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Michael Schoenholtz

Das Figürliche als gemeinsames Herkunftszeichen zweier fast Wand an Wand arbeitender Bildhauer bleibt als Generalnenner zu blass. Doch in die Bezirke dreidimensionaler Kunst, die man überhaupt noch als zur Bildhauerei gehörig bezeichnen kann, hat sich ein Begriff eingeschlichen, der das Wort Figur verbalisiert: Figuration. Die als Skulptur verdichtete Materie setzt sich zur menschlichen Realität in Bezug, setzt sich "figurierend" auseinander damit, verharrt in problematischem Abstand dazu, antwortet eigener Herkunft, ohne sich ihr phänomenal unterzuordnen. Leuchtender mediterraner Marmor ist es bei Michael Schoenholtz, im Wechsel mit lichtabsorbierendem Sandstein, Muschelkalk, schwarzer Basaltlava, worin sich ihm die Form verdichtet als Antwort auf die Faktizität der Welt, auf das Chaos der Erscheinung, dem er höchstens Ansätze zur Form zubilligt - aber nicht mehr. Form ist ihm ein Begriff der Kunst. Sie steht ihm als "Maß gegen das Ungemessene". Darin gehört er - ohne jeden Klassizismus - in griechische Tradition. In hellenischer Kunst war es so: Tempel und Figur stehen als Form in der Welt des dämonisch Gestaltlosen. Sie konzentrieren Landschaftliches in Bau und Figur. Erst Figur deutet mit Maß und Form das Chaos des "Ungemessenen". Nur dass es sich heute nicht mehr um mythologische Kommentare zu Welt handelt.

Die Skulpturen von Michael Schoenholtz, bald an Säule, Pfeiler, Architektur, bald an menschliche Gestalt oder ihre Fragmente erinnernd, antworten dem Gestaltlosen ("ohne Chaos keine Figur" hat Schoenholtz einmal gesagt), aber nicht als geometrisch abgezirkelte Formeln. Wohl sind sie autonom, sie selbst. Doch indem sie "figurierend" Menschlichem sich nähern, fühlt man ihr stummes Echo auf unsere Lebenswirklichkeit; und dies umso mehr, je mehr sie ins Format der Lebensgröße kommen. Sie sind wie von innen gefühlte, leiblich geregte skulpturale Gegenstände von geschmeidiger Lebendigkeit, sind rational gegliedert, doch atmend, geordnet, aber übergreifend bewegt, abstrakt, gleichwohl organischem Sein verwandt. So gehen sie "stumm und unbegreiflich in uns hinüber". Mit diesen Worten hatte es einst Herder, der Begründer neuzeitlicher Skulpturenästhetik, von "Plastik" erwartet.

Heiner Protzmann

Rolf Szymanski

Der Bildhauer Rolf Szymanski ist Menschenbildner. Seit über 50 Jahren. Dabei ist es sehr charakteristisch für sein künstlerisches Denken und seine Arbeitsweise, eine bildhauerische Idee zunächst im recht kleinen Format zu realisieren, sie dann über einen manchmal sehr langen Zeitraum weiter zu verfolgen; sie wieder und wieder aufzugreifen, zu verwandeln, neu zu durchdenken, sie wachsen und reifen zu lassen. Seine Arbeit ist ganz zeitgenössisch von der Suche nach der offenen, erst entstehenden Form geprägt, deren Wandlung auch im abgeschlossenen Werk ganz prozesshaft sichtbar bleibt, sehr bewusst als ein dauerhaft noch nicht Fertiges, ewig Werdendes. Wie im Leben zeigt sich in der plastischen Gestalt bei Szymanski stete Veränderung, ständiges Wachstum und unaufhaltsames Vergehen. So gelingt es ihm, gerade in dieser für die Bildhauerei sehr ungewöhnlichen Form des nicht Vollendeten die Unsicherheit des Menschen, die Ungesichertheit der Existenz, die lebensumspannende Fragwürdigkeit als Sinnbild aufzuheben. Das Drama dieser Erfahrung übersetzt Szymanski in sehr aufgewühlten Ausdruck. Die Figur ist aus organisch schwellenden Volumen zusammengefügt, deren schrundig aufgerissene Oberflächen mit Kerben, Höhlungen und Brüchen wie mit gewaltsamen Verletzungen übersät sind. Alles ist Fragment, Bruchstück, Halbheit, besteht aus Teilen eines verlorenen Ganzen, die sich im Kunstwerk in der Erinnerung an frühere Ganzheitlichkeit erneut zusammen fügen. Denn die Hoffnung ist nicht verloren und findet in seiner Plastik zu neuer, bewegter und bewegender Gestalt.

Jörn Merkert

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Reihe Skulptur - Dialog 1:
Michael Schoenholtz und Rolf Szymanski