press release only in german

Eröffnung: Freitag, 25. 4. 2008, 19 Uhr

Pressetext:

Die zweite Folge von FOOTNOTES besteht aus einer Arbeit von Miklós Erhardt. In seinen Einzelprojekten wie auch in seiner Zusammenarbeit mit der Künstlergruppe Big Hope untersucht Erhardt das künstlerische Potential menschlicher Interaktion. Insbesondere angetrieben von seinem Interesse an persönlichen Sichtweisen, Erfahrungen und Geschichten, behandeln seine Arbeiten soziale Situationen und deren Bestandteile wie Immigration, Tourismus, Obdachlosigkeit und Wirtschaft im Allgemeinen. Oft nimmt er bei der Realisation eines Projekts die Rolle eines Vermittlers, Mitarbeiters oder Ermöglichers an, während er zugleich mit kritischer Aufmerksamkeit die Situationen reflektiert, die er selbst herstellt und beobachtet.

Das Projekt für die Vitrine der Secession ist, wie der Name sagt, eine „Fußnote zum nackten Leben“. Der Begriff des nackten Lebens, vor kurzem zum Unterthema der documenta 12 gewählt, bedeutet die „einfache Tatsache des Lebens, die allen Lebewesen gemein ist“ (Giorgio Agamben, HOMO SACER: DIE SOUVERÄNE MACHT UND DAS NACKTE LEBEN).

Der Kommentar, den Erhardt mit seiner Arbeit abgibt, ist wie schon der Begriff zweischneidig. Einerseits ist die Arbeit von bitterer Ironie getragen, weil sowohl ihr Material als auch ihr Aussehen provisorisch und elend wirken: Man könnte sie mit Menschen in Verbindung bringen, denen einzig das Recht aufs nackte Leben verblieben ist (d.h. auch, aber nicht nur Flüchtlinge und Obdachlose). Der Ort der Installation – eine Unterführung – ist selbst ein Durchgangs-(Un-)Ort der, obwohl er oft der einzige Schutzraum für aus der Gesellschaft Ausgestoßene ist, zugleich vom Staat genau überwacht und kontrolliert wird.

Andererseits ist das Projekt ein – nicht weniger ironisches – Experiment, zeigt es doch (vermutlich) alle Dinge des Künstlers. Diese persönliche Note bringt einen weiteren Aspekt auf das nackte Leben ins Spiel, der scheinbar alle politischen und sozialen Konnotatioen ausschließt: Welcher Dinge und welcher Illusionen muss man sich entledigen, um ans nackte Leben zu kommen? Lassen sie solche überhaupt bestimmen?

(Hajnalka Somogyi)

MIKLÓS ERHARDT erlangte einen Master of Arts in Medienkunst an der Akademie der Künste in Budapest, wo er auch als Kurator und Produzent im Balázs Béla Filmstudio arbeitete. 2004 begann er ein Doktoratsstudium an der Akademie der Künste Budapest, und unterrichtete parallel an der Abteilung Intermedia. Erhardts Werk umfasst Gemein-schaftsprojekte, Videos und Publikationen ebenso wie Vorträge und Workshops. Außerdem übersetzte er u.a. Bücher von Noam Chomsky und Guy Debord ins Ungarische. Seine nächsten Ausstellungen finden im Grafischen Kabinett der Secession (4. Juli – 7. September 2008) sowie auf der Manifesta 7 statt (letztere zusammen mit Little Warsaw). Erhardt lebt und arbeitet in Budapest. Die Projekte von Big Hope sind auf www.highope.hu dokumentiert.

HAJNALKA SOMOGYI ist Kunsthistorikerin und freie Kuratorin. Von April 2001 bis Juni 2006 leitete sie das internationale Ausstellungsprogramm der Trafo Galerie im Haus der Zeitgenössischen Künste in Budapest. Sie ist Gründerin von DINAMO und Impex – Contemporary Art Provider, zwei unabhängigen Kunstinitiativen in Budapest. 2006 war sie im Rahmen des Residenz-Programms von CEC Artslink Curator-in-Residence bei Art in General in New York City. Zur Zeit studiert sie im Curatorial Studies Program am Bard College, New York.

only in german

Miklos Erhardt
Fussnote zum nackten Leben - Kartons, darin (vermutlich) alle Dinge, die ich derzeit besitze
FOOTNOTES: eine Projektreihe kuratiert von Hajnalka Somogyi

Ort: Vitrine (Westbahnpassage, U-Bahnstation Karlsplatz)