?

Zum Projekt wird ein Künstlerbuch erscheinen, das gemeinsam mit der Tate, London, produziert wird.

Terence Koh generiert in seinen Arbeiten Momente der Versuchung, der Lust und des Begehrens. Sie stehen exemplarisch für die Strategie, queere, polymorph perverse Zugänge in die künstlerische Produktion einfließen zu lassen. Die Signifikanz seiner Objekte ist angebunden an private Narration und ein weites Spektrum subkultureller Assoziationsfelder. Dabei verwendet Koh oft triviale Materialien, die durch seinen transformativen Umgang einer nahezu klassischen Ästhetik wieder eingeschrieben werden.

Terence Kohs Ausstellung in der Secession kreist um die Topoi Jugend, Schlaf und Tod. Die Installation im Grafischen Kabinett verfolgt die Idee, einen Raum zu schaffen, in dem der Künstler den Rest seines Lebens verbringen könnte.

Der Titel der Ausstellung gone, yet still, die Kurzform von „gone, yet still/ i lie in bed/ watching the stars“ geht auf eine Art „Jisei“ zurück, ein traditionelles japanisches Abschiedsgedicht, wie es von Samurai oder Zen-Mönchen kurz vor ihrem Tod verfasst wird. Auf dünnes Papier geschrieben, weht es den BesucherInnen im Treppenaufgang zum Grafischen Kabinett entgegen, der zu einer Art Passage zum Ort der Stille, der Leere, des Exils und des Rückzugs bis zum Tod wird. Sowohl der Treppenaufgang als auch der Raum oben mit all den darin enthaltenen Objekten sind ganz in Weiß gehalten. Das Weiß taucht den Raum in ein milchiges Licht und wird zugleich zum Vorboten der Transzendenz.

Maßgeblich für die Installation im Grafischen Kabinett ist die Frage, wie ein Raum aussehen müsste, um dort zu verharren, auf den Tod zu warten und sterben zu können. Inspirierend hierfür ist der Roman von Georges Perec Ein Mann der schläft, der die Geschichte einer Verweigerung erzählt. Ein junger Mann wendet sich kurz vor Abschluss seines Examens von jeglicher sozialer Existenz ab — ihren Zwängen, Sinnlosigkeiten, ihrer Vergeblichkeit und tut fortan nichts mehr. Er übergibt sich der Ziellosigkeit und verliert langsam das Gefühl, zur Welt zu gehören. Letztlich bricht der Student das Experiment mit der Erkenntnis ab, dass sein Rückzug aus der Welt keine Konsequenzen für den Gang der Dinge hat.

Ein Bett, ein Stuhl, ein Regal, ein Kühlschrank. Terence Koh kombiniert diese existenzielle Möblierung mit der barocken Opulenz von über 125 Glasvitrinen in der Größe von Aquarien. Sie sind mit den für Koh so typischen Devotionalien gefüllt: Tierfiguren, Püppchen, zwei sich küssende Marmorbüsten des letzten Papstes, Michael Jackson Figürchen, chinesische Reinkarnationsstatuen, Plastik-Dinosaurier, Insekten etc. - manche sind mit Wasser gefüllt, manche beherbergen Spuren eines Rituals.

Die Installation ist durchzogen von Symbolen und der Atmosphäre schwuler Sexualität, von Bildern junger Körper, Gesichter, Ärsche und Schwänze. Koh schafft damit letztlich Freiräume, queere Räume, in denen Sexualität als das, was sie vor allem ist, dargestellt wird, nicht wozu sie oft gemacht wird. Sexualität unterliegt in seinen Arbeiten keiner Vereinnahmung durch moralische, ideologische oder restriktive Zwänge, sondern ist vielmehr eine Verlockung, die Bedrängnis und Zerrissenheit im Dasein zu vergessen. Es ist weniger ein autobiografischer Reigen, denn ein Versuch, das Ephemere eines einzelnen Lebens zu vergegenwärtigen, das „Boudoir“ einer Existenz zu dokumentieren, wo der Tod als einzige Sicherheit und gleichzeitig größte Unbekannte immer anwesend ist.

Terence Koh illustriert die Gespaltenheit menschlichen Seins, einerseits die Begierde, die Welt obsessiv zu erleben, sich zu teilen, der Sehnsucht einen Platz außerhalb seiner selbst zu geben, andererseits die unendliche Einsamkeit, die jeder Mensch kennt und immer wieder erlebt.

Seine Ausstellung ist eine Konfrontation mit dem Tod als einer notwendig abstrakten Vorstellung, der in der Einsamkeit des Zimmers als Erleichterung oder aber Bedrohung imaginiert werden kann, der die überbordend bestückten Glaskästen zu Särgen werden lässt. Diese harmonische Szenerie wird von einigen zerschlagenen und beschädigten Vitrinen erschüttert. Die Resonanz dieser Willkür, die Gewalt, die plötzlich auch im Raum anwesend ist, zerrt die Installation aus der Optik eines eingefrorenen Bildes heraus und erinnert an das wiederkehrend Unvorhersehbare, das dem Tod vorausgeht.

Der erste monografische Katalog beinhaltet Texte von AA Bronson, Bruce Benderson, Bruce La Bruce, Philip Aarons und Shamim Momin.

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