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Michał Budny, Vittorio Santoro
Sculpture/Sculpture 31.10.2020 – 31.01.2021 Eröffnung 30.10.2020, 15–20 Uhr

Michał Budny (1976) gehört zu den führenden Positionen der aktuellen polnischen Kunst. Seine Objekte, Installationen und Kartonagen nehmen Mass am Menschen, an der Körperlichkeit und Präsenz des Künstlers sowie der Betrachterin. Auch Vittorio Santoros (1962) Arbeiten sind auf das Publikum angewiesen: Viele Arbeiten erschliessen sich erst durch die Bewegung in einer Installationen und zwischen den Objekten. Die Ausstellung Sculpture/Sculpture verbindet die Werke der beiden Künstler zu einem losen Dialog.

In ihrer Strenge und Gegenstandslosigkeit erinnern Michał Budnys Arbeiten an den Konstruk-tivismus. Die Klarheit seiner visuellen Sprache und die geometrischen Formen stellen Verbin-dungen zur Minimal-Art her. Doch wenn Budny 180 Quader auslegt, die von weitem wie schwarze Ziegelsteine aussehen, aber aus Karton gefertigt sind, zeigt sich Budnys Interesse am Brüchigen und Prekären. Genaue Beobachtungen von Emotionen, Orten und Beziehungen stehen am Anfang seines Arbeitsprozesses, so dass jedes Werk immer auch eine Vorstellung, eine Erinnerung oder ein Gefühl vermittelt. Dafür setzt er Materialien wie Holz, Stahl und Sand präzise ein. Meteorite (2020) sind über ein Meter hohe, ovale, aus Gusssand geformte Objekte. Die Arbeit entstand während seines Atelieraufenthalts im Sitterwerk St.Gallen in diesem Frühjahr. Budny entdeckte das tiefschwarze Abfallmaterial, das vom Gussprozess übrig bleibt, auf dem Areal der Kunstgiesserei. Die an überdimensionierte Eier erinnernden Meteoriten bestehen aus dem Sand, der normalerweise als Gussform für das flüssige Metall dient. In ihrer Materialität und Haptik spielen sie mit der Ambivalenz von Proportion, Zerbrechlichkeit und Schwere. Ihre perfekte Rundung und die raue schwarze Oberfläche erzählen von einer potentiellen Reise durch das All, vom kosmischen Ursprung im Sonnensystem sowie der darin enthaltenen Geschichte der Frühzeit.

Sculpture/Sculpture ist Vittorio Santoros erste umfassende Werkschau in der Schweiz. Er nennt seine räumlichen Arbeiten «skulpturale Situationen», arbeitet aber auch mit Film und vor allem mit Schrift und Sprache. Den Ausgangspunkt für ein Werk bildet stets eine Idee, ein Phänomen in der Welt oder eine literarische Szene, die er mit künstlerischen Mitteln untersucht und über-setzt. In den skulpturalen Situationen kombiniert Santoro gefundene Objekte mit eigens produzierten Artefakten, wobei ihre Herkunft verschiedene Assoziationen ermöglicht. Das Publikum wird mit unterschiedlichen literarischen sowie historischen Momenten konfrontiert und aufgefordert, Entscheidungen zu treffen: rechts oder links gehen, die Installation durchqueren oder nur aus einer sicheren Distanz betrachten? So lenkt Santoro die Erwartungen des Publikums über den Ausstellungsraum hinaus, hinterfragt etablierte Werte und denkt über soziale Ränder oder poetische Gesten nach. Für Sculpture/Sculpture hat der in Zürich und Paris lebende Künstler eine neue Rauminstallation entwickelt. Er thematisiert darin Megafone, wie sie für die Massenkommunikation im Freien, für Verkündigungen und Demonstrationen verwendet werden. Informationen, Anweisungen, Wünsche und Forderungen werden mittels Megafonen verstärkt und akustisch verzerrt in die Menge gestreut. Verschiedentlich ist Santoro in der Ausstellung mit «real-time activities» präsent. Mit diesem Begriff bezeichnet er seine Interventionen, seien dies Performances oder Aktionen.

kuratiert von Fanni Fetzer, Direktorin Kunstmuseum Luzern