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Die Kunstsammlungen Chemnitz präsentieren vom 30. Januar – 20. März 2011 die Ausstellung „MICHAEL MORGNER. Bilder 1985–2008“. Gezeigt wird ein Überblick von mehrteiligen und großformigten Werk-komplexen des Chemnitzer Künstlers, die zwischen 1985 – 2008 entstanden sind. Neben zwei Einzelwerken, 3 Figuren im Raum und Studie zum Turiner Schweißtuch, umfasst die Ausstellung fünf mehrteilige Arbeiten: die Triptychen Jüdisches Requiem und die beiden Gletscher-Triptychen sowie den Vierteiler Einsiedel und das Pentaptychon Selbstporträt. Allgemein bedient sich die expressive Bildsprache seiner Werke verschiedener Mischtechniken auf Papier und vereint Tuschzeichnungen mit Prägedruck, Radierungen und Lavagen. Oftmals wird die Bildoberfläche nachträglich bearbeitet, beispielsweise werden einzelne Partien vom Maluntergrund abgeschält oder mit Hautabdrücken versehen.

Die Titel der Exponate lassen anklingen, dass es sich bei Morgners Arbeiten um existenzielle Frage-stellungen handelt. Es liegt in der Natur künstlerischer Existenz, seinem Selbstverständnis als Künstler, den Arbeitsbedingungen und den Zeitläufen, in denen sein Werk seit Ende der 1960er Jahre entstanden ist, dass seine Bilder den Charakter von Botschaften haben und sich in monumentaler Gestalt Ausdruck verschaffen. Seine Bilder sind mit figurativen Metaphern menschlicher Erfahrungen durchsetzt: die Figuren „Angst“, „Schreitender“ und „Aufsteigender“, welcher auch in dem Werk 3 Figuren im Raum von 2008 als empor steigende Erscheinung auftaucht, durchziehen sein gesamtes OEuvre. Das fünfteilige Selbstporträt von 2006, welche alle drei Figuren vereint, ist ein programmatisches Manifest über das Selbstverständnis eines Künstlers in verschiedenen politischen Umbrüchen, Morgner wurde während des 2. Weltkrieges geboren, wuchs in der DDR auf, erlebte die Wende 1989. Die drei Figuren − die „Angst”, der „Schreitende”, der „Aufsteigende” –, die er nach der Fertigstellung auf die drei inneren Tafeln aufgebracht hat, sind dabei keine Prägedrucke, er hat hier die Schablonen selbst verwendet.

Am 6. April 1942 wird Michael Morgner in Chemnitz geboren. Nach seinem Studium von 1961 – 66 in Leipzig arbeitete er mit grafischen Techniken und dadurch mit entsprechend limitierten Formaten, ab 1982 - im Zusammenhang mit seiner Hinwendung zu religiösen Themen – ging er in größere Formate und zur experimentellen Entwicklung neuer Techniken über. Ab 1984 entstand die Grafikmappe Ecce Homo, in der er sein Erlebtes in die christliche Leidensgeschichte einbrachte. Diese Mappe steht am Beginn einer existen-ziellen Thematik, in der die Passion Christi zum Symbol für das Leiden des Einzelnen und aller Entrechteten wird. Einsiedel ist für Michael Morgner eines seiner Schlüsselbilder, das noch zur DDR-Zeit geschaffen wurde. In der Ausstellung MICHAEL MORGNER. Werke 1985-2008 werden erstmalig alle vier Teile zusammen gezeigt. In Einsiedel, dem eingemeindeten Ort bei Chemnitz, hat der Künstler die meiste Zeit seines Lebens verbracht. „Einsiedel 5.3.1945 ist noch nie zusammenhängend gezeigt worden und ist für mich die wichtigste Arbeit. […]Ich bin Einsiedler, habe seit 1942 nur kurz im Nachbarort gewohnt. 1945 haben sich meine Verwandten aus Angst vor den Russen erschossen. Ich habe Glück gehabt”, so Michael Morgner. Einsiedel entstand 1985/86, also 40 Jahre nach der Bombardierung, die sich dem damals Drei-jährigen für immer eingeprägt hatte. 1988, zwei Jahre danach, begann Morgner, am Deutschen Requiem zu arbeiten, das der kollektiven Erinnerung gewidmet ist. Im Jahre 2000 entstand das in der Ausstellung gezeigte klassische Triptychon Jüdisches Requiem als Teil und Fortführung des Deutschen Requiems. Für Morgner ist das Jüdische Requiem ein Manifest des Gedenkens, sowohl des persönlichen wie des kollektiven, und es ist eine Auseinandersetzung mit der Verdrängung der Schuld am Holocaust durch den DDR-Staat, der Kriegsverbrechen und den Holocaust auf die Bundesrepublik als Nachfolgestaat des Dritten Reiches abschob. Durch den Mauerfall bedingt, gelang es 1989 dem Künstler an Arbeitsmaterialien für größere Formate heranzukommen. Von da an sind seine Arbeiten meist in komplexer Technik und mit spontaner Heftigkeit geschaffene Bilder.

In den beiden gezeigten monumentalen Gletscher-Triptychen von 2007 griff Morgner die „Klima“-Thematik, die er bereits 1990 mit seinen Radierungen zum Thema „Tauwetter“ als Symbol für den Kalten Krieg verwendete, wieder auf. Dieses Thema bildet neben dem Leidens- und Auferstehungsmotiv die zweite durchgehende Thematik seines künstlerischen Schaffens. In seiner Studie zum Turiner Schweißtuch von 2007 veranschaulicht Morgner die Spuren der physischen Verletzungen Christi durch Folterung und Kreuzigung. Für die katholische Kirche stellt das Tuch eine existenzielle Beziehung zwischen dem Betrachter und dem Dargestellten und somit indirekt zwischen dem Gläubigen und seinem Gott her. In Morgners Arbeit wird die Leinwand zum Träger von Verletzungsspuren. Morgner hat mit dieser Studie ein eindringliches Memento mori geschaffen, das schemenhaft den Übergang vom Leben zum Tod visualisiert und dennoch sprichwörtlich ‚unter die Haut’ geht.

Michael Morgner gehört zu den Künstlern, die nicht nur die Chemnitzer Kunstszene prägten, sondern dessen Werk auch überregional geachtet und anerkannt ist. Als Gründungsmitglied der Produzentengalerie Galerie Oben 1973 und der Chemnitzer Künstlergruppe „Clara Mosch“ 1977, Mitinitiator des Kunstvereins „Kunst für Chemnitz“, sowie zahlreichen öffentlichen Streitgesprächen entspricht er nicht dem zurückgezogenem Atelierkünstler, vielmehr bewegt er sich gerne und mit enormer Energie an der Schnittstelle zwischen Kunst und Gesellschaft.

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Michael Morgner
Bilder 1985 - 2008